Frage: "Wim Fissette, Angelique Kerber ist mit ihrer Erwartungshaltung auf Sand immer sehr zurückhaltend. Mit welchen Gefühlen blicken Sie den nächsten Wochen entgegen?"
Fissette: "Das ist jetzt eine wichtige Zeit. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sand aus Angie eine bessere Spielerin machen kann. Weil sie dort bestimmte Sachen trainieren muss, die sie auf Rasen und Hartcourt auch braucht - und die sie dort besser spielen lässt. Wir hatten schon einige gute Trainingstage. Schritt für Schritt und Tag für Tag versuchen wir, sie besser zu machen."
Fissettes Power-Plan: "Versuchen, dass Angie die Kraft aus den Beinen holt"
Frage: "Warum tut sie sich auf Asche schwerer als auf den anderen Belägen?"
Fissette: "Man muss schon sagen, dass Sand für Angie am schwierigsten ist. Das ist deutlich, deshalb sind unsere Erwartungen auch nicht so hoch wie auf Hartplatz oder Rasen. Auf Gras spielt sie natürlich sehr gerne und spürt gleich das Vertrauen. In den letzten Jahren hat ihr auch ein bisschen die Power gefehlt, um auf schweren Sandplätzen erfolgreich zu sein. Früher hatte sie schon gute und schnelle Beine, um jeden Ball zurückzuholen. Jetzt versuchen wir, dass sie aus den Beinen die Kraft holt, um richtig offensives Tennis zu spielen. Was sie vor allen Dingen schon in Australien richtig gezeigt hat."
Frage: "Was haben Sie umgestellt?"
Fissette: "Angie spielt schon recht klassisch. Sie hat früher ganz viel auf Teppich trainiert, da sind die Kontaktpunkte anders. Deshalb versuchen wir auch, technisch kleine Details zu verändern. Die jüngere Generation spielt mit viel Spin, das ist schwierig. Da muss man sich anpassen und anders bewegen. Angie muss einen ganz klaren Plan haben, wie sie spielen soll. Ich vertraue darauf, dass sie Matches überleben kann, dass sie sich so reinkämpft - und am Ende gewinnt. Und wenn das gelingt, sind auch auf Sand Möglichkeiten da."
Paris soll so werden wie Melbourne: Positive Erfahrungen sammeln
Frage: "Ist das eine Art Übergangs-Sandplatzsaison. Oder haben Sie konkrete Ziele?"
Fissette: "Das ist schwierig zu sagen. Die Sandplatzsaison ist kurz, alles hängt von den ersten Turnieren ab - ob sie dort den Glauben gewinnt, dass sie auf Sand erfolgreich sein kann. Das wird viel entscheiden. Auch andere Dinge wie Auslosung etc. werden wichtig sein."
Frage: "Leidet die Motivation, wenn es auf einen Belag geht, den man nicht so mag?"
Fissette: "Nein, Angies Motivation ist bei 100 Prozent. Aber sie hat auf Rasen natürlich so gute Erfahrungen - und auch auf Hartplatz. Auf Sand dagegen fehlen diese richtig guten Erfahrungen, vor allen Dingen bei den Turnieren in Rom, Madrid und bei den French Open. Als wir in diesem Jahr nach Melbourne gekommen sind und sie hat den Centre Court gesehen, da kamen die ganzen Erinnerungen von ihrem Grand-Slam-Sieg 2016 zurück. Wenn sie jetzt nach Paris kommt, dann hat sie diese positiven Erinnerungen nicht - noch nicht. Vielleicht holt sich Angie diese Erinnerungen in diesem Jahr."
Fissette überzeugt: "Die beste Angie haben wir noch nicht gesehen"
Frage: "Wie wichtig ist mit Blick auf ihre 'Sandphobie' die mentale Komponente?"
Fissette: "Ich habe ihr gesagt, dass sie auf Sand spielen kann. Das Turnier in Charleston hat Angie ja 2015 auch auf Sand gewonnen. Ich habe ihr einige Videos davon gezeigt, damit sie auch sieht, wie sie dort gewonnen und sich bewegt hat. Das Mentale gehört natürlich immer dazu, das Sprechen über bestimmte Situationen ist immer sehr wichtig."
Frage: "Hat Angie eigentlich einen reinen Mentaltrainer?"
Fissette: "Nein. Sie ist ja schon erfahren und hat vor langer Zeit auch schon mit einem Mentaltrainer gearbeitet. Ich habe in dieser Beziehung ja auch schon meine Erfahrungen gesammelt - auch mit anderen Spielerinnen."
Frage: "Sie haben im Dezember 2017 mit der Zusammenarbeit angefangen. Wie weit sind Sie schon auf der To-do-Liste gekommen?"
Fissette: "Ich glaube, die beste Angie haben wir noch nicht gesehen. Ihr Erfolg am Anfang des Jahres war auch ein kleines Problem. Eigentlich hatten wir schon einige Trainingswochen mehr geplant, die wir nicht gehabt haben, weil sie bei den Turnieren fast immer bis zum Ende dabei war. Es zeigt aber auch, dass Angie sehr gute Ergebnisse hatte."
Kerber gehöre immer in die Top 5 - "und zu den Favoritinnen bei den Grand Slams"
Frage: "Wie ordnen Sie ihren Schützling mit Blick auf eine Serena Williams zum Beispiel ein?"
Fissette: "Angie hat nicht die unglaubliche Power wie eine Serena. Sie hat natürlich sehr viele Talent, aber sie muss körperlich und mental bei 100 Prozent sein, dann kann sie auch alle anderen schlagen. Dies aber das ganze Jahr zu schaffen, das ist gar nicht so einfach. Ich bin überzeugt, wir werden die beste Angie noch sehen, das ist unser Ziel. Die beste Angie gehört immer in die Top 5 und zählt zu den Favoritinnen, um ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen."
Frage: "In welcher Verfassung war Kerber bei ihrem gemeinsamen Start nach ihrer enttäuschenden Saison 2017?"
Fissette: "Sie war mental sehr positiv drauf und hat gleich gezeigt, dass sie aus 2018 ein Top-Jahr machen will. Beim Training war es einfach, weil die Motivation gestimmt hat. Körperlich war es schon ein bisschen Arbeit. Da haben wir einige Wochen gebraucht, um sie richtig fit zu machen. Konditionscoach Rob Brandsma hat da einen super Job gemacht. Man muss aber auch sagen: Angie lernt schnell, man kann unglaublich hart mit ihr arbeiten. Und sie erholt sich unglaublich rasch."