Er gab sich nicht verloren, kämpfte bis zum letzten Spiel noch irgendwie um eine magische Drehung oder Wendung. Aber nach 88 Minuten war schließlich dann doch alles vorbei für Stan Wawrinka, in diesem Zweitrundenspiel gegen den eher unbekannten Amerikaner Tennys Sandgren. Und überhaupt bei den Australischen Meisterschaften des Jahres 2018. 2:6, 1:6 und 4:6 lautete die ernüchternde Bilanz für den ehemaligen Turnierchampion, der nach seiner Knieoperation noch eine lange, harte Wegstrecke vor sich hat - und ein Comeback, das eher einer Marathonanstrengung gleichen wird.
"Es war klar, dass ich hier keine entscheidende Rolle spielen kann", sagte Wawrinka hinterher, "ich bin Realist. Ich habe noch eine Menge Arbeit vor mir." Immerhin konnte Wawrinka als Pluspunkt verbuchen, sich nach einer rund sechseinhalb Monate währenden Zwangspause überhaupt in die Grand-Slam-Prüfung begeben und sein Auftaktmatch gewonnen zu haben. Er sei "deutlich weiter als gedacht " bei seinem Comeback, so Wawrinka, "vor ein paar Tagen war noch nicht mal klar, dass ich starten würde."
Unkenrufe bestätigt
Nach dem gewonnenen Startduell gegen den Litauer Berankis hatte Wawrinka schon geunkt, er sei sich einigermaßen sicher, "in zehn Tagen nicht mehr hier zu sein", also am Grand-Slam-Schauplatz Melbourne. Und diese Prophezeiung erfüllte sich bereits beim nächsten Match, der nächsten Aufgabe - gegen einen teils wie entfesselt aufspielenden Außenseiter Sandgren, der seine Chance auf einen Überraschungscoup konsequent und energisch nutzte.
Eigentlich hatte man nur in der Anfangsphase das Gefühl, als könne Wawrinka an diesem glutheißen Tag in der Grand Slam-Metropole mit seinem Gegenüber mithalten, speziell in jenem Augenblick, als er sich beim 2:2-Gleichstand im ersten Satz zwei Breakbälle erspielte. Die Chancen indes blieben ungenutzt, und fortan wirkte der Romand nur noch wie ein Sparringspartner des 26-jährigen Nobodies, der bisher eher auf den Bühnen der Challenger-Tour sein Auskommen versucht hatte.
Aber Sandgren ließ sich weder vom großen Namen Wawrinka, immerhin dreimaliger Grand Slam-Titelgewinner, noch von der großen Bühne in der Margaret Court-Arena beeindrucken. Zwischenzeitlich gewann er sogar neun Spiele in Serie, drückte dem Match unbarmherzig seinen Stempel auf. "Es war manchmal wie im Traum. Du hast auf einmal das Gefühl, nichts falsch machen zu können", sagte der Amerikaner, der in der ATP-Hackordnung gegenwärtig auf Platz 97 gelistet ist und in Runde eins der Australian Open erst sein erstes Karrierematch bei einem Grand-Slam gewonnen hatte.
Chance für Marterer
Im dritten Satz holte sich Sandgren früh ein Break, verteidigte den Vorsprung nervenstark ins Ziel. Er, Sandgren, kämpft nun gegen den Deutschen Maximilian Marterer (ATP 94) um einen Platz im Achtelfinale, während Wawrinka vor weiteren Wochen einer komplizierten Rückkehrmission steht. Und womöglich auch vor weiteren schmerzhaften Niederlagen. Nächste Engagements von Wawrinka sind die Turniere in Rotterdam und Marseille.