Borussia Dortmunds Trainer Jürgen Klopp hat auf den vier Mittelfeldpositionen die Qual der Wahl. Dabei steht nicht nur die Suche nach einem Nachfolger für Nuri Sahin im Fokus. Auch im Kampf um die restlichen Planstellen ist der Konkurrenzkampf in vollem Gange. Ein Überblick.
Über zwei Monate ist es nun her, dass Nuri Sahin seinen Abgang von Borussia Dortmund verkündete.
An jenem 9. Mai stellte sich auch automatisch die Frage, wie die Borussia ihr Mittelfeld-Herzstück ersetzen wird. Der Transfer von Ilkay Gündogan war die logische Reaktion. Trainer Jürgen Klopp hört allerdings nicht auf zu betonen, dass die gesamte Mannschaft den Verlust des künftigen Madrilenen auffangen muss.
Borussia Dortmund in der Sommerpause 2011/12
Wie das Borussen-Mittelfeld - nicht nur was die Doppelsechs angeht - aussehen wird, ist derzeit noch völlig offen. Im bevorzugten 4-2-3-1-System sind fünf Plätze an nicht weniger als zwölf Kandidaten zu vergeben. Der Konkurrenzkampf ist in vollem Gange. Sehr zur Freude von Klopp, der in seiner Dortmunder Anfangszeit mangels Alternativen des Öfteren auch schon den einen oder anderen leicht angeschlagenen Akteur von Spiel zu Spiel durchschleppen musste. Nun offenbart sich ihm ein gut gefülltes Arsenal an unterschiedlichen Spielertypen, auch wenn er bislang nicht in den Ruf geriet, das Altbewährte allzu üppig zu verändern.
"Wir sind überall doppelt besetzt - das wollten wir auch so. Ich habe mir noch keine Gedanken gemacht, wer spielt. Jeder muss sich neu qualifizieren. Das haben die Jungs selbst in der Hand. Wir spielen in drei Wettbewerben. Da brauchen wir viele Spieler. Jeder bekommt eine Chance. Ich nehme die, mit denen wir die besten Erfolgsaussichten haben", sagt Klopp.
Die gute Stimmung im Team wird von der erhöhten Drucksituation allerdings kaum unterwandert. Die Neuzugänge wurden vernünftig integriert und machen schon erste Späßchen mit. Die Spieler betonen zudem unisono, dass der größere Konkurrenzkampf notwendig sei, um die künftigen Belastungen wegstecken und auf alle Eventualitäten reagieren zu können.
Ein Überblick über die einzelnen Positionen mit jeweiligem Kandidatenkreis:
Doppelsechs
Kandidaten: Sven Bender, Ilkay Gündogan, Sebastian Kehl, Antonio da Silva
Die defensive Mittelfeldformation war in der Vorsaison die Sahne auf dem BVB-Kuchen. Bender und Sahin verstanden sich blind. Erstgenannter sicherte ab und lief Löcher zu wo es nur ging, Letzterer strukturierte das Spiel übersichtlich und intelligent aus der Zentrale heraus.
Klopp muss nun ein Äquivalent für Sahin, einen neuen Taktgeber finden. Gündogan, der sich langsam von den Spätfolgen eines im vergangenen Winter zugezogenen Haarrisses im linken Fuß erholt, wäre aufgrund seiner technischen Fähigkeiten und erstaunlichen Abgeklärtheit der logische Nachfolger. In Nürnberg zeigte er offensiv wie defensiv kaum Qualitätsunterschiede und stellte das Gleichgewicht im Spiel sicher. Ein Spielertyp, der somit wie Sahin gut zu Bender passen dürfte. Allerdings muss Gündogan das laufintensive Arbeiten gegen den Ball noch mehr verinnerlichen, um ein passendes Gegengewicht zum defensivstarken Bender darzustellen.
Der Nationalspieler hat seinen Platz dagegen bombensicher. Das geht schon allein aus Klopps Lobeshymnen aus der Vorsaison hervor ("Wir können jeden ersetzen, aber Manni nicht"), an denen sich nichts geändert haben dürfte.
Kapitän Kehl befindet sich dagegen mal wieder in der Phase der Hoffnung. Er nimmt am Mannschaftstraining teil, wirkt spritzig, geht engagiert zu Werke und gibt lautstark Kommandos. "Wenn ich fit bin, stand ich in der Vergangenheit immer auf dem Platz. Als Kapitän ist das auch in der neuen Saison mein Ziel", sagt er selbstbewusst.
Sein Problem: Er passt so gar nicht zum gesetzten Bender, da sich beide Spieler zu sehr ähneln. Der offensive Part der Doppelsechs kommt und kam für ihn im Grunde nie in Frage. Sein Standing im Team hat sich während seiner Verletzungsmisere zwar kaum geändert, doch Klopps Mannschaft zeichnet sich längst durch eine flache Hierarchie aus, in der die Verantwortung auf viele Schultern verteilt ist. Kehls Einsatzzeiten dürften allerdings steigen, wenn sich Bender weiterhin so verletzungsanfällig zeigt.
Da Silvas Rolle bleibt dagegen dieselbe wie im Vorjahr. Aufgrund der vielen Optionen auf dieser Position ist sogar davon auszugehen, dass seine Einsatzzeiten die der vergangenen Saison nicht überschreiten werden.
Etwas überraschend tauchte in den bisherigen Testspielen der junge Moritz Leitner auf der Doppelsechs auf, agierte zwei Halbzeiten neben Bender, eine neben Kehl und eine neben Gündogan. Dabei offenbarte er eine gute Ballkontrolle und zeichnete sich dank seiner technischen Fähigkeiten auch durch eine gewisse Unbeschwertheit aus. Körperlich muss der 18-Jährige, der auch schon links im Mittelfeld ran durfte, allerdings noch deutlich robuster werden.
Auch bei Ivan Perisic ging man davon aus, dass er eine Option für die offensive Sechs darstellen könnte. Bislang wurde der Kroate allerdings nur links, rechts und zentral aufgeboten.
Zu diesem Kandidatenkreis stoßen zudem noch Mario Götze und Mats Hummels. Beide agierten bereits in der Vergangenheit einige Male im defensiven Mittelfeld, sind aber an anderer Stelle deutlich besser aufgehoben und gelten bestenfalls als Notnagel.
In den Testspielen ließ sich Klopp bislang nicht in die Karten schauen und experimentierte bei gleicher Einsatzdauer mit den unterschiedlichsten Sechser-Konstellationen von Halbzeit zu Halbzeit.
Außenpositionen: Großkreutz auf links, Götze auf rechts?
Offensives Mittelfeld: Die Rückkehr von Kagawa
Linkes Mittelfeld
Kandidaten: Kevin Großkreutz, Ivan Perisic, Moritz Leitner, Mario Götze, Shinji Kagawa
Vom 14. Spieltag der Saison 2009/2010 bis zum 13. Spieltag der Vorsaison stand Großkreutz 34 Mal in Serie in der Startformation - in den meisten Fällen links im Mittelfeld. Der gebürtige Dortmunder überzeugte vor allem durch eine enorme Laufleistung und die gute Abstimmung mit Linksverteidiger Marcel Schmelzer. Neben Kagawa und Lewandowski war Großkreutz im Meisterjahr mit acht Toren zudem zweitbester Dortmunder Schütze.
Doch auch der teuerste Neuzugang seit 2002, Ivan Perisic, brillierte im Vorjahr beim FC Brügge größtenteils auf genau dieser Position und traf starke 22 Mal. Angesichts der Tatsache, dass Klopp mit Perisic bislang kein Experiment auf der offensiven Sechs wagte, dürfte er zuvorderst Großkreutz' Konkurrent sein.
"Kampflos werde ich meinen Platz sicher nicht räumen", kündigte dieser bereits an. Ein Dauerreservist Großkreutz ist wohl auch für die Anhänger nur schwer vermittelbar.
Dass Großkreutz einen Vorsprung hat, zeigen die Testspiele deutlich: Dort durfte er ausnahmslos auf seiner angestammten Position ran, nur gegen Zürich half er als Rechtsverteidiger aus. Perisic dagegen kam auf allen drei offensiven Mittelfeldpositionen zum Einsatz. Sein Vorteil: Er ist variabler einsetzbar als Großkreutz. In der Vergangenheit agierte der beidfüßige Kroate bereits mehrfach rechts oder wie in seinem ersten Jahr in Belgien auf der 10.
Moritz Leitner im Interview: "Ich will Mario Götzes Körper"
Wenn man Training und Spiel beobachtet, ist offensichtlich, dass Perisic noch an der Gewöhnung an seinen neuen Arbeitgeber zu knabbern hat. An die intensiven Einheiten und die hohe Laufbereitschaft muss er sich erst gewöhnen. "Ich habe gewusst, dass es hart werden würde, härter als in Belgien. Aber so hart - so hart habe ich noch nie zuvor trainiert", zog er ein erstes Zwischenfazit.
Auch Leitner stellt eine Alternative auf links dar, obwohl der Rückkehrer aus Augsburg betont, sich in zentraler Position wohler zu fühlen.
Weitere Optionen auf dieser Position sind Kagawa und Götze, die dort allerdings nur bei einem durch Verletzungen oder Sperren hervorgerufenen Engpass als Varianten gelten.
Rechtes Mittelfeld
Kandidaten: Mario Götze, Jakub Błaszczykowski, Kevin Großkreutz, Ivan Perisic, Moritz Leitner
Vier Spielzeiten lang war die rechte Mittelfeldseite mehr oder weniger fest an Kuba vergeben. Doch der Pole, der sich regelmäßig mit kleineren Blessuren herumschlägt, stagniert weiter in seiner Entwicklung: Błaszczykowski trifft zu selten ins Tor und macht viel zu wenig aus seiner enormen Schnelligkeit.
Der Grund für seine nur 15 Startelfeinsätze im Meisterjahr hat einen Namen: Mario Götze. Aus dem Nichts kommend hat er Kuba zum Reservisten degradiert, der nur auf Einsätze hoffen konnte, wenn Götze als Ersatz für den verletzten Kagawa in die Zentrale rückte.
An dieser Konstellation wird sich wohl nichts ändern, dafür weist der technisch nahezu perfekte sowie pfeilschnelle Götze einfach eine viel zu hohe individuelle Qualität auf. Kubas Nachteil ist zudem, dass er sich ausnahmslos auf dem rechten Flügel wohlfühlt und damit bei weitem nicht so flexibel ist wie seine Konkurrenten.
"Der Konkurrenzkampf ist größer geworden", sagt Götze lapidar. Er wird wissen, dass er seinen Platz so gut wie sicher hat.
Da man davon ausgehen kann, dass Großkreutz auf links vorerst die Nase vor Perisic haben wird, dürfte auch der Kroate eine neue Bedrohung für Kuba werden. Der Neuzugang zeigte in Belgien, wie torgefährlich er sein kann. Dass er im Zweikampf robuster als der Pole ist, muss er allerdings noch unterstreichen. Kuba weiß dagegen um seine brenzlige Situation und zeigt durch sein tadelloses Engagement im Training, dass man ihn noch nicht abschreiben sollte.
Neben diesen drei Akteuren hat Klopp zudem noch Großkreutz und Leitner in der Hinterhand. Kam Großkreutz dort in der Vergangenheit zum Einsatz, konnte er allerdings fast nie wirklich überzeugen.
Doppelsechs: Bender such den Sahin-Nachfolger
Offensives Mittelfeld: Die Rückkehr von Kagawa
Offensives Mittelfeld
Kandidaten: Shinji Kagawa, Mario Götze, Robert Lewandowski, Mohamed Zidan
Im Vorjahr war die Zehnerposition bis zu seiner Verletzung fest an Kagawa vergeben. In der Folge wurde er von Götze oder Lewandowski vertreten.
Nun ist Kagawa, den Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke als Neuzugang anpries, zurück im Geschäft und zeigte in der Vorbereitung bereits, warum Watzke urteilte, dass man mit dem Japaner in der vergangenen Rückrunde mehr Tore geschossen hätte.
Kagawa präsentiert sich trotz der hohen Trainingsintensität in absoluter Spielfreude. Die lange Pause nach dem Mittelfußbruch merkt man ihm kaum an, er wirkt nach den Einheiten weniger geschlaucht als seine Mitstreiter. Der Grund: "Ich habe in der Heimat einen eigenen Fitnesstrainer engagiert und richtig hart gearbeitet", berichtet er.
Laut eigener Aussage fühlt sich auch Götze als Spielmacher am besten aufgehoben, doch sein größter Nachteil gegenüber Kagawa ist seine Torungefährlichkeit. Dass an Kagawa kein Vorbeikommen möglich ist, belegen auch die Eindrücke aus den Testspielen. Dort durfte der 22-Jährige ausschließlich auf der 10 ran, trat dynamisch auf und zeigte den Zug zum Tor, der ihn in der Vorrunde zum torgefährlichsten Mittelfeldspieler der Liga machte.
Aufgrund der Abwesenheit von Lucas Barrios (Copa America) sind Lewandowski und Zidan aktuell einzig als Stürmer eingeplant. Daran wird sich wohl auch nach der Rückkehr des paraguayischen Nationalspielers nichts ändern, da dem BVB keine weiteren Angreifer zur Verfügung stehen.
Um Zidan, der im Meisterjahr nach Kreuzbandriss nur auf 97 Einsatzminuten kam, kursieren Wechselgerüchte. Doch der Ägypter hängt sich im Training ordentlich rein und wirkt voll konzentriert.
"Was ich vor meiner Verletzung geleistet habe, war genug, um jetzt eine faire Chance zu bekommen", sagt er, schiebt aber nach: "Ich will spielen. Ich habe dem Klub viel zu verdanken, aber ich muss schauen, wie es aussieht."
Sollten alle fit sein, sind seine Aussichten düster. Lewandowski hat sich im Sturmzentrum bislang einen klaren Vorteil erarbeitet und dürfte zum Saisonstart Nachzügler Barrios ersetzen, die Mittelfeldzentrale ist an Kagawa vergeben.
Doppelsechs: Bender such den Sahin-Nachfolger
Außenpositionen: Großkreutz auf links, Götze auf rechts?
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