Während Sebastian Vettel beim Großen Preis der USA seine gute Form der letzten Wochen bestätigt und einen zweiten Frühling durchlebt, muss Mick Schumacher nach einem erneut enttäuschenden Ergebnis um seine Zukunft bangen. Die Mercedes-Updates prallen derweil an Max Verstappen und Red Bull ab. Die Erkenntnisse zum USA-GP.
Vettel erlebt seinen zweiten Frühling
Mehrere Monate steht das Formel-1-Aus von Sebastian Vettel nach der laufenden Saison bereits fest, in den letzten Zügen seiner Karriere scheint der Heppenheimer aber noch einmal richtig angreifen zu wollen, um sich gebührend von seiner langjährigen Liebe verabschieden zu können.
Beim Großen Preis der USA landete der Aston-Martin-Pilot zum dritten Mal nacheinander in den Punkten, auf dem Papier wäre sogar noch mehr drin gewesen als der siebte Platz, auf dem Vettel das Rennen in Austin beendete. Von Startplatz zehn kommend ging es für den Ex-Weltmeister, bedingt durch die Berührung zwischen Carlos Sainz (Ferrari) und George Russell (Mercedes), schon in Runde eins bis auf Rang fünf nach vorne, nach zwei Dritteln führte er das Rennen für kurze Zeit sogar an.
Für einen "lockeren sechsten Platz" hätte seine Performance nach eigener Einschätzung gereicht, wäre nicht ein misslungener Boxenstopp seiner Crew bei seiner zweiten Abfertigung dazwischengekommen. "Wir hatten da ein Problem mit dem Radheber oder dem vorderen Wagenheber, das Auto wieder hochzuheben. Da musste dann der Ersatz kommen und das hat alles ein bisschen lang gedauert", beleuchtete Vettel die Verzögerungen.
Seine Leistung schmälerte das aber nicht. Speziell wenn man seine Reaktion auf den Fauxpas betrachtet. Denn anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, lieferte der AM-Pilot im letzten Stint eine der wohl besten Performances der kompletten Saison ab. Binnen weniger Runden kassierte er Guanyu Zhou (Alfa Romeo), Yuki Tsunoda (AlphaTauri), Alexander Albon (Williams) und Esteban Ocon (Alpine), ehe er in der letzten Runde auf Kevin Magnussen auflief, welchen er nach einem sehenswerten Duell in der vorletzten Kurve ebenfalls hinter sich ließ.
"Das war der Höhepunkt. Er ist einer der schwierigsten Fahrer, den man überholen kann. Er hat gerade genug Platz gelassen und es war sehr unterhaltsam für uns beide", analysierte Vettel gegenüber Sky. "Natürlich: Ich bin um P8 gefahren und nicht um Platz eins, zwei oder drei. Ich hatte aber trotzdem meinen Spaß."
Vettel: "Meine Entscheidung steht"
Zu Vettels Abschieds-Tournee bekommt man das Gefühl, dass er einen zweiten Karriere-Frühling durchlebt. Weg scheint der Druck zu sein, weiter in der Königsklasse performen zu müssen. Auch in Interviews und Pressekonferenzen wirkte Vettel in den vergangenen Wochen deutlich lockerer und gesprächiger.
Eine Abkehr von seiner Entscheidung werde es aber dennoch nicht geben - das stellte er unmittelbar nach dem Rennen in Austin noch einmal klar. "Ich habe lange und gut über die Entscheidung nachgedacht und auch über die Momente, die mir fehlen werden, das Adrenalin und dergleichen. Ein Teil von mir wird all das vermissen, ein anderer Teil freut sich auf das, was kommt. Meine Entscheidung steht."
Schumacher & Haas ist eine Ehe, die nicht mehr zu retten ist
Es hätte das so wichtige Ausrufezeichen beim Heimrennen seines Rennstalls sein können, am Ende steht Mick Schumacher aber wieder einmal mit leeren Händen da. Nach seinem 14. Platz beim Großen Preis der USA ist sein Cockpit für das kommende Jahr mehr denn je in Gefahr, eine Weiterbeschäftigung in der Formel 1 scheint in weite Ferne zu rücken.
Vor allem, weil Teamkollege Kevin Magnussen im selben Atemzug dank einer gewagten, aber letztlich erfolgreichen Ein-Stopp-Strategie bis auf den neunten Rang nach vorne preschte und dem Team zwei wichtige WM-Punkte sicherte. Schumacher wartet hingegen seit Spielberg auf ein zählbares Ergebnis.
Dabei lieferte der 23-Jährige erneut kein schlechtes Rennen ab. Pech bei der Wahl der Strategie und eine unverschuldete Kollision mit Williams' Nicholas Latifi beendeten aber jegliche Hoffnungen auf Punkte. "Ich weiß nicht, ich muss mir das anschauen", wirkte Schumacher nach Rennende etwas ratlos. "Ich hatte das Gefühl, dass ich noch hätte mithalten können, aber ich sehe nur einen bestimmten Teil und kann nur einen bestimmten Teil fühlen. Und wenn das Team das Gefühl hat, dass wir an die Box fahren müssen, dann ist das so."
Teamchef Günther Steiner machte in den vergangenen Wochen mehrmals unmissverständlich klar, dass nur Ergebnisse und WM-Punkte zählen würden, wolle der Deutsche weiter Teil des US-amerikanischen Teams sein.
Christian Danner: "Man will ihn loswerden"
Das Dilemma: Schumacher performt seit Monaten eigentlich sehr ordentlich, Ergebnisse blieben zuletzt hauptsächlich aufgrund schlechter Strategien und Fehler seitens Haas' aus. Darüber hinaus bekommt man das Gefühl, das Team würde den Deutschen unnötig und überzogen unter Druck setzen, wodurch Schumacher nur noch mehr Schwierigkeiten hat, seine Leistung auf den Asphalt zu bekommen. Dass es zwischen beiden Seiten noch zu einer einvernehmlichen Lösung kommt, erwartet kaum noch jemand.
"Wenn man die ganzen Zwischentöne analysiert, dann stellt man fest, dass er wohl nicht passt und man ihn loswerden will", ließ Ex-F1-Fahrer Christian Danner im AvD Motor & Sport Magazin zuletzt tief blicken. "Im Umfeld von Mick Schumacher ist schon viel Kritik an Haas geübt worden. Ob das schlau war, das wollen wir mal dahingestellt sein lassen."
Sollte das Verhältnis zwischen Team und Fahrer tatsächlich so angeknackst sein, wie es an die Öffentlichkeit dringt, bleibt Schumacher ohnehin nur eine Option: Die Rolle rückwärts. Mit seinen erst 23 Jahren könnte er sich eine Saison als Test- und Ersatzfahrer bei einem anderen Team durchaus leisten und dann 2024 neu angreifen.
Schumacher selbst will davon aber noch nichts wissen. Erneut verwies er nach dem USA-GP auf seine Leistungen, die dem Team nicht verborgen blieben. "Ich glaube, das Team weiß, was ich kann. Das Team hat gesehen, was ich konnte, speziell im ersten Stint", so der Deutsche. "Und ich glaube, jeder da draußen hat gesehen, dass wir auf Punktekurs waren - auf großem Punktekurs. Von daher sehr schade, dass wir es doch nicht einfahren konnten, aber die Pace ist da."
Auch mit Updates kann Mercedes nicht um den Sieg fighten
Bereits nach der Qualifikation hatte man sich bei Mercedes Hoffnungen gemacht, in Austin um den Sieg mitkämpfen zu können. Spätestens als Red Bull einen Tag später dann Schwierigkeiten bei Max Verstappens zweitem Boxenstopp offenbarte und Lewis Hamilton, 20 Runden vor Rennende, die Führung übernahm, war der erste GP-Sieg im Jahr 2022 tatsächlich in greifbarer Nähe.
Letzten Endes wurde daraus aber nichts. Zum einen zeigte angesprochener Verstappen einmal mehr eine absolute Glanzleistung und konnte den Fehler seines Teams wieder begradigen. Zum anderen lieferten die Silberpfeile im Renntrimm nicht die Performance ab, die man sich eigentlich ausgemalt hatte.
Denn im Gegensatz zur Konkurrenz um Red Bull und Ferrari brachte man ein größeres Aero-Update mit nach Texas, welches vor allem in den kurvenreichen Sektoren eins und drei die nötigen Zehntel bringen sollte. Dafür wurde unter anderem der Frontflügel modifiziert, um den Luftstrom an der Vorderachse zu optimieren.
"Wir sind näher dran und ich glaube, dass das Update funktioniert hat und dass wir um den Sieg gefahren sind, ist auch vielleicht ein bisschen Glück des Tüchtigen. Aber wir machen so kleine Hamsterschritte und das bringt uns näher", meinte Teamchef Toto Wolff gegenüber Sky nach Rennende. Eine wirkliche Chance hatte man aber erneut nicht. "Das kompetitive Tier in mir sagt: 'Ah, Zweiter ist nicht gut genug.' Aber man muss schon realistisch sein: Die Pace haben wir heute nicht gehabt."
Mercedes muss sich auf Ferrari konzentrieren
Dass sich an diesem Umstand in den letzten drei Rennen des Jahres etwas ändert, ist kaum abzusehen. Zu hungrig und abgeklärt präsentieren sich Red Bull und Verstappen auch nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft. Ohnehin ist der Niederländer nicht der Typ, der nach Errungenschaften plötzlich langsamer tritt. Verstappen wird bis zum letzten Rennen alles geben - dass Mercedes dieses Tempo mitgehen kann, darf angezweifelt werden. So droht dem deutschen Werksteam die erste sieglose Saison seit 2011.
Viel wichtiger als das wäre ohnehin der Triumph im Kampf um Konstrukteursplatz zwei über die Scuderia Ferrari. "Ich kann nicht in Worte fassen, wie viel es für das Team bedeuten würde (Zweiter in der Konstrukteurswertung zu werden; Anm.d.Red.), vor allem bei allem, was im letzten Rennen im vergangenen Jahr passiert ist, was in diesem Jahr in Bezug auf die Leistung unseres Autos passiert ist und was mit all den Nachrichten und allem passiert ist", so Wolff.
Formel 1: Der WM-Stand (nach 19 von 22* Rennen)
- Fahrerwertung:
Platz | Fahrer | Team | Punkte |
1 | Max Verstappen | Red Bull | 391 |
2 | Charles Leclerc | Ferrari | 267 |
3 | Sergio Perez | Red Bull | 265 |
4 | George Russell | Mercedes | 218 |
5 | Carlos Sainz | Ferrari | 202 |
6 | Lewis Hamilton | Mercedes | 198 |
7 | Lando Norris | McLaren | 109 |
8 | Esteban Ocon | Alpine | 79 |
9 | Fernando Alonso | Alpine | 65 |
10 | Valtteri Bottas | Alfa Romeo | 46 |
- Konstrukteurswertung:
Platz | Team | Punkte |
1 | Red Bull | 656 |
2 | Ferrari | 469 |
3 | Mercedes | 416 |
4 | Alpine | 144 |
5 | McLaren | 138 |
6 | Alfa Romeo | 52 |
7 | Aston Martin | 51 |
8 | Haas | 38 |
9 | AlphaTauri | 36 |
10 | Williams | 8 |
*Der Russland-GP wurde aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ersatzlos gestrichen. Ursprünglich hatte die Formel 1 für die Saison 2022 23 Rennen eingeplant.