Ajax Amsterdam sorgt für Furore, doch kaum jemand spricht über Donny van de Beek. Dabei ist er elementar für das Spiel - trotz bewegter Vergangenheit. SPOX und Goal blicken vor dem Viertelfinal-Rückspiel in der Champions League gegen Juventus (Di., 21 Uhr live auf DAZN) auf den Youngster.
Österreich, Zillertal, 8. Juli 2017. Es ist heiß, die Sonne brennt an jenem Tag unnachgiebig. Passender wäre es ob der folgenden Ereignisse allerdings, der Himmel würde weinen. Wir schreiben die 72. Minute des Testspiels zwischen Ajax Amsterdam und Werder Bremen, als ein junger Mann plötzlich auf dem Spielfeld zu Boden sinkt.
Die Zuschauer halten den Atem an, medizinische Kräfte beider Mannschaften laufen auf den Platz, um erste Hilfe zu leisten. Auf den Ersatzbänken herrscht Schockstarre.
Vor allem einer bangt besonders, ist es doch sein bester Freund, um den sich gerade eine Traube aus Helfern gebildet hat: der bereits ausgewechselte Donny van de Beek.
Es ist die tragische Geschichte vom Unglück Abdelhak Nouris, das im Sommer 2017 in der Fußballwelt Betroffenheit hervorrief. Nouri, der zu den größten Talenten des niederländischen Klubs zählte, erlitt einen Herzstillstand und musste reanimiert werden. Er überlebte, doch bleibende Hirnschäden beendeten seine sportliche Karriere - und auch sein normales Leben.
Nicht einmal drei Wochen nach dem tragischen Vorfall stand für Ajax ein richtungsweisendes Spiel an. Es ging um die Qualifikation für die Champions League. Der Gegner? Die OGC Nizza mit Trainer Lucien Favre.
Mario Balotelli brachte die Truppe aus der französischen Hafenstadt in Führung, doch Ajax konnte nach der Pause ausgleichen und mit einem 1:1 aus dem Hinspiel nach Hause fahren - es war wohl Schicksal, dass ausgerechnet van de Beek für das wichtige Auswärtstor verantwortlich war.
gettyDonny van de Beek mit Tränen im Interview
Für den Torschützen gab es in diesem Moment nur eines: Er wollte seinem besten Kumpel, der in den letzten zwölf Jahren wie zu einem Bruder für ihn geworden war, eine Nachricht schicken.
Sein Jubel fiel verhalten, ja fast andächtig aus. Van de Beek rannte Richtung Eckfahne, bildete mit seinen beiden Händen eine Drei und eine Vier. 34 - die Rückennummer von Appie, wie Nouri liebevoll genannt wurde.
In den Wochen zuvor hatte er es vermieden, in der Presse über das Unglück zu sprechen. Nach der Partie in Nizza tat er es jedoch. "Das kommt direkt vom Herzen. Ich will immer treffen, aber heute Abend ganz besonders", erklärte er. "Für Appie und seine Familie!"
Es war ein emotionales Interview, das war van de Beek anzumerken. "Appie will, dass wir weiter machen, das weiß ich", sagte er mit Tränen in den Augen. "Können wir nun bitte über das Spiel reden?"
Nouri und van de Beek träumten einen gemeinsamen Traum - gemeinsam für die Profis von Ajax für Furore zu sorgen. Und sie waren auf dem besten Weg, stand das Duo bereits neunmal zusammen auf dem Feld.
Van de Beek will seinen Freund stolz machen
Nun liegt es an van de Beek, ihren gemeinsamen Traum zu leben und der mittlerweile 21-Jährige tut alles dafür, seinen Freund stolz zu machen.
In der Eredivisie kämpft Ajax mit der PSV Eindhoven um den Titel, auch im nationalen Pokalwettbewerb hat man das Finale erreicht, doch vor allem in der Königsklasse sorgen die jungen Wilden aus Amsterdam mächtig für Furore.
Im Achtelfinale schaltete man den amtierenden Champion Real Madrid nach einem imposanten 4:1 im Bernabeu aus, auch Juventus Turin bereitete man im Viertelfinal-Hinspiel mächtig Probleme. Am Ende sprang ein 1:1 heraus, das beiden Mannschaften die Möglichkeit auf den Semifinaleinzug offen hält.
Van de Beek ist dabei ein Schattenmann im System von Erik ten Hag. Alle Welt schwärmt von der herausragenden Offensive um Dusan Tadic, Hakim Ziyech und David Neres, doch van de Beek nimmt hinter der Offensivreihe und vor Spielgestalter Frenkie de Jong eine elementare Rolle ein.
Er spielt mit einer Power, die man nur selten finden kann. Vor allem ohne Ball stellt er Defensivreihen mit seinen Läufen in die Tiefe vor immense Probleme. Van de Beek ist ein Mentalitätsmonster, das unbesetzte Räume erkennt und besetzt oder Lücken für seine Mitspieler aufreißt.
Am Ball steht er den filigranen Spielern wie Tadic, Neres oder Ziyech ein wenig nach, gelegentlich agiert er mit dem Leder am Fuß noch zu hektisch. Dafür ist er sehr torgefährlich für einen zentralen Mittelfeldspieler - 14 Tore und elf Assists in dieser Spielzeit sprechen für sich.
Ajax Amsterdam profitiert von van de Beek
Der Angriff profitiert von ihm und er profitiert von den Spielern um sich herum. Van de Beek ist in einer offensiv ausgerichteten Formation am stärksten, denn er braucht kreative und technisch versierte Spieler um sich herum. Das Spiel sollte nicht auf ihn zugeschnitten sein, er muss im System richtig eingesetzt werden. Dann ist er stark.
Der fünffache niederländische Nationalspieler kommt aus einer Ajax-Familie, bereits mit fünf Jahren brachte ihn sein Vater ins Stadion. In frühem Alter zeichnete ein anderer Schicksalsschlag jedoch seinen Weg.
Bei seinem kleinen Bruder Rody, ebenfalls begeisterter Fußballer, wurde im Rücken ein Tumor entdeckt, was die Familie zu dieser Zeit extrem belastete. Auch Donny war davon natürlich nicht unbeeindruckt, doch sein kleiner Bruder machte ihm Mut.
gettyInternationale Topvereine am Youngster dran
Während die Mutter mit dem Kleinen regelmäßig ins Krankenhaus fuhr, chauffierte der Vater Donny zum Training. "Sorge Dich nicht um mich", sagte Rody zu Donny, wie ihr Vater Jahre später bei AjaxShowtime verriet. "Das wird schon wieder. Gib lieber alles, damit Du es zu Ajax schaffst."
So kam es dann auch. Mit elf Jahren schloss sich Donny dem Rekordmeister an. Elf Jahre später steht nun vielleicht der nächste Schritt in seiner Karriere an.
Bereits in der Vergangenheit wurden der FC Bayern und der FC Barcelona mit van de Beek in Verbindung gebracht, zuletzt berichtete die L'Equipe von einem Interesse Borussia Dortmunds am Mittelfeldspieler.
Van de Beek hat sich in den Fokus gespielt - so wie die gesamte Mannschaft von Ajax mit ihren erfrischenden Auftritten in der Champions League. Doch im Vergleich zu de Jong und Abwehrjuwel Matthijs de Ligt ist bei ihm noch nicht klar, ob er tatsächlich im Sommer schon gehen wird.
Der Junge aus Nijkerkerveen will mit seinem Lieblingsklub unbedingt die Meisterschaft holen, es wäre die 34. in der Geschichte des Klubs - wie sollte es auch anders sein.