Auf der Tribüne raufte sich Xisca Perello die schwarzen Locken, auf dem Platz stemmte sich ihr Lebensgefährte Rafael Nadal gegen die nächste Wimbledon-Enttäuschung. Allerdings vergeblich: Nach 4:48 Stunden hatte der 34 Jahre alte Luxemburger Gilles Müller die große Überraschung geschafft und den zweimaligen Titelträger in einem an Spannung kaum zu überbietenden Tennis-Krimi mit 6:3, 6:4, 3:6, 4:6, 15:13 aus dem Turnier geworfen.
"Ich bin einfach nur glücklich, dass es vorbei ist. Ich hatte schon Angst, dass wir am Dienstag zurückkommen müssen", sagte Müller, nachdem er seinen fünften Matchball bei einbrechender Dunkelheit verwandelt hatte. Am Dienstag wiederkommen müssen deswegen Novak Djokovic und Adrian Mannarino. Der dreimalige Titelträger aus Serbien und der Franzose warteten vergeblich auf ihre Partie, die wegen des Marathon-Matches zwischen Müller und Nadal um einen Tag verschoben wurde.
"Es war nicht mein bestes Match, und ich habe gegen einen sehr unangenehmen Gegner gespielt", sagte Nadal tief enttäuscht: "Ich habe bis zum letzten Ball gekämpft, aber er hat klasse gespielt. Vor allem im fünften Satz."
Wieder kein Viertelfinale
Der Mallorquiner war nach seinem historischen zehnten Titel in Roland Garros mit großen Erwartungen nach London gereist. Erstmals seit Jahren bereitete ihm sein geschundener Körper keine Beschwerden, hinter Nadal lag ein grandioses Halbjahr mit einer noch besseren Sandplatzsaison. Dass er auf Rasen ebenfalls jeden Spieler auf der Welt schlagen kann, hatte er bei drei Finalteilnahmen und den Titeln 2008 und 2010 bewiesen. Unter anderem mit dem Sieg im sogenannten "Jahrhundertfinale" vor neun Jahren gegen Roger Federer.
Doch während sein Dauerrivale aus der Schweiz weiterhin im Rennen um seinen achten Titel blieb, kassierte Nadal das nächste frühe Aus. Zuletzt hatte er vor sechs Jahren das Achtelfinale überstanden, damals unterlag er im Endspiel dem Serben Novak Djokovic. Danach hagelte es Niederlagen gegen Außenseiter: Lukas Rosol (2012), Steve Darcis (2013), Nick Kyrgios (2014) und Dustin Brown (2015) gehörten allesamt nicht den Top 100 der Weltrangliste an.
Nur fünf Breaks
Vor einem Jahr hatte Nadal wegen einer Handgelenksverletzung vor Turnierbeginn zurückgezogen, nun war es Gilles Muller, der ihn stoppte. Allerdings gehört der Routinier nicht in die Kategorie Rosol-Darcis-Brown. Müller spielt die Saison seines Lebens, er ist nach dem Sieg auf dem niederländischen Rasen in 's-Hertogenbosch und dem Halbfinale im Londoner Queen's Club in Wimbledon an Position 16 gesetzt und steht nun zum zweiten Mal nach den US Open 2008 im Viertelfinale eines Grand Slams.
Müller schlägt herausragend auf und folgt dem Service so oft es geht ans Netz. Nadal hatte er schon einmal in Wimbledon bezwungen, vor der kleinen Ewigkeit von zwölf Jahren. Der Favorit wusste also, was auf ihn zukommt, und konnte Müller dennoch nicht aufhalten. Den 0:2-Satzrückstand holte Nadal noch auf, wehrte beim Stand von 4:5 im fünften Satz die ersten beiden Matchbälle und bei 9:10 Nummer drei und vier ab. Doch als es langsam dämmerte, verlor Nadal, der insgesamt sieben Punkte mehr machte, zum dritten und letzten Mal seinen Aufschlag.