Portugal ballert sich Richtung Achtelfinale

Florian Bogner
21. Juni 201018:03
Raul Mereiles (l.) eröffnete nach 29 Minuten das portugiesische Schützenfest gegen NordkoreaGetty
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Portugal hat sich mit einem 7:0 (1:0)-Kantersieg über Außenseiter Nordkorea in der WM-Gruppe G eine perfekte Ausgangsposition fürs Achtelfinale erarbeitet und die Elfenbeinküste damit so gut wie nach Hause geschickt.

Vor 63.644 Zuschauern im Green Point Stadium in Kapstadt eröffnete Raul Mereiles das Schützenfest (29.). Nach der Pause trafen dann Simao (53.), Hugo Almeida (56.) und Tiago (60.) binnen sieben Minuten, der eingewechselte Liedson (81.), Cristiano Ronaldo (87.) und abermals Tiago (89.) schraubten das Ergebnis weiter in die Höhe.

Portugal hat vor dem abschließenden Gruppenspiel gegen den großen Bruder Brasilien nun neun Tore und drei Punkte Vorsprung vor der Elfenbeinküste, die nur noch ein Fußball-Wunder in die K.o.-Runde bringen kann. Für die Seleccao war es der höchste Sieg ihrer WM-Geschichte.

Nachbetrachtung:

Nach zwei Jahren Tristesse haben Portugals Kicker mal wieder gezeigt, aus welchem Holz sie geschnitzt sind. Trainer Carlos Queiroz war sich nicht zu schade, dafür System und Aufstellung umzukrempeln. Der Erfolg gibt ihm Recht: Die Offensive kombinierte im zweiten Durchgang wie aus einem Guss und deklassierte den Gegner.

Ein echter Gradmesser waren die total überforderten Nordkoreaner allerdings nicht. Erst im dritten Gruppenspiel gegen Brasilien wird sich zeigen, was dieser Sieg wert war. Pikant: Brasilien und Portugal können es nun unter sich ausmachen, wer im Achtelfinale gegen Europameister Spanien spielen will.

Reaktionen:

Carlos Queiroz (Trainer Portugal): "Meine Spieler haben wunderbaren Fußball gespielt und wunderbare Tore erzielt. Es war ein großartiger Tag für den portugiesischen Fußball. Jetzt konzentrieren wir uns auf das letzte Spiel, um den Achtelfinaleinzug perfekt zu machen - auch ein 7:0 bringt eben leider nicht mehr als drei Punkte, deshalb müssen wir weiter alles geben. Aber wir sind mit jedem Tor dem Achtelfinale ein Stück nähergekommen. Toreschießen bringt immer auch Selbstbewusstsein mit sich, dieser Sieg war eine große Motivation für den weiteren Turnierverlauf."

Jong-Hun Kim (Trainer Nordkorea): "Unsere Spieler haben sicher alles gegeben, aber sind taktisch auseinandergefallen. Mein Fehler war, das Team nicht richtig einzustellen. Die Balance zwischen Angriff und Abwehr war nicht gut, deshalb haben wir so viele Tore kassiert. Wir haben unser Ziel natürlich verfehlt. Wir können das Achtelfinale nicht mehr erreichen. Im letzten Spiel müssen wir unsere Strategie und Taktik überdenken."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Queiroz verändert Portugal auf vier Positionen und stellt von 4-2-3-1 auf 4-3-3 um: Den verletzten Deco ersetzt Tiago, Simao und Miguel spielen für Danny und Paulo Ferreira. Im Angriff beginnt der Bremer Hugo Almeida für Liedson.

Nordkorea mit derselben Elf, die Brasilien nur knapp mit 1:2 unterlag. Heißt: Trainer J.H. Kim setzt wieder auf ein defensives 5-3-1-1-System mit schnellen Außenverteidigern.

7.: Ecke Simao von rechts. M.G. Ri fliegt unter dem Ball durch, Carvalho köpft ans linke Lattenkreuz.

29., 1:0, Meireles: Tiago läuft von halbrechts auf die Abwehr auf und spielt im richtigen Moment einen Außenristpass in die Gasse zwischen K.C. Ri und J.I. Ri. Meireles läuft perfekt ein und schließt aus elf Metern trocken ab.

53., 2:0, Simao: Wunderbarer Spielzug der Portugiesen. Miguel schlägt den Ball von der rechten Seite an den Sechzehner. Meireles lässt den Ball mit der Brust auf Almeida abtropfen, der direkt zurücklegt. Meireles steckt den Ball zu Simao durch, der tunnelt M.G. Ri zum 2:0.

56., 3:0, Almeida: Coentrao wird einmal mehr auf der linken Seite in Richtung Grundlinie geschickt. Perfekte Flanke an den Fünfer, Almeida hält die Stirn hin - 3:0.

60., 4:0, Tiago: Ronaldo links ganz frei, zieht nach innen und legt dann klug an den Sechzehner zurück. Tiago schiebt den Ball unbedrängt ins rechte Eck.

81., 5:0, Liedson: Coentrao spielt den Ball von der linken Seite diagonal in den Sechzehner. K.C. Ri haut über den Ball, Liedson sagt aus vier Metern Danke.

87., 6:0, Ronaldo: Ronaldo erläuft einen Rückpass. M.G. Ri touchiert den Ball, der springt hoch und landet auf Ronaldos Kopf. Der ist kurz orientierungslos, schiebt die Pille dann aber ins leere Tor.

89., 7:0, Tiago: Coentrao flankt von links direkt auf den Kopf von Tiago, den den Ball aus sieben Metern rechts unten in den Kasten setzt.

Fazit: Portugal spielte in der zweiten Halbzeit wie im Rausch, Nordkorea fiel auseinander. Höchster WM-Sieg, seit Deutschland 2002 Saudi-Arabien 8:0 auseinander nahm.

Der Star des Spiels: Raul Meireles (SPOX-Note 1). Agierte zentral vor der Abwehr als Abfangjäger, Schaltstation und Ideengeber. Seine Antizipation beim 1:0 war klasse, sein Zuspiel auf Simao beim 2:0 eine Augenweide. Holte sich nach 70 Minuten den wohlverdienten Applaus ab und schonte sich ein bisschen für Brasilien.

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Die Gurke des Spiels: Myong-Guk Ri (SPOX-Note 6). Ließ fast jeden Ball fallen. Irgendwie an allen sieben Toren schuldlos, aber irgendwie auch immer unglücklich. Im ersten Spiel leitete er mit seinem Stellungfehler gegen Maicon die Pleite ein, auch diesmal war er weit von einem sicheren Rückhalt entfernt. Seine Strafraumbeherrschung: schlicht abenteuerlich.

Die Pfeife des Spiels: Pablo Pozo (Chile). Pfiff etwas kleinlich, insgesamt aber recht ordentlich. Einschränkung: Er und sein Team leisteten sich eine Fehlentscheidung gegen Y.J. Hong, den der Linienrichter im Abseits wähnte - Hong stand nicht drin und wurde zudem von Coentrao gefoult, was Elfmeter hätte geben müssen (28.). Im Gegenzug fiel das 1:0.

Analyse: Portugal begann im veränderten System deutlich offensiver als gegen die Elfenbeinküste, vor allem Ronaldo tat der Flügelwechsel sichtlich gut. Nach einer starken Anfangsphase hatte Nordkorea allerdings zwischenzeitlich Oberwasser - bis zum 1:0, das mehr oder weniger aus dem Nichts fiel.

Die Seleccao eroberte sich die Hoheit im Mittelfeld, wo Mereiles und Tiago unermüdlich antrieben. Das Fehlen von Deco merkte man der Queiroz-Elf eigentlich zu keiner Zeit an. Anders als noch im ersten Spiel wurden Angriffe schnörkellos nach vorne getragen und oft der Abschluss gesucht. Simao war dabei deutlich effektiver als Danny gegen die Ivorer.

Auch Almeidas Hereinnahme für Liedson machte sich bezahlt: Der Bremer diente als robuste Anspielstation, verteilte die Bälle klug und krönte seine gute Leistung mit einem Tor. Als die in der zweiten Halbzeit einseitige Partie zu einem Schützenfest ausartete, traf zudem auch Ronaldo erstmals seit 16 Monaten wieder für die Nationalmannschaft.

Die Asiaten bezahlten nach dem couragierten Auftritt gegen Brasilien diesmal brutales Lehrgeld. Eine halbe Stunde lang war Nordkorea auf Augenhöhe, dann setzte sich Portugals Klasse durch. Nach dem 0:2 brachen bei der Kim-Elf alle Dämme, weil die Abstände nicht mehr stimmten und die Abwehr schlicht auseinander brach.

Portugal - Nordkorea: Daten zum Spiel