Der 1. FC Kaiserslautern befindet sich spätestens seit 2013 auf einer nicht enden wollenden Talfahrt und ist im Tabellenkeller der 3. Liga angelangt. Obwohl sich die Roten Teufel im Rahmen eines umstrittenen Insolvenzverfahrens nahezu komplett entschuldet haben, kommt der Verein nicht zur Ruhe.
Zwei Trainerentlassungen in der bisherigen Spielzeit sowie ein entmachteter Sportdirektor werfen weitere Fragen auf. Insbesondere folgende Punkte sorgen für Gesprächsstoff im Verein, dem heißblütigen Umfeld und auch bei der Konkurrenz in der 3. Liga:
- Insolvenz: Aufgrund von 24 Millionen Euro Schulden musste die 1. FC Kaiserslautern Management GmbH und Co. KgaA im Juni 2020 das Insolvenzverfahren eröffnen. Dank Corona-Sonderregelungen wurde dieses sogar ohne Punkteabzug abgeschlossen, was von den Ligarivalen kritisch beäugt wurde. Der Tenor: Wie kann der FCK trotz der kritischen Lage Spieler abwerben und muss gleichzeitig Raten für zurückliegende Transfers nicht mehr begleichen?
- Sportliche Krise: Mit Aufstiegsambitionen in die Saison gestartet, ist der Gang in die Regionalliga bedrohlich nahe. Die Zeitpunkte der beiden Trainerwechsel waren durchaus umstritten. Jeff Saibene hielt es gerade einmal vier Monate auf der Trainerbank in der Pfalz, Boris Schommers wurde bereits nach dem 2. Spieltag entlassen.
- Unklare Machtverhältnisse in der Führungsetage: Sportdirektor Boris Notzon gilt aufgrund der zurückliegenden Transferpolitik als angezählt, bei der Suche nach dem neuen Trainer Marco Antwerpen wurde er gar nicht erst eingebunden. Stattdessen wird dem Aufsichts- und Beirat um Markus Merk großer Einfluss nachgesagt. Schon am 26. Februar wird der Aufsichtsrat neu gewählt.
Merk, Mitglied im Aufsichtsrat des 1. FC Kaiserslautern e.V. und Beiratsvorsitzender der Kapitalgesellschaft, wehrt sich bei SPOX und Goal unter anderem gegen die Vorwürfe, wonach der FCK einer der großen Gewinner der Corona-Pandemie sei. Auch zu den weiteren Punkten nimmt der ehemalige Weltschiedsrichter ausführlich Stellung.
1. FCK hinkt Saisonzielen weit hinterher - zwei Trainerwechsel
"Wir haben uns das sportlich natürlich anders vorgestellt. Ich habe am 1. Spieltag gesagt, dass die 3. Liga so spannend ist, weil sie von ihrer Einfachheit und ihrer Ehrlichkeit lebt. Es ist eine Mentalitätsliga, die unberechenbar ist", blickt Merk auf den bisherigen Saisonverlauf zurück, der alarmierende Zahlen liefert: Nach 24 Saisonspielen stehen erst vier Siege zu Buche, gleich 13 Partien endeten mit einer Punkteteilung.
Vor allem in der Offensive drückt der Schuh, nur Marvin Pourie (acht), der selbst zahlreiche Großchancen ausließ, hat mehr als vier Saisontreffer erzielt. Den Nachweis, der "Mentalitätsliga" gewachsen zu sein, blieb der FCK, der zumindest auf dem Papier das Potenzial für die oberen Tabellenregionen mitbringt, über weite Strecken schuldig. Das Resultat waren die Trennungen von den Trainern Schommers und Saibene.
"Zwei Trainerentlassungen sind für mich zwei zu viel. Aber es gibt keinen günstigen Zeitpunkt für eine Trainerentlassung, wie definiert man diesen? Wird zu früh reagiert, wird der Wechsel als Aktionismus und Populismus abgetan und fehlende Kontinuität bemängelt", versucht Merk die Trennungen von Schommers, dem eine desolate Leistung bei Türkgücü München zum Verhängnis wurde, und Jeff Saibene, den es nur 20 Drittligaspiele (drei Siege) auf dem Schleudersitz in Kaiserslautern hielt, zu begründen.
Merk nimmt Mannschaft in die Pflicht: "Kann Begriff Qualität nicht mehr hören"
Da beide Entlassungen kurz nach dem Start der jeweiligen Halbserie erfolgten und insbesondere bei der Einstellung von Saibene keinerlei Möglichkeit mehr bestand, den Kader durch Transfers nach eigenen Wünschen zu gestalten, fehlte es vielerorts an Verständnis für das Vorgehen. "Im zweiten Fall gab es aus sportlichen Gründen keine andere Handlungsoption. Über die erste kann man diskutieren. Interne Prozesse haben dies notwendig gemacht, die von außen schwer beurteilt werden können", erklärt Merk.
Das Argument, dass der Trainer den Kader nicht zusammenstellen durfte, entkräftet Merk: "Ein neuer Trainer muss überzeugt sein, dass er mit dem vorhandenen Kader erfolgreich sein, ihn weiterentwickeln kann. Es ist ein Irrglaube, dass man eine Mannschaft komplett auf einen Trainer ausrichtet."
Stattdessen nimmt Merk die Mannschaft in die Pflicht, "unter Beweis zu stellen, dass wir diese Mentalität haben. Den Begriff Qualität kann ich nicht mehr hören". Einen ersten Schritt machten die Roten Teufel mit dem Derbysieg bei Waldhof Mannheim, als die Lauterer im ersten Spiel unter Trainer Marco Antwerpen eine völlig andere Körpersprache zeigten: "Bei einem solchen Derbysieg sieht man die unfassbare Wucht des Vereins, es gibt eine Explosion in alle Richtungen. Wir hätten uns gar nicht vorstellen können, was passiert wäre, wenn wir kein Corona gehabt hätten."
Dass die Mannschaft bei der Rückreise von hunderten euphorischen Fans am Betzenberg mit einer Pyro-Show empfangen wurden, wobei teilweise die Corona-Bestimmungen missachtet wurden und Kapitän Jean Zimmer die jubelnde Menge mit Fangesängen aus der offenen Bustür sogar noch anheizte (was der Verein zudem auf Twitter verbreitete), sieht Merk durchaus kritisch: "Natürlich müssen die Corona-Bestimmungen respektiert werden, aber man sieht einfach, was in unseren Fans vorgeht."
Die Richtung für die ausbleibenden Saisonspiele ist für Merk klar: "Das einzige Saisonziel ist der Klassenerhalt. Es muss nach dem großen wirtschaftlichen Erfolg auch sportlich ein Lauf gestartet werden, um auch mit einem guten Gefühl aus der Saison zu gehen. Die Tradition ist herrlich, andere wären froh darüber, aber im Profisport gibt es eben auch noch andere Kriterien, die zählen." Mut machte nach dem Sieg in Mannheim auch die Leistung am vergangenen Samstag beim 1:1 gegen den FC Bayern II, als der FCK an der eigenen Chancenverwertung sowie einem fälschlicherweise aberkannten Treffer scheiterte.
Ein Szenario, das den einst so großen FCK in der Regionalliga sieht, mag sich keiner vorstellen. Der Pacht- und Vertreibervertrag für das Stadion würde auch in Liga vier Gültigkeit besitzen, die Liquidität wäre kein Problem. Doch wie wirken sich die wegfallenden TV-Einnahmen und Sponsoren aus? Und wie würde der Kader aussehen? Fragen, mit denen sich Merk noch nicht befassen will, wie er zuletzt dem SWR erklärte. "Was wäre das für ein Bild für unsere Fans und unsere Mitglieder, wenn wir uns jetzt in diesen schweren Stunden, wo wir andere Entscheidungen zu treffen haben, über dieses Thema auslassen würden?"
2. FCK: Die Insolvenz und ihre "positiven" Auswirkungen
Der 7. Dezember 2020 sollte einen Wendepunkt in der seit langem nach unten zeigenden Entwicklung des vierfachen deutschen Meisters darstellen: Der FCK gab offiziell den erfolgreichen Abschluss des Planinsolvenzverfahrens bekannt, das sechs Monate zuvor aufgrund einer Schuldenlast von 24 Millionen eröffnet werden musste.
Die Gläubiger stimmten zu, auf ganze 96 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten und somit die Entschuldung der Kapitalgesellschaft abzuschließen. Abgesehen von fünf Millionen Euro Verbindlichkeiten, die weiterhin beim eingetragenen Verein verbleiben, waren die Roten Teufel plötzlich schuldenfrei. Zudem investierte eine Gruppe regionaler Unternehmer rund elf Millionen Euro, um 33 Prozent der Anteile an der Kapitalgesellschaft zu erwerben.
Im Vergleich zu früheren FCK-Krisen in den Nuller-Jahren gab es gleich zwei Vorteile: Seit 2012 ist es für Unternehmen mit positiven Zukunftsaussichten möglich, die Insolvenz in Eigenverwaltung durchzuführen. Bei einer solchen Planinsolvenz können die Geschäfte im Vergleich zur Regelinsolvenz weiter selbst geführt werden.
Außerdem wichtig: Der DFB, der üblicherweise einen Abzug von neun Punkten im Falle einer Insolvenz vorsieht, hat aufgrund der finanziellen Corona-Auswirkungen auf die in besonderem Maße von den Zuschauern abhängigen 3. Liga zeitweise auf eine solche Bestrafung verzichtet (wobei der FCK auch mit neun Punkten weniger in der Vorsaison nicht abgestiegen wäre). Nie war es demnach verheißungsvoller, eine Insolvenz nicht als Risiko, sondern vielmehr als Chance auf einen Neustart zu sehen.
gettyMerk wehrt sich gegen Insolvenz-Vorwürfe: "Tiefer, persönlicher Druck"
"Ohne Corona hätten wir die Lizenz für die Saison 2020/21 mit großen Anstrengungen sicher bekommen. Der Schuldenstand wäre natürlich geblieben. Aber das ist derzeit ein erschütterndes Szenario, das viele in der Gesellschaft betrifft. Ich möchte denjenigen sehen, der so etwas freiwillig und gerne mitmacht", wehrt sich Merk gegen Kritik.
Die Zeit habe bei ihm und dem gesamten Verein für einen "tiefen, persönlichen Druck" gesorgt, "den ich niemandem wünsche". Vielmehr hätten "die wirtschaftlichen Gegebenheiten diesen Schritt unumgänglich gemacht. Der Vorwurf, dass wir die Situation ausgenutzt haben, ist absolut unfair. Es ist eine wirtschaftliche Zwangslage, wir führen den Betrieb mithilfe eines staatlichen Mittels fort, aber mit keinem, durch den sich der FCK unerlaubt einen Vorteil verschafft hat".
Doch die Kritik der Drittligakonkurrenz blieb nicht aus. Während die Lauterer mit Tim Rieder, Marvin Pourie oder Marlon Ritter vermeintliche Topspieler der Liga unter Vertrag nehmen konnten, mussten offene Ratenzahlungen für bereits getätigte Transfers nicht entrichtet werden.
"Wahnsinn, wie das dort geht. Der DFB macht da nichts", polterte Saarbrückens Vize-Präsident Dieter Ferner bei der Bild, auch angesichts der auf dem Betzenberg gezahlten Gehälter. "Ich habe immer gelernt: Wenn man kein Geld hat, kriegt man auch keins. Früher hast du neun Punkte Abzug gekriegt und eine fette Geldstrafe", stimmte 1860-Trainer Michael Köllner gegenüber der Abendzeitung zu.
Merk nennt dieses Vorgehen "sehr populistisch und plakativ. Mit falschen Zahlen wird behauptet, dass wir mitten in der Insolvenz mit Geld um uns geworfen haben und unfassbar in den Kader investieren konnten. Wohlwissend, dass andernorts ein höheres Budget zur Verfügung steht, wird mit dem Finger auf den FCK gezeigt." Stattdessen verweist er darauf, dass eine positive Fortführungsprognose für eine erfolgreiche Insolvenz nötig war. "Wir brauchten frisches Geld, Eigenkapital."
Den Kritikern lässt sich außerdem die deutlich positive Transferbilanz im Sommer entgegenhalten. Für die Transfers von Lennart Grill, Timmy Thiele sowie Florian Pick und Christian Kühlwetter kassierte der FCK vor der Saison knapp vier Millionen Euro. Lediglich im Fall von Rieder wurde eine fünfstellige Ablöse gezahlt, stattdessen kamen Spieler ablösefrei oder auf Leihbasis in die Pfalz, wie zuletzt auch Götze-Bruder Felix und Rückkehrer Jean Zimmer.
3. FCK: Trainersuche ohne Sportdirektor - welche Rolle spielt "Aufsichtsrat" Merk?
Für Diskussionsstoff sorgt die Rolle von Sportdirektor Boris Notzon. Seit 2017 ist er für die Kaderplanung verantwortlich, nachdem er zuvor als Chefscout tätig war. Nach der Trennung von Geschäftsführer Sport Martin Bader Ende 2019 wurde auf eine Nachbesetzung der Stelle verzichtet, Notzon die alleinige Verantwortung für den sportlichen Bereich aufgetragen.
"Boris hat mit viel Akribie und hoher Fachkompetenz den Kader zusammengestellt. Wir sind davon überzeugt, dass in der Mannschaft deutlich mehr Potential steckt, als der derzeitige Tabellenplatz widerspiegelt", sagte Geschäftsführer Voigt im Dezember im Interview mit dem Fanportal Der Betze Brennt, den Worten sollten jedoch keine Taten folgen.
Das Vetrauen in Notzon nahm ab, bei der Vorstellung von Trainer Antwerpen nahm nicht etwa Notzon auf dem Podium Platz, sondern Merk, der eigentlich keine Tätigkeit im operativen Geschäft ausübt: "Die Gespräche laufen. Er genießt im Verein eine hohe Wertschätzung, wir möchten alle Kräfte nach sportlichen und wirtschaftlichen Maßgaben im Sinne des Vereins bündeln", stellt Merk klar. Notzons Vertrag läuft zum Saisonende aus.
Merk: "In entscheidenden Situationen der Verantwortung stellen"
"Nicht aus Misstrauen, sondern weil uns die Erfahrung gelehrt hat, dass man Menschen vor gewissen Entscheidungen in der Öffentlichkeit schützen muss", begründete Merk bei der Antwerpen-Vorstellung das Vorgehen, Notzon nicht in die Trainersuche zu involvieren. Der Schluss liegt nahe, dass Notzon in den Zukunftsplanungen des Vereins keine entscheidende Rolle mehr spielt.
Und nur wenige Tage später wurde eine weitere Personalie vermeldet: Voigt, der seine Kernkompetenzen im kaufmännischen Bereich hat, wird mit Ex-FCK-Spieler Thomas Hengen ein neuer Geschäftsführer Sport zur Seite gestellt. Hengen arbeitete bisher als Scout für den FC Everton, den HSV, West Ham United, PSV Eindhoven und zuletzt als Sportdirektor für Alemannia Aachen.
Zu seiner Rolle im Beirat, in dessen Verantwortung die Verfplichtung des Geschäftsführer Sports fiel, sagt Merk: "Am besten ist es, wenn man ihn nicht sieht, es ist aber auch schlecht, wenn er sich in entscheidenden Situationen der Verantwortung nicht stellt. Es ist mit der Aufgabe eines Schiedsrichters vergleichbar."
Die Zusammenarbeit mit Hengen wurde mit aufschiebender Wirkung getroffen, er beginnt seine Arbeit erst am 1. März. Der Grund: Mit der Mitgliederversammlung steht am 26. Februar ein wichtiger Termin an, dann wird der Aufsichtsrat des Vereins neu gewählt. Auch Markus Merk wird sich wieder dem Votum der Mitglieder stellen.
Diese Wahl ist deshalb so wichtig, weil die fünf Mitglieder von Aufsichtsrat und Beirat derzeit übereinstimmen. Erst wenn Investoren 20 Prozent der Anteile der FCK-Aktien halten, bekommen diese einen Platz im Beirat, diese Grenze wird mit der Zahlung der nächsten Rate durch die regionalen Investoren fallen. Auch danach haben somit vier der fünf Aufsichtsräte einen Platz im Beirat, der Einfluss bleibt also weiterhin groß.
1. FC Kaiserslautern: Die Platzierungen seit 2010
Saison | Liga | Platzierung |
2010/11 | Bundesliga | 7. |
2011/12 | Bundesliga | 18. |
2012/13 | 2. Liga | 3. |
2013/14 | 2. Liga | 4. |
2014/15 | 2. Liga | 4. |
2015/16 | 2. Liga | 10. |
2016/17 | 2. Liga | 13. |
2017/18 | 2. Liga | 18. |
2018/19 | 3. Liga | 9. |
2019/20 | 3. Liga | 10. |
2020/21 | 3. Liga | 15. |