Von Christian Albrecht Barschel aus Wimbledon
Vor zwei Jahren gab Alexander Zverev sein Grand-Slam-Hauptfelddebüt in Wimbledon. In der ersten Runde besiegte er den Weltranglisten-53. Teymuraz Gabashvili (Russland) in fünf Sätzen und musste sich dabei während des Matches sogar übergeben. Es war von der Papierform her Zverevs bester Sieg bei einem "Major". In der Folgezeit konnte er keinen Top-50-Spieler auf der großen Grand-Slam-Bühne bezwingen. Dies sollte sich am heutigen 10. Juli im All England Lawn Tennis & Croquet Club ändern, und Zverev war auf Court 2 am "Manic Monday" im Achtelfinale gegen Vorjahresfinalist Milos Raonic ganz nah dran seinem größten Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier, was zu einem Viertelfinalmatch gegen Roger Federer berechtigt hätte. Doch der 20-jährige Deutsche schaffte es nicht über die Ziellinie und unterlag dem Weltranglisten-Siebten mit 6:4, 5:7, 6:4, 5:7, 1:6.
"Es ist frustrierend. Ich finde, dass ich jeden Satz hätte locker gewinnen müssen, außer den fünften Satz. Es gibt keine Statistik, in der ich schlechter war als er. Das ist schon unangenehm", zeigte sich Zverev nach dem knappen Ausscheiden zerknirscht und stellte fest: "Seit drei Jahren sagt jeder, dass ich aus Niederlagen lernen werde. Ich habe das Lernen satt."
Starker erster Satz
Der Weltranglisten-Zwölfte hatte nach seinem Einzug ins Achtelfinale angekündigt, dass er sich Aufschläge von der T-Linie servieren lassen würde, um den Aufschlag von Raonic halbwegs zu simulieren. Den einzigen Vergleich gegen den Kanadier hatte er in Rom im Mai im Viertelfinale mit 7:6 (7:4), 6:1 gewonnen. "Das sind nun komplett andere Umstände, auch ein anderer Belag", relativierte Zverev den Sieg auf Sand in der italienischen Hauptstadt, wo er schließlich auch den Titel holte.
Die Maßnahme mit dem Returntraining machte sich über weite Strecken bezahlt. Der Weltranglisten-Zwölfte war beim Aufschlag von Raonic von Beginn an hellwach und schaffte das Break zum 2:1, es war die Entscheidung im ersten Satz. Der Durchgang hätte durchaus noch deutlicher an den Deutschen gehen können, doch Zverev verpasste zwei weitere Breaks, eines davon mit drei Satzbällen in Folge. Mit einem Sahnelob bei der vierten Breakchance startete Zverev in den zweiten Satz und blieb auch bei seinem eigenen Aufschlag weiter bärenstark. Bei der ersten kleinen Schwächephase war Raonic jedoch sofort zur Stelle und holte sich das Break zum 3:3. Zverev hatte die Chance zum direkten Konter, vergab jedoch zwei Breakbälle. Der Kanadier fand nun beim Return immer mehr Zugriff und baute die Ballwechsel geschickt auf. Die Folge war ein weiteres Break und der Satzausleich.
Raonic wird immer stärker
Zverev, für sein heißblütiges Temperament bekannt, ließ sich von der verpassten Chance zur 2:0-Satzführung nicht aus der Ruhe bringen. In einem zehnminütigen Aufschlagspiel von Raonic gelang ihm das entscheidende Break im Satz zur 4:3-Führung. Die Vorentscheidung im Match hätte gleich zu Beginn des vierten Satzes fallen können, als der Deutsche die Breakchance zum 1:0 hatte. Der Kanadier konnte sich einmal mehr dank seines starken Aufschlages retten und war nun auch in den langen Ballwechseln auf Augenhöhe. Das Break zum 3:5 konnte Zverev noch verhindern, wenige Minuten später schlug Raonic zu und sicherte sich den erneuten Satzausgleich.
Während beim Deutschen allmählich die Kräfte schwanden, spielte sich der Kanadier immer mehr frei und diktierte nun nicht nur mit seinem Aufschlag, sondern auch von der Grundlinie. Zum Schluss ging alles ganz schnell. Raonic breakte zum 3:1 und ließ Zverev nicht mehr zurück ins Match. Nach einem weiteren Aufschlagverlust servierte der Kanadier humorlos aus und verwandelte seinen ersten Matchball nach 3:23 Stunden Spielzeit mit einem Ass.