Wie ging Ihr Weg nach dem Debüt in Essen weiter?
Cesaro: Ich habe unter der Woche meinen normalen Beruf als Kaufmann ausgeübt und bin am Wochenende zu Wrestling-Veranstaltungen getingelt. Wir sind zu viert in einem kleinen vollbepackten VW Golf durch die Lande gezogen, oder ich bin mit dem Zug gefahren und Sonntagnacht ohne viel Schlaf zurückgekommen, um Montagfrüh wieder im Büro zu sein und am Montagabend wieder im Fitnessstudio zu trainieren. Wenn man das so hört, klingt es nach einer anstrengenden Zeit, aber wenn man etwas macht, was man liebt, empfindet man es nicht so. Die Zeit war geil.
Eine entscheidende Weggabelung in Ihrer Karriere nahmen Sie 2004. Was passierte damals?
Cesaro: 2004 habe ich die Green Card gewonnen, das hat alles verändert. Ich hatte plötzlich die Chance, in die USA zu ziehen und dort meinen Wrestling-Traum zu leben. Ich muss zugeben, dass ich für nichts anderes meinen Super-Job aufgegeben hätte. Genau zu dem Zeitpunkt, als ich die Green Card bekam, stand bei uns in der Firma das Performance Review an. Ich sollte befördert werden. Aber ich habe zu meinem Chef und meinen Kollegen gesagt: Danke, aber ich kündige und werde Wrestler in den USA. Die haben vielleicht komisch geguckt, kann ich ihnen sagen. (lacht) Aber das war eben mein großer Traum. Also bin ich ausgewandert.
Das war 2004. Ihr WWE-Debüt gaben Sie aber erst 2011. Sie mussten sich erst hocharbeiten. Wie hart und steinig war dieser Weg?
Cesaro: Natürlich war er auf gewisse Weise hart und steinig. Ich habe mir damals einen Mini-Van angeschafft, weil ich dachte, dass wir da doch wunderbar sieben Leute reinkriegen, dann können wir auch den Sprit aufteilen und ich spare ein bisschen Geld. Wir sind damals mehrmals pro Monat von Philadelphia nach Chicago gefahren, das sind zwölf oder 13 Stunden, einfacher Weg. Der Van hat das dreimal mitgemacht, danach war er kaputt. Es war nicht alles fantastisch, aber dennoch habe ich ja meinen American Dream gelebt und das total genossen. Ich hatte nicht viel Geld, aber ich habe die Welt gesehen. Wir waren in Mexiko, Japan oder Australien unterwegs. Es hat sich angefühlt wie eine Band, die erstmal von Kneipe zu Kneipe touren muss, bis sie es irgendwann in die großen Stadien schafft. Das ist für mich auch der richtige Weg. Du musst lernen, auch vor fünf Leuten eine tolle Show abzuliefern.
Cesaro: "Ich habe Bret Hart um Erlaubnis gefragt"
Also gab es keine Momente, an denen Sie dachten, dass die Kollegen vielleicht doch zurecht so komisch geschaut haben?
Cesaro: Doch, auf jeden Fall gab es diese Momente. Sehr viele sogar. Wenn du morgens um 5 Uhr irgendwo im Nirgendwo am Straßenrand stehst, weil du mal wieder einen Platten hast und auf einen Freund wartest, der dich abholt. Mit genau 10 Dollar in der Tasche. Natürlich denkst du dann: Was mache ich hier eigentlich? Was mache ich mit meinem Leben? Ich hatte doch einen tollen Job. Aber diese Momente dauerten nie lange, weil es insgesamt nicht schlecht für mich lief. Ich hatte mir Anfang drei Jahre gegeben, nach denen ich Bilanz ziehen wollte, wie die Lage ist und ob ich es packe, Wrestling als Beruf auszuüben. Und die Bilanz war positiv, also habe ich weitergemacht und stehe heute da, wo ich stehe.
Und jetzt sind es schon zehn Jahre, die Sie in der WWE sind. Müssen Sie sich manchmal kneifen, wie gut es insgesamt gelaufen ist?
Cesaro: Auf jeden Fall. Gerade, wenn ich an diesen Abend in Essen denke. Viele denken vielleicht, dass dieser Abend inzwischen weit weg ist für mich, aber das stimmt nicht. Ich weiß genau, wo ich herkomme und habe meine Wurzeln nicht vergessen. Ich habe immer noch die gleichen Kumpels wie damals und wir sprechen oft darüber, wie es angefangen hat und wo ich jetzt bin. Mir haben viele Menschen auf diesem Weg geholfen, das weiß ich sehr zu schätzen. Ich hoffe auch, dass ich guten Gewissens sagen kann, dass ich mich nicht verändert habe. Bodenständigkeit ist mir extrem wichtig.
Wie war es denn für Sie, als Sie es immer weiter nach oben geschafft haben und plötzlich die Helden von früher persönlich kennenlernten oder sogar mit ihnen im Ring standen?
Cesaro: Es gibt viele Momente, die ich nie vergessen werde, aber der erste, der mir sofort in den Kopf schießt, ist WrestleMania 33 in Orlando. Sheamus und ich standen im Ring, als die Hardy Boys ihr Comeback gefeiert haben. Das war surreal. Plötzlich ertönt die Musik der Hardy Boys und ich ertappe mich bei dem Gedanken: Hey, diese Jungs habe ich früher vor dem TV angehimmelt und jetzt stehe ich hier im Ring, sie feiern ihr Comeback, die ganze Arena steht Kopf. Da hatte ich wirklich Gänsehaut am ganzen Körper. Als ich den Undertaker zum ersten Mal getroffen habe, war es natürlich speziell. Oder als ich Bret Hart persönlich um Erlaubnis gefragt habe, ob ich den Sharpshooter machen darf. Für alle Wrestling-Nerds da draußen: Ich mache den Sharpshooter wie ihn Owen gemacht hat, aber mir war es trotzdem wichtig, dass Bret Hart damit einverstanden ist. Also bin ich wie ein kleiner Junge zu ihm und habe gefragt, ob es okay ist. Als ich dann seinen Segen bekam, hat mir das viel bedeutet.