Von Christian Albrecht Barschel aus Halle/Westfalen
Um 17:39 Uhr betrat der Rasenkönig sein Wohnzimmer im Gerry Weber Stadion, um 18:39 Uhr war der Arbeitstag für Roger Federer bereits beendet. 6:3, 6:1 gegen den Japaner Yuichi Sugita, Nummer 66 im ATP-Ranking, bedeuteten nicht nur den Einzug ins Achtelfinale beim ATP-World-Tour-500-Turnier in Halle/Westfalen, sondern auch den 1100. Sieg auf der ATP-Tour. "Das ist eine große Nummer, natürlich bin ich begeistert darüber. In Stuttgart wusste ich noch, dass ich vor dieser Zahl stehe. Hier habe ich es vergessen. Ich kann diese Zahlen nun viel mehr wertschätzen als früher", sagte Federer, der bei Anzahl der Siege nur Jimmy Connors den Vortritt lassen muss.
Für den 35-jährigen Schweizer war der Sieg gegen Sugita der erste Match-Erfolg nach dreieinhalb Monaten, nachdem der Start in die Rasensaison in der Vorwoche beim MercedesCup in Stuttgart in die Hose gegangen war. 6:2, 6:7 (8:10), 4:6 hieß es vor sechs Tagen gegen seinen guten Freund Tommy Haas. Federers Problem gegen Haas: Er schlug zu viele Asse, insgesamt 23. "Das hört sich jetzt blöd an, aber das war der Fall. Ich habe sehr einfache Asse serviert und gemerkt: Ich muss gar nicht Serve-and-Volley spielen", erklärte Federer. Der Schweizer steht kurz vor seinem 10.000. Ass auf der ATP-Tour. Vor der Partie gegen Sugita fehlten 37 Asse zur besonderen Marke. Nach den acht Volltreffern gegen den Japaner sind es nun nur noch 29 Asse bis zur 10.000.
Federer findet seinen Schlagrhythmus
Federer musste sich wenige Stunden vor Spielbeginn auf einen neuen Gegner einstellen, da Yen-Hsun Lu (Taiwan) wegen einer Verletzung am rechten Arm zurückzog. Sugita, der im Quali-Finale gegen Mikhail Youzhny auf dramatische Weise verloren hatte, rückte als Lucky Loser nach und kam so zu dem größten Match in seiner Karriere. Dass Sugita auf Rasen spielen kann, bewies er vor wenigen Tagen mit dem Triumph beim Rasen-Challenger in Surbiton - ohne Satzverlust. Über fehlenden Rhythmus von der Grundlinie konnte sich Federer jedenfalls nicht beklagen. Sugita verwickelte den Weltranglisten-Fünften in einige lange Ballwechsel.
So startete das Match bereits mit einer langen Rally, aus der der Schweizer als Sieger hervorging. Federer reichte das Break zum 3:1, das er zum Satzgewinn transportierte. Nach dem vierten Ass und 21 Minuten Spielzeit war der erste Durchgang vorbei. Federer hielt das Tempo weiterhin hoch und kam mit zunehmender Spielzeit immer mehr in seinen Schlagrhythmus. Die Breaks zum 1:0, 3:0 und 5:0 waren die logische Folge. Sugita zeigte zwar gute Ansätze von der Grundlinie, war letztendlich, wie zu erwarten war, in allen Belangen unterlegen. Nach nur 47 Minuten hätte das Match beendet sein können, doch Federer gönnte sich eine Extrarunde, als er drei Matchbälle am Stück vergab und nach fünf Punktverlusten in Folge das Break kassierte.
Nur zwei schnellere Siege in Halle/Westfalen
Im Nachfassen war der Schweizer dann erfolgreich und zog mit seinem fünften Break im Match nach 51 Minuten Spielzeit ins Achtelfinale ein. In Halle/Westfalen siegte Federer nur zweimal schneller. Am zügigsten war er bei seinem Viertelfinalerfolg gegen Mischa Zverev im Jahr 2013 unterwegs, wo er nur 40 Minuten für die Höchststrafe (6:0, 6:0) gegen den Deutschen benötigte. Und genau gegen diesen Mischa Zverev geht es für Federer nun am Donnerstag um den Einzug ins Viertelfinale.
"Mischa hat einen besonderen Stil. Er spielt immer Serve-and-Volley und steht beim Return weit hinten. Das gibt es so auf der Tour gar nicht mehr. Ich glaube, dass ich solch ein Ergebnis in meiner Karriere nicht mehr schaffen werde", blickte Federer auf das Duell gegen Zverev voraus. Es wird das 26. Match gegen einen deutschen Spieler sein, das der Schweizer bei einem Rasenturnier in Deutschland bestreitet - eine stattliche Quote. Nach der Niederlage gegen Haas in der Vorwoche lautet die Bilanz nun 21:4.
Apropos Bilanz: Bei keinem anderen Turnier hat Federer eine bessere Siegquote als in Halle/Westfalen. Die schnelle Nummer gegen Sugita war der 55. Matcherfolg bei den Gerry Weber Open, bei sechs Niederlagen. Das macht eine Siegquote von 90,1 Prozent. Der "Maestro" hat nun in den nächsten Tagen die Chance, diese Quote weiter zu verbessern und den neunten Titel zu gewinnen.
Das ATP-Turnier in Halle/Westfalen im Überblick