Die "Initiative Borussia" will Borussia Mönchengladbach revolutionieren. Der neue Weg soll neue Strukturen, mehr Mitspracherecht und sportlichen Erfolg bringen. Doch das Vorhaben stößt nicht überall auf Gegenliebe. In Vergessenheit gerät da fast die prekäre sportliche Situation. SPOX beantwortet vor dem Auswärtsspiel beim SC Freiburg (Sonntag, 15.15 Uhr im LIVE-TICKER) die drei brennenden Fragen zur Borussia.
Was ist die "Initiative Borussia"?
Der erste Eindruck ist durchaus positiv: Wichtige Figuren aus der Region, die offenbar mit Herz und Seele an der Borussia hängen und in der Vergangenheit bewiesen haben, etwas auf die Beine stellen zu können, schließen sich zusammen, um den kriselnden Klub in höhere Sphären zu führen.
Auch die Ideen sind dem Fußball-Fan nicht unsympathisch: Mehr Macht für die Mitglieder, Fan-Vertreter im Aufsichtsrat, der aber noch gegründet werden muss, und neue Strukturen, die geschaffen werden sollen, unter anderem mit drei hauptamtlichen Geschäftsführern, die das operative Geschäft der Borussia leiten würden. Auch die Vergleiche mit dem FC Bayern, der mit den von der Initiative geforderten Methoden zum Branchenprimus aufgestiegen ist, dürfen nicht fehlen.
"Borussia soll aufgestellt sein wie die Top-Klubs der Liga", lautet eine Forderung auf der Webseite der Initiative.
Dennoch wirft der Vorstoß der Initiative, die von Norbert Kox (Aufsichtsrat der Postbank-Versicherungen), Friedhelm Plogmann (ehemaliger Landesbank-Chef) und Martin Schmuck (ehem. ZDF-Studioleiter in NRW) angeführt wird, Fragen auf. Insbesondere der Zeitpunkt des Vorstoßes lässt Spielraum für den Verdacht des Populismus. Dieser wird genährt von Vorschlägen wie der von Kox: Er habe dem Gladbacher Präsidium vorgeschlagen, Bremens Klaus Allofs als Sportchef zu holen.
Die Borussia ist Bundesliga-Schlusslicht und sucht händeringend nach einem Ausweg. Dass genau jetzt eine Revolution bei der Borussia angestrebt wird, sorgt für Zweifel. Nach Informationen der "Rheinischen Post" steigt die Unterstützung aus der Region, aber der öffentlichkeitswirksame Vorstoß sorgt auch für viel Kritik.
Sowohl bei den Fans, als auch Ehemaligen: Gladbachs früherer Präsident Wilfried Jacobs hält das Vorhaben sogar für "absolut tödlich". Vor allem, dass Mitglieder künftig den Präsidenten direkt wählen sollen. Die Vorschläge zur Satzungsänderung wurden dennoch eingereicht. Bei der Mitgliederversammlung, die möglicherweise im Mai 2011 stattfinden wird, werden die Mitglieder über die Anträge der Initiatoren abstimmen.
Frage: Was halten die Fans von der "Initiative Borussia?"
Frage: Wie geht es sportlich weiter?
Was halten die Fans von der "Initiative Borussia?"
Initiativen sind für die Borussia kein Neuland. Schon 2007 und 2009 beantragte Michael Weigand als Vorsitzender des Fanklubs "Preußen93" zwei Mal Satzungsänderungen. 2009 brachte er die erste Satzungsänderung durch, wonach die Mitglieder alle Aufsichtsratmitglieder wählen dürfen.
mySPOX-Blog zur Initiative Borussia: Beine statt Steine
Gemeinsam mit acht anderen Gladbacher Fans arbeitet CDU-Politiker Weigand heute eng mit der Vereinsführung zusammen. So gelang es ihm durchzusetzen, dass ab 2012 erstmals ein Fanvertreter in den Aufsichtsrat der Borussia gewählt werden darf. Die "Initiative Borussia" sieht Weigand im Gespräch mit SPOX kritisch. Große Teile der Ideen bezeichnet Weigand als "kopiert", teilweise seien auf der Webseite der Initiative sogar Ideen der Preußen93 im selben Wortlaut bis hin zur selben Schriftart wiedergegeben. spox
Weigand sieht hinter der Initiative sogar persönliche Interessen: "Drei hauptamtliche Geschäftsführer, drei Initiatoren - man muss nicht Mathe studiert zu haben, damit einem etwas auffällt." Trotz der Kritik, die auf die Initiative prasselt, befürchtet Weigand, dass die Satzungsänderungen im nächsten Jahr durchgewinkt werden könnten, weil mehr Macht jedem Mitglied schmeichle und die Hintergründe untergehen würden.
Bis dahin wollen Weigand und einige andere Fangruppierungen gegen die Initiative mobilisieren. Weigand hat angekündigt, dass er definitiv gegen die Initiative arbeiten werde, zur Not auch noch am Tag der Entscheidung auf der Mitgliederversammlung. Fangruppen, unter anderem die Ultras, hätten für die verbleibenden beiden Spiele vor der Winterpause schon Proteste geplant, was genau geplant ist, weiß Weigand jedoch nicht. Auch die Ultras wollen sich offenbar bald erklären. In einer Sache sind sich Initiatoren und Fans einig. Weigand: "Wir befinden uns seit 13 Jahren in einer Dauerkrise."
Frage: Was ist die "Initiative Borussia"?
Frage: Wie geht es sportlich weiter?
Wie geht es sportlich weiter?
Im Schatten des Kampfes um Macht und Satzungen sucht die Borussia Auswege aus der Krise. Die Situation ist bei nur zehn Punkten aus 15 Spielen gefährlich, aber nach Ansicht der Verantwortlichen nicht aussichtslos: "Sollen wir uns nach dem 15. Spieltag schon mit dem Abstieg beschäftigen?", fragt Sportdirektor Max Eberl. Die blanken Zahlen sprechen aber nicht für eine baldige Rettung.
Gladbach holte nur einen Sieg aus den letzten 13 Spielen. Mit 42 Gegentoren ist die Borussia nicht nur die Schießbude der Bundesliga: In Deutschland, inklusive Regionalligen, sowie in den internationalen Top-Ligen wie Spanien, Italien, England und Frankreich bekam kein Team mehr Tore eingeschenkt als die Fohlen. Das große Verletzungspech wird als Hauptgrund für die Krise angeführt. "In 15 Spielen haben wir zwölf Mal mit einer anderen Abwehr spielen müssen", hält Vizepräsident Rainer Bonhof fest. "Wir kassieren zu viele Gegentreffer, das wissen wir und das müssen wir dringend verbessern", sagt auch Filip Daems. Dass in Freiburg Roel Brouwers wohl sein Comeback geben kann, ist immerhin ein Hoffnungsschimmer.
Zumal die Fohlen fast jede Woche gute Ansätze zeigen. In den letzten fünf Spielen ging Gladbach jedes Mal mit 1:0 in Front, gewann aber dabei nur ein Spiel. "Wir müssen eine Führung auch mal verwalten", sagt Daems. Verletzungspech oder Disziplinlosigkeiten, wie beispielsweise Raul Bobadilla, der nach seinem Ausraster gegen Hannover 96 für fünf Spiele gesperrt wurde, sorgen zusätzlich für Rückschläge.
Bemerkenswert ruhig darf Trainer Michael Frontzeck trotz der prekären Situation weiterarbeiten. "Wir beteiligen uns nicht daran, nur weil dieses Spielchen so schön in die Landschaft passt. Wir sehen, dass er die Mannschaft erreicht, dass sie ihm folgt", sagt Bonhof, der Hannover 96 und Mirko Slomka als Vorbild sieht: "Man hat dort die Nerven behalten. Das zahlt sich jetzt aus." Auf Kontinuität setzt auch Eberl: "Wir sind überzeugt von Michael Frontzeck und es müsste schon viel passieren, damit diese Überzeugung nicht mehr da ist."
Unterstützung erfährt Frontzeck auch von der Fanbasis. Keine Rücktrittsforderungen, keine Pfiffe gegen den Trainer, weil Frontzecks Art bei den Anhängern ankommt. Auch die Spieler unterstützen ihren Coach. "Ich bin überzeugt, dass die Mannschaft voll hinter dem Trainer steht. Was kann der Trainer für die Rote Karte oder die zwei Gegentore kurz hintereinander?", sagte Daems nach dem 1:2 gegen Hannover.
Dennoch könnten trotz aller Treuebekundungen die Mechanismen auch in Gladbach greifen, sollte der Umschwung nicht bald eintreten. In den letzten drei Pflichtspielen in Freiburg und gegen Hamburg in der Bundesliga sowie bei 1899 Hoffenheim im DFB-Pokal kann Gladbach die Basis für die Rückrunde legen. Dann wohl auch mit neuen Kräften. Den Transfermarkt sondieren die Verantwortlichen bereits.
In den letzten Jahren wurden im Winter entscheidende Impulse gesetzt, indem Spieler wie Dante, Logan Bailly oder Tomas Galasek geholt wurden. "Wir machen uns darüber Gedanken", sagt Eberl über mögliche Wintertransfers. Hasan Salihamidzic wird ebenso gehandelt wie Hoffenheims Christian Eichner. Sollte auch nach der Rückrunde keine Besserung eintreten, schlägt möglicherweise die Stunde der Aufständischen.