Man mag es kaum glauben, aber das DFB-Team zeigte unter Interimstrainer Rudi Völler gegen Frankreich tatsächlich eine ansehnliche Leistung, gewann ein Fußballspiel (2:1) und begeisterte sogar die Fans. Wie es dazu kam - und welche erleichternden Umstände und Fakten nicht übersehen werden sollten.
Als sich die deutsche Nationalmannschaft im Dortmunder Stadion gerade für das Testspiel gegen Frankreich aufwärmte, legte der Stadion-DJ "Augenbling" von Seeed auf. Das Lied handelt davon, wie eine neue Liebe auf einen Schlag alles ändert - egal, wie verheerend die Situation auch ist: "Deine Augen machen bling-bling und alles ist vergessen." Dieses Lied passte ganz wunderbar zu diesem erstaunlichen Abend in Dortmund: Rudis Augen machten bling-bling und bei den Spielern war anscheinend alles vergessen.
Die verkorkste WM in Katar, durch die neulich erschienene Amazon-Doku frisch ins Gedächtnis gerufen? Vergessen! Vier Niederlagen und ein Remis aus den vergangenen fünf Testspielen gegen mittelklassige Gegner? Vergessen! Häme und Pfiffe der eigenen Fans? Vergessen! Fehlendes Selbstvertrauen? Vergessen! Bundestrainer Hansi Flick? Vergessen! Bling-bling, alles vergessen!
Als wäre nichts gewesen dominierte eine aus dem gleichen Kader rekrutierte deutsche Mannschaft drei Tage nach der beschämenden 1:4-Niederlage gegen Japan den Vize-Weltmeister Frankreich zunächst nach Belieben. Energische Zweikampfführung, Spielfreude, hohes Pressing, ohne dabei die Restverteidigung zu vernachlässigen. Hacke Emre Can, Hacke Leroy Sané, ein hübscher Doppelpass, eine schöne Hereingabe. Thomas Müller! Tor!
Deutschland führte nach vier Minuten mit 1:0 und die Fans besangen Interimstrainer Rudi Völler, eine unwirkliche Szenerie. Nach 20 Minuten flachte Deutschlands Sturm- und Drangphase ab, fortan war Frankreich zumeist die etwas bessere und gefährlichere Mannschaft. Doch auf den Rängen herrschte weiterhin Partystimmung: Mit dem lange ersehnten Erfolgserlebnis vor Augen schwappte eine Laola-Welle nach der anderen durch das Stadion, dazu gab es immer wieder Rudi-Völler-Sprechchöre.
In der Schlussphase schloss Leroy Sané zunächst einen Konter zum 2:0 ab, dann erzielte Antoine Griezmann per Elfmeter das Anschlusstor. Dabei blieb es, Deutschland holte den ersten Sieg seit einem 2:0 gegen Peru im März. Bejubelt von den Fans drehte das DFB-Team eine Ehrenrunde. "Dieses Glücksgefühl, das tut gut", sagte Völler.