"Mein erstes Spiel ist Liverpool"

Florian Regelmann
29. Januar 201418:00
Ralph Krueger war lange Nationaltrainer der Schweiz, jetzt ist er bei Team Canada im Staffimago
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Ralph Krueger hat Team Canada eine der schlimmsten Pleiten in der Geschichte zugefügt. Jetzt ist er der X-Faktor für die Kanadier in Sotschi - und geht nach den Olympischen Spielen in die Premier League. Die Hintergründe über den spektakulären Wechsel und die Schlüssel zum erneuten Olympia-Gold für die Ahornblätter erklärt der Deutsch-Kanadier im SPOX-Interview.

SPOX: Herr Krueger, nicht gerade viele NHL-Trainer bekommen zwei Tage nach einer Entlassung einen Anruf vom Team-Canada-Head-Coach. Bei Ihnen war es aber so, kurz nach Ihrem Aus bei den Edmonton Oilers rief Mike Babcock an.

Ralph Krueger: Richtig, es war einer der ersten Anrufe, die ich bekam. Ich habe mich natürlich sehr gefreut, mir aber noch eine Nacht Bedenkzeit erbeten, bevor ich meine Zusage gab. Seit letzten Juni bin ich im Coaching-Staff dabei, es ist ein toller Prozess.

SPOX: Zuletzt haben Sie Babcock auf einem Road Trip seiner Detroit Red Wings besucht, welche Punkte standen auf der Agenda?

Krueger: Seit ich zum Team gehöre, bin ich auf drei verschiedenen Ebenen involviert. Nummer eins ist, dass wir von Anfang an zusammen die Taktik besprochen haben und die Umsetzung diesbezüglich. Ich habe bei taktischen Dingen viel Verantwortung bekommen. Nummer zwei war der Selektionsprozess bei der Zusammenstellung des Kaders - da hatten wir intensive Diskussionen, wie sich jeder gut vorstellen kann. Welche Spieler nehmen wir mit? Wie setzen wir sie ein? Wir haben sehr viel Wert auf den Charakter der Spieler gelegt. Und Nummer drei ist die Gegner-Analyse. Ich habe jetzt alle elf anderen Mannschaften studiert, Video-Analysen und Scouting-Reports vorbereitet.

SPOX: Was für Team Canada besonders interessant ist: Als Nationaltrainer der Schweiz haben Sie 2006 in Turin den Kanadiern eine böse Schlappe zugefügt. Sie gewannen mit der Schweiz mit 2:0, am Ende wurde Kanada indiskutabler Siebter.

Krueger: Dieses Turnier und vor allem dieses Spiel war das beste Beispiel dafür, wie es Kanada auf der größeren Eisfläche nicht machen darf. Wir konnten sie damals mit unserer Spielweise frustrieren. Für mich ist es deshalb wichtig, dass ich genau diesen Input von der anderen Seite ins Team hereinbringen kann. Der gesamte Coaching-Staff ist auch sehr offen dafür, wir tauschen uns ständig aus und mir helfen dabei die Erfahrungen, die ich in Salt Lake City, Turin und Vancouver gesammelt habe. SPOX

SPOX: Die größere Eisfläche ist gerade schon als Stichwort gefallen, sie ist der Hauptunterschied, aber es gibt insgesamt viele daraus resultierende Aspekte, die es zu beachten gilt. Sowohl für die Verteidiger als auch für die Stürmer verändert sich das Spiel komplett, auch die Special Teams müssen anders interpretiert werden. Was sind für Team Canada die wichtigsten Schlüssel zum Erfolg?

Krueger: Für uns ist es als Kanadier erst einmal ganz entscheidend, dass wir uns so viel wie möglich zwischen den Bully-Punkten aufhalten. Kanadische Teams geraten immer dann in Probleme, wenn sie zu viel in diesem Freiraum spielen, in dem sie normalerweise eben nicht spielen. Sie dürfen kein Outside-Game wie die Europäer versuchen. Wir müssen kanadisches Eishockey auf europäischer Eisfläche spielen. Wir müssen Team-Canada-Hockey spielen, mit aller dazugehöriger Emotionalität. Das ist der wichtigste Punkt.

SPOX: Was sind die Details, die man im Auge haben muss?

Krueger: Nehmen wir die neutrale Zone, sie ist über zwei, zweieinhalb Meter länger. Was wiederum bedeutet, dass die defensive und offensive Zonen etwas zerquetscht sind. Das hat Auswirkungen auf alle Bereiche, besonders auch auf die Special Teams. Es gibt auch Kleinigkeiten wie die geringere Anzahl an Timeouts in einem Drittel, es muss schneller gewechselt werden - es gibt viele kleine Punkte, die wir beachten müssen. Aber in erster Linie müssen wir unser kanadisches Spiel durchbringen.

SPOX: In kanadischen Medien wird Ihre Rolle sehr anerkannt, es war schon vom X-Faktor Ralph Krueger zu lesen. SPOX

Krueger: Es ist natürlich eine Ehre, so etwas zu lesen. Für Team Canada arbeiten zu dürfen, ist eine aufregende Chance für mich. Das Management unter General Manager Steve Yzerman und die Coaches sind so offen für andere Ideen, sie wollen immer bessere Wege finden. Das passt einfach perfekt zu meiner Philosophie und deshalb macht die Arbeit auch so einen großen Spaß. Ich hoffe, dass ich einen Unterschied machen kann.

SPOX: Es wird natürlich viel über mögliche Reihen diskutiert. Dass Sidney Crosby wie in Pittsburgh mit Chris Kunitz spielt, scheint klar. Dazu könnte Steven Stamkos in diese Linie kommen. Wie weit sind die Überleungen, was die Reihenzusammenstellung angeht?

Krueger: Wir haben jetzt immer schon mit verschiedenen Möglichkeiten gespielt. Wie sehen die Reihen aus? Wie sehen Über- und Unterzahl-Kombinationen aus? Wir haben ein Gerüst, aber wir werden auch noch die Tage nach der Ankunft in Sotschi nutzen, um im Training verschiedene Sachen auszuprobieren. So richtig werden sich die Reihen dann wohl in den ersten beiden Spielen herauskristallisieren. Wichtig ist, dass jeder genau weiß, dass er vielleicht auch mal nur 4 Minuten spielen wird und damit kein Problem hat.

Teil 2: Krueger über die Topfavoriten und das deutsche Eishockey

SPOX: Wenn Sie sich die Kader der anderen Mannschaften anschauen, wie schätzen sie das Kräfteverhältnis ein?

Krueger: Für mich gibt es eine Fünfergruppe mit den Topfavoriten Kanada, Russland, Schweden, Finnland und USA. Danach kommt eine Dreiergruppe mit Tschechien, der Slowakei und der Schweiz. In diese Gruppe gehört die Schweiz inzwischen hinein, aufgrund ihrer NHL-Spieler, vor allem der starken Goalies, und auch aufgrund ihres Selbstbewusstseins nach der Silbermedaille bei der WM. Diese acht Teams sind alle gefährlich und werden die Medaillen unter sich ausmachen. Wir haben in Vancouver gesehen, dass immer eine Überraschung möglich ist, damals sind die Slowaken ins Halbfinale gerutscht sind. Das kann die Schweiz auch.

SPOX: Für uns in Deutschland ist es so wahnsinnig bitter, dass das DEB-Team in Sotschi nicht dabei ist.

Krueger: Ja, es ist bitter und tut weh. Aber es ist jetzt auch eine riesige Chance, aus diesem Schmerz der verpassten Olympia-Teilnahme heraus die Kraft zu finden, um auf ein neues Level zu kommen. Die Voraussetzungen sind gut. Die DEL ist eine ausgezeichnete Liga, spannend, ausgeglichen, mit großem Fan-Support. Und mit Pat Cortina ist bei der Nationalmannschaft auch genau der richtige Mann am Werk. Der 9. Platz bei der letzten WM war ein erster Schritt, ich bin überzeugt, dass Deutschland bei der nächsten WM auch mal wieder das Viertelfinale erreichen kann und bei Olympia 2018 wieder dabei sein wird.

SPOX: Sie haben schon einige Winterspiele erlebt. Worauf freuen Sie sich eigentlich am meisten?

Krueger: Olympia ist einfach viel größer als jede Sportart selbst. Das alles noch einmal mitzumachen, noch einmal auf dieses Niveau zu steigen und dann noch mit Team Canada - es wird sicher wieder etwas ganz Besonderes. Dazu kommt die besondere Faszination der Olympischen Spiele, die für mich immer wieder einzigartig ist. Sportler aus aller Welt kommen zusammen, in so vielen verschiedenen Disziplinen. Ich bin dankbar, das noch einmal miterleben zu dürfen.

SPOX: Und nach Olympia steht ein spektakulärer Sportarten-Wechsel an.

Krueger: Das ist richtig. Ich werde in die englische Premier League zu Southampton gehen und dort als Vorstandsmitglied einsteigen. Meine Aufgabe ist noch nicht genau definiert, das wird sich erst nach Sotschi entwickeln. Aber ich werde unter anderem für Führungsstrukturen zuständig sein.

SPOX: Wie kam denn der Kontakt zu den Saints überhaupt zustande?

Krueger: Katharina Liebherr, die Besitzerin der Saints, bat mich schon seit einer Weile einzusteigen. Sie ist eine tolle Frau und vertritt eine tolle Philosophie, ich komme wirklich sehr gut mit ihr aus. Ich habe mir die Entscheidung gut überlegt und dann zugesagt. Es ist für mich eine unglaubliche Möglichkeit, wieder auf höchstmöglicher Ebene im Führungsbereich zu arbeiten und daran wieder zu wachsen. Und das in der besten Sportliga der Welt. Es ist eine spannende Geschichte. Ich schlage damit in meinem Leben einen neuen Kurs ein, es ist eine Art Lebenschance. Und mein erstes Spiel haben wir dann am 1. März gleich gegen Liverpool, das ist auch nicht schlecht. (lacht)

SPOX: Aber Eishockey wird Ihnen fehlen, oder?

Krueger: Ich liebe Eishockey, das wird immer so bleiben. Aber ich hatte jetzt mit 54 Jahren das Gefühl, dass ich noch einmal eine andere Führungsrolle einnehmen will. Als ich drei Tage in Southampton vor Ort war, hat mich alles sofort überzeugt, es fühlte sich sofort richtig an. Southamptons Philosophie ist es, viele einheimische Spieler in die Mannschaft einzubauen. Es gibt bereits eine einzigartige Fußball-Academy. Ich habe Lust, diesen Weg mitzugehen und meine Erfahrung aus dem Eishockey einzubringen. Über Fußball muss ich nicht viel wissen. Dafür haben wir einen großartigen Coach und einen großartigen Sportchef. Wichtig sind für mich die Bereiche Führung, Organisation und Kommunikation. Aber jetzt zählt erst mal Sotschi, danach fokussiere ich mich dann auf Southampton.

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