Wie schon vor vier Jahren hat die deutsche Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft als Dritter abgeschlossen. Im Spiel um Platz drei kam das Team von Bundestrainer Joachim Löw zu einem leidenschaftlichen 3:2 (1:1)-Sieg über Uruguay.
Vor 36.254 Zuschauern in Port Elizabeth brachte Shootingstar Thomas Müller die DFB-Elf mit seinem fünften Turniertreffer in Führung (19.). Edinson Cavani (28.) und Diego Forlan (51.) sorgten für die zwischenzeitliche Führung der Südamerikaner, Marcell Jansen (56.) besorgte das 2:2.
Das Siegtor gelang Sami Kherida (82.) per Kopf. Deutschland schließt damit zum vierten Mal eine Weltmeisterschaft als Dritter ab (1934, 1970, 2006, 2010) und stand bei 17. WM-Teilnahmen elfmal unter den besten drei Teams (3x Weltmeister, 4x Zweiter, 4x Dritter).
Miroslav Klose blieb der WM-Torrekord indes verwehrt: Mit einer Rückenverletzung musste der 32-Jährige 90 Minuten auf der Bank ausharren und bleibt damit bei 14 WM-Toren stehen. Joachim Löw schenkte dagegen im letzten Spiel allen Reservisten sein Vertrauen: Außer dem verletzten Tim Wiese kamen am Ende alle 22 Spieler bei der WM zum Einsatz.
Nachbetrachtung:
Gleiches Ergebnis, völlig andere Wirkung: Wie 2006 wird Deutschland Dritter, hat sich durch diese Leistung international aber ungleich mehr Respekt erarbeitet als noch beim leicht verklärenden "Sommermärchen" vor vier Jahren. Nicht für wenige war das DFB-Team bis zum Halbfinale sogar die beste Mannschaft des Turniers.
Unterm Strich steht aber erneut nur ein dritter Platz und die Tatsache, dass Erfolge in der Zukunft nicht von alleine kommen werden. Die Mannschaft hat Potenzial, keine Frage. Zieht man Cacau und Friedrich ab, hatten die deutschen Feldspieler im Spiel um Platz drei ein Durchschnittsalter von 22,75 Jahren. Der Grundstein ist gelegt.
Spielerisch war der letzte Auftritt in Südafrika indes alles andere als glänzend, vor allem defensiv. In Port Elizabeth ging es aber ohnehin nur darum, sich die Bronzemedaille abzuholen - egal wie. Das hat die Mannschaft mit einer kämpferisch bravourösen Leistung bewerkstelligt und sogar erstmals im Turnierverlauf einen Rückstand wettgemacht.
Auch vor der Leistung der Uruguayer kann man nur den Hut ziehen. Nicht Argentinien oder Brasilien, sondern Uruguay schließt die WM als bestes südamerikanisches Team ab. Das Team um Diego Forlan ist zwar nicht mehr das Jüngste, hat aber durchaus das Zeug dazu, auch in vier Jahren in Brasilien für eine Überraschung zu sorgen.
Reaktionen:
Oscar Tabarez (Trainer Uruguay): "Es tut mir zwar leid, dass wir verloren haben. Aber man darf das Niveau des Gegners nicht vergessen. Wir sind uns bewusst, dass wir die Überraschung der WM waren. Für die Zukunft unseres Fußballs ist das, was wir erreicht haben, sehr wichtig. Denn seit Jahrzehnten ist uns so ein Erfolg nicht mehr gelungen. Wir haben Deutschland heute teilweise dominiert, aber unsere Chancen nicht genutzt."
Diego Forlan (Uruguay): "Unter den ersten vier Mannschaften der Welt zu sein, ist spektakulär. Das hatten wir vor der WM nicht erwartet. Wir fühlen uns als Sieger, auch wenn wir heute nicht gewonnen haben. Wir wussten immer, dass wir eine tolle Mannschaft haben, auch wenn wir in der Qualifikation große Probleme hatten. Bei der WM haben wir dann gezeigt, wozu wir fähig sind."
Joachim Löw (Trainer Deutschland): "Das letzte Spiel in einem Turnier ist immer wichtig, denn mit diesem Gefühl fährt man nach Hause. Wir gehen nicht mit leeren Händen nach Hause. Die Mannschaft hat verdient gewonnen, allein aufgrund der zweiten Halbzeit. Sie hat gut gespielt und gekämpft. Wenn man das ganze Turnier sieht, hat sie Großartiges geleistet. Wie sie zum Beispiel den schweren Rückschlag gegen Spanien verkraftet hat, wie sie insgesamt aufgetreten ist und wie viele Tore sie geschossen hat, das ist absolut zufriedenstellend. So können wir stolz nach Hause fahren."
Bastian Schweinsteiger (Deutschland): "Das war sehr wichtig gegenüber unseren Fans in Deutschland, die uns wahnsinnig unterstützt haben. Zum Glück haben wir gewonnen, obwohl die Enttäuschung noch da war. Es kann nicht immer nur bergauf gehen. Wir haben zurückgelegen und sind zurückgekommen. Das zeigt die Charakterstärke der Mannschaft. Ich bin sehr stolz darauf in dieser Mannschaft zu spielen. Man sollte in die Zukunft schauen, wir können noch viel erreichen."
Theo Zwanziger (DFB-Präsident): "Ich bin stolz auf die Mannschaft, weil man nach der unglücklichen Niederlage gegen Spanien nicht wissen konnte, ob sie sich nochmal zusammenreißen kann. Aber sie hat 92 Minuten wunderbaren Fußball geboten und verdient gewonnen. Wir haben einen tollen Trainer und ich werde alles Mögliche tun, damit er bleibt. Wir brauchen keine Termine. Wir werden uns Gedanken machen und uns dann zusammensetzen. Wir haben zwar noch keine Titel, aber wir können sie holen. Wir haben eine tolle Spielkultur und sind auf dem richtigen Weg. Dazu brauchen wir einen Bundestrainer. Und das beste Argument für ihn ist die Mannschaft."
SPOX-Spielfilm:
Vor dem Anpfiff: Uruguay mit drei Änderungen im Vergleich zum 2:3 im Halbfinale gegen die Niederlande: Kapitän Lugano ist nach überstandener Knieverletzung zurück in der Abwehr, Fucile (Gelb) und Suarez (Rot) haben ihre Sperren abgesessen. Victorino, Gargano und A. Pereira sitzen dafür draußen. Lodeiro (Fußverletzung) ist nicht einsatzfähig.
Löw verändert sein Team gleich auf fünf Positionen: Butt, Aogo, Müller, Jansen und Cacau dürfen ran - für Butt und Aogo ist es der erste WM-Einsatz. Klose sitzt mit Rückenproblemen draußen, daneben Podolski und Gomez (beide Grippe). Lahm (ebenfalls Grippe) ist nicht im Kader, auch Wiese (Schleimbeutel) fehlt.
10.: Ecke Özil von rechts. Friedrich köpft im Rückwärtslaufen gegen die Laufrichtung von Muslera - Latte! Der Ball landet bei Müller, der köpft Godin vor der Linie an.
19., 0:1, Müller: Schweinsteiger zieht aus 35 Metern ab. Muslera lässt abprallen, Müller staubt aus elf Metern ab. Klarer Torwartfehler - fünftes WM-Tor für Müller.
28., 1:1, Cavani: Schlimmer Ballverlust von Schweinsteiger an der Mittellinie gegen Perez. Der leitet direkt zu Suarez. Cavani und Forlan gehen tief, Cavani bekommt den Ball in den Lauf und netzt aus zwölf Metern rechts unten ein. Erstes WM-Tor.
42.: Friedrich lässt halbrechts Suarez laufen, Mertesacker hebt das Abseits auf. Suarez frei vor Butt, schießt links vorbei.
51., 2:1, Forlan: Arevalo Rios setzt sich rechts mit einem einfachen Doppelpass mit Pereira gegen drei Mann durch und legt zurück an die Strafraumgrenze. Forlan netzt volley aus 16 Metern ein. Fünftes WM-Tor.
56., 2:2, Jansen: Boateng flankt rechts aus dem Halbfeld. Der Ball ist lange in der Luft, Muslera segelt trotzdem vorbei und Jansen köpft aus fünf Metern ein. Erstes WM-Tor - aber ein krasser Torwartfehler.
82., 2:3, Khedira: Özils Ecke von rechts segelt durch den Fünfer. Lugano bekommt den Ball nicht weg. Khedira ist da und köpft den Ball rechts oben ein. Erstes WM-Tor.
90.+3: Friedrich reißt Suarez 17 Meter vor dem Tor um - Freistoß. Forlan nimmt Maß - und zimmert den Ball links an die Latte.
Fazit: Eine bei weitem nicht fehlerfreie, aber leidenschaftliche Leistung verhilft Deutschland wie 2006 zu Platz drei. Uruguay hielt gut mit, hätte auch den Sieg verdient gehabt.
Star des Spiels: Egidio Arevalo Rios (SPOX-Note 2). Der kleine, etwas dicklich wirkende "Sechser" der Urus spielte eine überragende WM. Gegen Deutschland stellte er nun Özil kalt und fand sogar neben unendlich viel Laufarbeit in der Defensive noch Zeit, sich in die Offensive einzuschalten. Seinem Willen war das Traumtor von Forlan zu verdanken.
Für die SPOX-User war Bastian Schweinsteiger Man of the Match
Gurke des Spiels: Fernando Muslera (SPOX-Note 6). Der 24-Jährige spielte eine WM mit Licht und Schatten - dieses war eher ein schattiger Tag. Schweinsteigers Schuss vor dem 0:1 muss er festhalten oder wenigstens zur Seite abwehren. Sein Herausstürmen beim 2:2 war einfach nur vogelwild. Es war zudem nicht die einzige Unsicherheit bei hohen Bällen.
Pfeife des Spiels: Benito Archundia (Mexiko). Hatte die Partie mit einigen kleinen Fehlern im Griff. Die frühen Gelben Karten gegen Aogo (Foulspiel, 4.) und Cacau (Handspiel, 7.) waren korrekt. Cavani stand allerdings nicht im Abseits (39.), Fuciles Rückpass auf Muslera hätte man ahnden können (62.).
Analyse: Das Spiel begann ohne Abtasten mit leichten Vorteilen für die deutsche Elf, die vor allem über die schwächere linke Seite angriff. Die Führung für das DFB-Team fiel glücklich, aber verdient. Danach gab die Löw-Elf das Spiel aber durch eigenes Verschulden aus der Hand. Viele Fehler im Spielaufbau drängten Uruguay quasi in die Partie.
Defensiv stand die linke Seite schlecht, dazu stimmte der Abstand zwischen defensivem Mittelfeld und Innenverteidigung oft nicht. So ließ das DFB-Team deutlich mehr Chancen zu, als man es aus dem bisherigen Turnierverlauf kannte. Die schlechten Platzverhältnisse und der Dauerregen taten ihr Übriges dazu. Einzig Butt hielt hinten ohne Fehl und Tadel.
Nach der Pause entwickelte sich ein offener Schlagabtausch - geprägt von vielen Fehlern. Die deutsche Defensive kam mit den vielen Positionswechseln von Forlan, Suarez und Cavani überhaupt nicht zurecht. Uruguay hatte hingegen die meisten Probleme, wenn Khedira oder Schweinsteiger mit in die Spitze gingen und so Überzahl schafften.
Auf der rechten Seite bekam Müller allerdings viel zu wenig Unterstützung von Boateng und hing so in der Luft. Kam er mal an den Ball, war er jedoch deutlich aktiver als Özil, dem im siebten WM-Spiel sichtlich die Puste ausging. So musste abermals ein Torwartfehler zum 2:2 herhalten.
Was man der DFB-Elf zu Gute halten muss: Sie wehrte sich nach Kräften und stemmte sich nach dem Rückstand vehement gegen die Niederlage. Das 3:2 zum Abschluss war der versöhnliche Abschluss einer guten WM.
Uruguay - Deutschland: Daten & Fakten zum Spiel