Antonio Di Natale ist seit Jahren der beste Torschütze der Serie A. Der Udinese-Stürmer hat die vergangenen zwei Torjägerkronen in Italien gewonnen und führt auch jetzt wieder die Torschützenliste an. Die Geschichte eines Angreifers, der es mit 34 Jahren auf die erweiterte Liste der Wahl zum Weltfußballer des Jahres schaffte, obwohl er nie bei einem Topteam gespielt hat - und dafür jetzt mit zwei Legenden wie Zico und Gigi Riva verglichen wird.
Vor nicht allzu langer Zeit musste sich Antonio Di Natale sehr über sich selbst wundern. "Was ich in den letzten eineinhalb Jahren gemacht habe, ist nicht normal", erzählte der Udinese-Stürmer im Interview mit dem "Messaggero Veneto".Das war im März dieses Jahres. Udinese war das große Überraschungsteam in Italien und landete am Ende der Saison fast schon sensationell auf Rang vier.
Mehr noch als die Platzierung überraschte die Art und Weise, in der die Norditaliener unter Coach Francesco Guidolin nicht nur Fußball spielten, sondern beinahe zelebrierten. Völlig zu Recht bekam das Team den Übernamen "das Barca Italiens".
Udine ganz oben
Wie es Provinzteams so oft geht, musste Udine im Sommer für die starke Saison bluten. Gökhan Inler, Alexis Sanchez und Cristian Zapata verließen das beschauliche Udine, um in die große Fußballwelt zu ziehen.
Nicht wenige Experten prognostizierten dem Verein ein sehr schweres Jahr - zu wichtig war das Trio in der spektakulären vergangenen Saison für das Team.
In Udine hatten und haben sie damit kein Problem. "Wir werden weiterhin die Punkte auf die Tafel schreiben, die uns zum Klassenerhalt fehlen", sagte Guidolin am Dienstag.
Eigentlich kein besonderer Satz, wäre da nicht die Tabelle. Die sagt nämlich nach zehn absolvierten Spieltagen: Udinese, 21 Punkte, Platz eins.
Sensationelle Quote
Geblieben ist Antonio Di Natale. Und der mittlerweile 34-Jährige macht auch ohne seinen Regisseur Inler und kongenialen Sturmpartner Sanchez das, was er eben seit mittlerweile zwei Jahren ohne Pause macht: Tore schießen.
Mit 28 Treffern wurde er vergangene Saison Serie-A-Toptorjäger, im Jahr zuvor gewann er die Trophäe mit 29 Toren. Nach zehn Spielen hat er nun acht Tore auf seinem Konto - und liegt damit wieder auf Rang eins.
Es ist mittlerweile ein gewohntes Bild, Di Natale an der Spitze der Torschützenliste zu sehen.
Für Ex-Kollege Inler ist er ein "großartiger Stürmer", wie der Schweizer im SPOX-Interview bestätigte: "Toto ist technisch raffiniert, im Sechzehner kann er alles machen: links, rechts, er kann auch aus dem toten Winkel noch ein Tor machen."
Di Natale sagt: "60 und mehr Tore in etwas mehr als zwei Jahren sind in Italien nicht einmal Ronaldo und Ibrahimovic gelungen: das ehrt mich als Italiener - und ist für mich, wie zwei WM-Titel gewonnen zu haben."
Serie-A-Debüt erst mit 25 Jahren
Er ist ein Spätstarter. Erst im Alter von 25 Jahren debütierte er für Empoli in der Serie A - seither hat er 138 Tore in 297 Spielen in Italiens Topliga erzielt.
"Schade, dass er erst so spät den 'Beruf' gewechselt hat. Ein Di Natale, der immer schon als Mittelstürmer gespielt hätte, hätte die 200-Tore-Marke in der Serie A durchbrochen", sagte sein Coach Francesco Guidolin erst kürzlich der "Gazzetta dello Sport".
Jetzt, im Alter von 34 Jahren, wurde ihm auch die Ehre zuteil, Teil der 50er-Liste der Vorauswahl zum Weltfußballer zu sein. Eine Ehre, die einem "Ausnahmespieler von Weltformat" (Guidolin im SPOX-Interview) auch zusteht.
Di Natale hat seinen eigenen Kaffe Totó
Di Natale fühlt sich in Udine mehr als nur wohl, der gebürtige Neapolitaner ist im beschaulichen Friaul angekommen. "Ich bin jetzt seit acht Jahren in Udine, hier bin ich zuhause. Ich habe meine Fußballschule und eine Kaffeerösterei. Ich liebe die ruhigen Orte", sagt er. Seine Rösterei produziert den Kaffee Totó - benannt nach seinem Spitznamen.
Wegen seiner tiefen Verbundenheit zu Udine ließ er vergangenen Sommer ein konkretes Angebot von Juve sausen. "Ich habe meinem Präsidenten Giampaolo Pozzo versprochen, dass ich meine Karriere hier beenden werde - und für mich zählt das gegebene Wort mehr als eine Unterschrift unter einen Vertrag", erklärte Di Natale seine Absage an die Turiner.
Es sind auch diese Geschichten, die aus Di Natale viel, viel mehr, als nur einen erfolgreichen Torschützen für Udine gemacht haben. Toto hat es mittlerweile so weit gebracht, dass er von seinem Präsidenten auf eine Stufe mit Zico gestellt wird.
"Ich weiß nicht, wer der bessere der beiden ist. Di Natale wird technisch von Jahr zu Jahr stärker", sagte Präsident Pozzo im Januar. Zico, der "weiße Pele", hatte zwischen 1983 und 1985 für Udinese gespielt und den Friaul mit 57 Toren verzaubert.
Auf Rivas Spuren
Auch Guidolin sieht Di Natale auf einem legendären Weg: "Er wird für Udinese das werden, was Gigi Riva für Cagliari ist. Ein Champion auf und abseits des Platzes, der auch mit 40 Jahren noch spielentscheidend sein kann."
Ein schöneres Kompliment kann man in Italien kaum bekommen. Gigi Riva, der heutige Teammanager der Nationalmannschaft, ist eine lebende Legende des italienischen Fußballs - und das nicht nur, weil er die ewige Torschützenliste der Azzurri anführt.
Sondern auch, weil er seine komplette Karriere bei Cagliari verbracht hat - obwohl ihn die italienischen Topteams Jahr für Jahr verpflichten wollten.
Prandelli macht Di Natale Hoffnung
Di Natale also auf Rivas Spuren. Und wer weiß, vielleicht sind die beiden kommenden Sommer ja zusammen unterwegs. In Polen und der Ukraine. Nationaltrainer Cesare Prandelli hat Di Natale auf dem Zettel - und das nicht nur weil fraglich ist, ob die ebenfalls quirligen Giuseppe Rossi und Antonio Cassano bis zur EM fit sein werden.
Vergangene Woche sagte Prandelli: "Antonio ist ein außergewöhnlicher Spieler. Wenn er im April wieder über 20 Tore auf seinem Konto hat, werden wir ihn in Betracht für die EM ziehen. Ich kenne ihn gut und muss ihn nicht testen, denn er hat große internationale Erfahrung und kann sich auf der Stelle in das Team einfügen."
Das ist Antonio Di Natale