Angelique Kerber winkte noch einmal kurz ins Publikum - dann verließ die geschlagene Kielerin mit hängendem Kopf den Centre Court im Crandon Park von Miami. Es war vielleicht ganz gut, dass die enttäuschte Kerber gar nicht mehr mitbekam, mit welchen Worten Venus Williams (Nr. 11) ihren 7:5,-6:3-Sieg im Viertelfinale des Premier-Turniers feierte. "Es ist ein tolles Gefühl, besser als die Nummer eins zu sein", sagte die Amerikanerin beim On-Court-Interview. Und die Menge tobte.
Die topgesetzte Kerber fand später in den Katakomben durchaus simple Erklärungen für ihr Ausscheiden. "Ich habe viele leichte Fehler gemacht und nicht die Länge in meinen Schlägen gefunden, das hat den Sieg gekostet", sagte die 29-Jährige, die nach dem verpassten Halbfinale dennoch recht aufgeräumt wirkte: "Diese Niederlage ist kein Drama, denn ich spiele allgemein ganz gut und gewinne Matches."
"Nicht so, wie ich es mir wünsche"
Kerber weiß, der Weg zurück zu alter Form und Stärke ist ein steiniger, der von Rückschlägen gepflastert ist. Der Blick auf die nackten Zahlen veranlasste dann auch den ein oder anderen Journalisten im Presseraum, noch ein wenig nachzubohren. In dieser Saison wartet die zweimalige Grand-Slam-Gewinnerin Kerber noch immer auf einen Sieg gegen eine Gegnerin aus den Top 20 (vier Niederlagen). Gegen Kontrahentinnen aus den Top 50 hat sie 2017 sieben von neun Duellen verloren.
"Natürlich läuft es noch nicht so, wie ich es mir wünsche. Aber ich versuche, aus jedem Match zu lernen. Und ich weiß auch, dass es da noch einiges zu verbessern gibt", meinte die Linkshänderin selbstkritisch. Kerber nannte explizit ihren Aufschlag und ihre Spielweise, die im Vergleich zu 2016 noch zu passiv wirkt.
Evert: "Große Herausforderung"
Chris Evert wies in den Tagen von Florida auch auf die mentale Komponente hin. "Ich denke, es spielt sich alles in ihrem Kopf ab. Daran muss Angie arbeiten", forderte die US-Ikone, die nach eigener Aussage ein Kerber-Fan ist. Evert prognostizierte aber auch, dass es eine "große Herausforderung" für die Kielerin werde, die Topposition mittelfristig zu halten. "Um das zu schaffen, muss sie wieder zu ihrem furchtlosen Spiel zurückfinden, das sie 2016 so stark gemacht hat", meinte die 62-Jährige.
Furchtlos ist Kerber ("An die Nummer-eins-Position denke ich gar nicht") immer dann, wenn sie quasi nichts mehr zu verlieren hat. Vier Matchbälle wehrte sie zunächst gegen die 36-jährige Venus Williams ab - drei davon mit krachenden Vorhand-Gewinnschlägen. Nach 1:39 Stunden aber entschied Williams, die im Halbfinale auf die Britin Johanna Konta trifft und zuletzt 2001 in Key Biscayne triumphiert hatte, die Partie mit einem Rückhand-Winner für sich. Ihre jüngere und derzeit verletzte Schwester Serena gratulierte per Twitter: "Großartiger Job! Ich wusste, dass du es schaffst."
Für Kerber indes blieb der erhoffte Durchbruch bei den beiden großen Sunshine-Events in Indian Wells (Achtelfinale) und Miami (Viertelfinale) aus. In der nächsten Woche startet die olympische Silbermedaillen-Gewinnerin von Rio 2016 noch beim Hartplatzturnier in Monterrey, ehe sie danach in heimischen Gefilden die Sandplatzsaison einleitet.
Der Druck wird dabei nicht geringer. Beim Relegationsspiel um den Klassenerhalt am 22./23. April in Stuttgart gegen die Ukraine ist Kerber die große Hoffnungsträgerin des deutschen Fed-Cup-Teams. In der Woche danach geht sie an gleicher Stelle als Titelverteidigerin beim WTA-Premier-Turnier an den Start. "Ich freue mich auf die Herausforderungen", sagte Kerber - und zog von dannen.
Das WTA-Turnier in Miami im Überblick