Man könnte ja meinen, dass der Gewinn der French Open für Rafael Nadal inzwischen Routine geworden ist. Schließlich siegte er dort am Sonntag bereits zum elften Mal in den vergangenen 13 Jahren. Doch wer sah, wie der Spanier mit kindlicher Freude den Pokal in die Höhe stemmte. Wer sah, wie er sich die Tränen des Glücks aus den Augen rieb. Und wer hörte, wie er verliebt schwärmte von "seinem Turnier", der verstand: Routine wird ein Triumph in Paris für Nadal nie sein.
"Es ist ein sehr emotionaler Moment für mich, weil ich von fast fünf Monaten ohne Turnier zurückkam", sagte Nadal nach seinem 6:4, 6:3, 6:2-Finalerfolg gegen den Österreicher Dominic Thiem und meinte mit Blick auf seine lange Verletzungspause zu Beginn des Jahres: "Ich habe viele Wochen mit Problemen hinter mir, bin mit einigen Zweifeln in die Sandplatzsaison gegangen." Hinterlassen hat er ein dickes Ausrufezeichen. Den Beweis, dass er auch mit nunmehr 32 Jahren auf seinem Lieblingsbelag eine Naturgewalt ist.
Roger Federer: "Fast schon undenkbar"
"Rafael XI von Paris" - so huldigte die spanische Sporttageszeitung Marca aus Madrid den Dauer-Champion, und AS in Barcelona schrieb: "Nadal, Monsieur Roland Garros". Mehr geht nicht für einen, der wieder einmal eine nahezu perfekte Sandplatzsaison hinlegte. 26 von 27 Spielen hat er gewonnen, nur gegen seinen Pariser Finalgegner Thiem beim Masters in Madrid eine Niederlage kassiert.
"Was er geschafft hat, gehört zu den größten Dingen, die je ein Sportler erreicht hat", pries ihn der Österreicher, nachdem er in Roland Garros dann doch wieder chancenlos war. Nadals 17. Grand-Slam-Titel, durch den er nun in seiner Karriere mehr als 100 Millionen Dollar an Preisgeld gewonnen hat, war eine Machtdemonstration.
Tennis-Ikone Roger Federer zeigte sich fast schon ehrfürchtig. "Das ist unglaublich. Da können sich alle Spieler auf der Tour nur verneigen. Da bleiben nur die Superlative übrig", sagte der Schweizer am Montag in Stuttgart: "Ein Turnier überhaupt elfmal zu gewinnen, ist fast schon undenkbar. Das gehört zu dem Unglaublichsten, was es gibt."
Wechsel auf Gras drastisch
Doch nach Paris ist seit jeher auch unmittelbar vor Wimbledon, vom Sand geht es auf Gras. "Es ist ein drastischer Wechsel, der mir leichter gefallen ist, als ich noch jünger war", gab Nadal unumwunden zu. Der Weltranglistenerste muss sein Spiel einmal mehr transformieren, muss variabler agieren, seine Beinarbeit komplett umstellen. 2008 und 2010 hat er dies zur Perfektion gebracht und nach Paris anschließend auch auf dem heiligen Rasen triumphiert.
Trotzdem wechselt Nadal aus der Rolle des Gejagten automatisch in die Rolle des Jägers. Auf dem schnelleren Untergrund ist er kein Topfavorit. Beim Rasen-Höhepunkt in Wimbledon kam er in den letzten sechs Jahren nicht mehr über das Achtelfinale hinaus, kassierte frühe Pleiten gegen Underdogs wie den Luxemburger Gilles Muller, den Deutsch-Jamaikaner Dustin Brown oder den Belgier Steve Darcis.
Nadal will den Wechsel in diesem Jahr langsam angehen. "Ich muss entscheiden, was für meinen Körper das Beste ist", sagte er: "Ich bin 32 und so fühle ich mich. Man kann nicht gegen das Alter ankämpfen." Ein Antrieb ist dabei auch der Gedanke an seinen Herzens-Grand-Slam in Paris im nächsten Jahr. "Ich werde spielen, bis mein Körper streikt", kündigte er an. Auch das klingt nicht so, als würde das Siegen für Nadal irgendwann zur Routine werden.