Am Morgen nach dem historischen Sieg erschien die spanische Zeitung "Le Mundo" mit einer vergleichsweise schlichten Schlagzeile. "Roland Nadal!" stand in dicken Lettern auf der Titelseite, dazu war das Bild des Champions zu sehen, wie er innig den Siegerpokal in seine Arme schloss, kurz nach der Vollendung seiner Grand-Slam-Mission. Ohne große Worte, ohne Superlative war eigentlich alles gesagt: Nadal und Roland Garros, sie sind irgendwie unzertrennlich verbunden, man kann das eine kaum ohne das andere denken.
Alles, was in Paris war, und alles, was in Paris noch kommen wird, das wird an dem 31-jährigen Mallorquiner gemessen werden. Er hat sich, längst schon in seiner Profikarriere, ein Denkmal gesetzt, vielleicht wird sogar dereinst eine der Pariser Arenen oder Turnierplätze seinen Namen tragen, den des unverwüstlichen Dominators im Sand.
Man wird sich an diesen zehnten Titellauf ganz besonders erinnern, wenn Nadal einmal seinen Schläger beiseite gelegt hat. Er war, aus vielerlei Gründen, denkwürdig, überragend, emotional. Nicht nur wegen der magischen Zahl, die einem stets und überall entgegentrat, der Nummer zehn. Sondern weil es einer selbstverständlichsten und zugleich am wenigsten selbstverständlichen Siege Nadals war. 2015 und 2016 war er nur Zuschauer gewesen, als sich die finalen Zeremonien in Paris abspielten, 2015 unterlag er im Viertelfinale dem damaligen Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic, 2016 reiste er verletzt aus Paris ab, eine Handgelenksverletzung zwang ihn zur Aufgabe.
Es gab nicht wenige, die ihn abschrieben noch vor einem Jahr, nicht, weil er keine ausreichende Motivation mehr besessen hätte für die professionellen Prüfungen. Sondern weil sein Körper nicht mehr mitzuspielen schien, schließlich sorgten diverse Verletzungen schon für runde drei Jahre Zwangspause in seiner Karriere. "Natürlich habe ich alles für ein erfolgreiches Comeback getan", sagt Nadal, "aber du hast keine Gewissheiten, du hast eher deine Zweifel, wie alles kommen wird."
Das letzte Mal in Roland Garros mit Onkel Toni
Der Erfolgslauf des Jahres 2017, bei dem er nun keinen einzigen Satz und bloß 35 Spiele in den sieben Partien abgab, hatte auch deswegen einen herausragenden Charakter, weil zum letzten Mal Toni Nadal an der Seite von Rafael Nadal war. Auch hier galt immer: Kann man sich den Matador der Centre Courts ohne seinen engsten Vertrauten und Berater vorstellen, geht das überhaupt: Nadal ohne Nadal.
Toni, der Coach, hat der Tenniswelt darauf früh in dieser Saison die Antwort gegeben: Es geht, es muss gehen. Er deutete an, dass einer gewissen Emanzipation und Neuausrichtung des Champions nicht im Wege stehen wolle. Er sagte klar und deutlich, was Sache ist: Bevor er gar nichts mehr zu sagen habe im größer gewordenen Trainerteam, werde er sich anderen Aufgaben widmen, nämlich vor allem der Tennis-Akademie, die die Nadal-Familie auf Mallorca betreibt.
Ende des Jahres 2017 hört Onkel Toni dann auf, und deshalb waren die Momente, die Gefühle, die Szenen auch so speziell, die man bei der Siegerzeremonie sah. Der Trainer kam auf den Centre Court, übergab dem Neffen eine Replika des Pokals, auf dieser nachgebildeten Trophäe stand "La Decima." Es war und ist zwar noch längst nicht alles vorbei für Rafael Nadal, weder in Paris noch sonstwo, doch der 11. Juni war zumindest für Roland Garros das Ende der Ära Nadal/Nadal. An jenem Platz, wo 2005 alles begann für das Gespann, mit dem ersten von zehn Titeln.
Nummer 1 dicht vor Augen
Es kann allerdings sein, dass Toni und Rafael Nadal noch einiges erleben werden in dieser letzten gemeinsamen Saison. Denn der Matador kann auch jenseits von Roland Garros zum Titel-Helden werden, zur Macht im Grand-Slam-Kräftespiel. Nichts spricht im Moment dagegen, Nadal auch zum Mitfavoriten für Wimbledon oder die US Open zu ernennen, schließlich ist er fit, gesund und bereit, alle Herausforderungen anzunehmen.
Er ist auch nahe dran, in der Weltrangliste noch einmal die Nummer eins zu werden, es könnte dabei sogar zu einem Duell mit seinem ewigen Rivalen und guten Freund Roger Federer kommen. Jedenfalls führt Nadal zurzeit schon die Jahresbestenwertung an, also die Hitparade, die nur alle Turnierresultate ab dem 1. Januar einbezieht. "Wer mir das vor einem Jahr gesagt hätte", sagt Nadal, "den hätte ich für verrückt erklärt. Damals wollte ich einfach nur gesund werden."
Doch nun: La Decima, der zehnte Titel in Paris, zuvor auch schon der jeweils zehnte Titel in Barcelona und Monte Carlo. Eine flächendeckende Dominanz im Sand - und glänzende Perspektiven für den Rest der Saison, vielleicht sogar für den ganzen Rest dieser Karriere. "Wenn Nadals Körper hält, dann kann er allein in Paris fünfzehn Titel holen", meinte am Sonntag der Brasilianer Gustavo Kuerten, der 1997 überraschend die French Open gewonnen hatte, "ich bin froh, dass ich nicht in einer Generation mit ihm in Paris spielen musste."
Mancher seiner früheren Gegner verneigte sich am Sonntag vor Nadal, so wie der US-Amerikaner Andy Roddick: "Zehn, zehn, zehn. Du kannst es noch so oft wiederholen, es ist so unnormal." Nur die wenigsten, befand der deutsche Veteran Tommy Haas, "können sich überhaupt vorstellen, was es bedeutet, zehn Mal die French Open zu gewinnen."
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