Es ist das Spiel, das Roger Federer auf schmerzliche Weise klarmacht, wo er dieser Tage in der Hackordnung der Tenniswelt steht. Die Nummer 300 der Welt hat er in der ersten Runde der Australian Open besiegt, den Österreicher Jürgen Melzer. Am Mittwoch war die Nummer 200 dran bei Federers Stafettenlauf, der US-Amerikaner Noah Rubin, den er nicht ohne Mühe mit 7:5, 6:3 und 7:6 (3) besiegte. Wäre alles wie immer bei Federer, in all den Jahren seit seinem Aufstieg in höchste Tennisregionen und auf den einsamen Gipfelplatz, dann spielte er nun gegen einen Rivalen aus dem Mittelstand seiner Berufswelt, gegen einen Rivalen, der zur weiteren Formüberprüfung dient und zur Feinjustierung des eigenen Schlagarsenals.
Aber wer ihm nun schon in Runde drei gegenübersteht, ist kein geringerer Kollege als der langjährige Top-Ten-Spieler Tomas Berdych, die Nummer zehn der Welt. Und damit momentan sieben Plätze höher eingestuft als der verletzungsgeplagte, in der Tennis-Hierarchie abgerutschte Federer. "Es ist so, wie es ist. Es ist nichts Ungewöhnliches jetzt", sagt Federer lakonisch. Und setzt das Spiel für ihn in dieses Verhältnis: "Ich bin glücklich, überhaupt in der dritten Runde zu sein. Wenn mir das vor ein paar Tagen oder Wochen angeboten worden wäre, hätte ich sofort eingeschlagen."
Wawrinka zeigt sein anderes Gesicht
Federer, im Moment der nominell zweitbeste Schweizer im Welttennis, zog am Mittwoch nach Stan Wawrinka in die Runde der letzten 32 ein: Der Romand, sonst gern einmal der Mann für die Langstrecke, der vielbeschworene Marathon-Mann der Szene, legte dabei nur eine harmlose Kurzschicht ein und ließ dem US-Amerikaner Steve Johnson beim 6:3, 6:4 und 6:4 nicht die geringste Chance. Fast typisch für Wawrinka, dass einem schwierigen und langwierigen Auftritt wie hier und jetzt gegen den Slowaken Martin Klizan in der Auftaktrunde ein souveränes Gastspiel folgt. "Ich bin schon mit einem guten Gefühl nach Melbourne gekommen, aber zum Start hat jeder ein bisschen Lampenfieber. Aber jetzt fühle ich mich einfach gut - und das Spiel heute hat das auch gezeigt." Wawrinka tritt am Freitag gegen den Serben Viktor Troicki an.
Doch auch am Freitag dürfte Federer, der euphorisch gefeierte Rückkehrer, im Blickpunkt der Grand-Slam-Geschehnisse stehen - in der ziemlich sicheren Abendshow in der Rod Laver Arena gegen Tomas Berdych. Gegen einen Mann, der trotz aller ausgewiesenen Talente und einer erstklassigen Physis nie in die Phalanx der Großen Vier einzubrechen vermochte. Auf allerhöchstem Anspruchsniveau, also in den Karrierefragen, die den Gewinn von Grand-Slam-Titeln oder WM-Pokalen betreffen, ist die Karriere des Tschechen im Konjunktiv steckengeblieben. Im Hätte, Wenn und Aber. Irgendwie fehlte ihm irgendwo immer der letzte Biss, der entscheidende Punch, die Nervenkraft bei den Big Points. "Berdych ist vielleicht der beste Spieler der Welt, der noch keinen Grand Slam gewonnen hat", urteilt Ex-Superstar John McEnroe.
Wird Berdych wieder der Spielverderber?
Allerdings hatte Berdych schon immer das Zeug zum Spielverderber für den "Maestro", auch in dessen absoluter Blütezeit. Berdych gewann gegen ihn bei den Olympischen Spielen 2004, es war eine der bittersten Niederlagen überhaupt in der Karriere Federers. Auch 2010 in Wimbledon und 2012 bei den US Open ging der inzwischen 31-Jährige, in Monte Carlo residierende Tscheche als Sieger vom Centre Court - ein Mann mit schneller Hand, mit schnellen Aufschlägen, aber auch einer, der schnell die Kontrolle über ein Match verlieren kann. "Es ist wichtig, dass ich selbst gute, sichere Aufschlagspiele habe. Und mir so ohne riesigen Druck Chancen bei seinem Service erarbeite", sagt Federer, der in der persönlichen Bilanz mit 16:6 gegen Berdych führt.
Gegen Außenseiter Rubin hatte ihn vor allem der eigene Aufschlag oft aus der Bredouille befreit, vielleicht sogar vor einer unliebsamen Sensation bewahrt. Federer ließ sich noch reichlich Raum für Steigerung, er schwankte sehr stark in seinem Leistungslevel, das ist allerdings auch nur der Normalfall für einen, der seit sechs Monaten nun die ersten ernsthaften Matches bestreitet. Trotzdem ist Federers Ehrgeiz da, in voller Ausprägung: "Ich will noch ein bisschen länger hier bleiben. Meine Reise soll noch nicht zu Ende sein."
Die Australian Open im Überblick