Nach 40 Toren in 21 Spielen wechselte Bradley Fink im Sommer 2019 vom FC Luzern zur U17 von Borussia Dortmund. Der Transfer des 17-Jährigen geriet in der Schweiz zu einer Art Politikum. Beim BVB läuft es für Fink bislang ausgezeichnet - in der nächsten Saison wird er für die U19 stürmen.
Dass es die Initiative von Borussia Dortmund war, bei der DFL den Antrag auf Herabsetzung des Mindestalters für Spieler in der 1. und 2. Bundesliga zu stellen, verwundert nicht. Künftig, das entschied die Liga Anfang April, dürfen junge Talente bereits mit Vollendung des 16. statt 18. Lebensjahres im Oberhaus kicken. Klar, dass einem da vor allem Youssoufa Moukoko in den Sinn kommt.
Der Nachwuchsstürmer des BVB erreicht die neue Altersgrenze am 20. November dieses Jahres und wenn er so weitermacht wie bisher, wird er bis dahin auch die 150-Tore-Marke geknackt haben. Seit er für die U17 spielt, steht der 15-Jährige bei 128 Treffern und 26 Assists in 84 Pflichtspielen.
Ob man Moukoko Ende des Jahres dann auch im Dortmunder Profiteam auflaufen sieht, lässt sich nicht nur aufgrund der Coronakrise noch nicht präzise beantworten. Als sicher gilt, dass es nicht mehr lange dauert, bis der Angreifer seine ersten Trainingseinheiten bei der schwarz-gelben Elite absolvieren wird. Dass die Borussia nicht lange zögert, wenn solche Jungspunde das entspreche Talent mitbringen, zeigte sich zuletzt am 17-jährigen Giovanni Reyna - und hat ihr europaweit einen exzellenten Ruf eingebracht.
Bradley Fink: Mit 40 Toren in 21 Spielen zum BVB
Diesem erlag im vergangenen Sommer auch Bradley Fink. Von der U16 des FC Luzern wechselte der bereits 1,91 Meter große Stürmer mit Schweizer und englischem Pass in die U17 des BVB. Knapp 190.000 Euro mussten die Westfalen als Ausbildungsentschädigung für den 17-Jährigen berappen.
Fink, den alle nur Brad nennen, machte in der Schweiz mit Moukoko-ähnlichen Zahlen auf sich aufmerksam. Nach 40 Toren in 21 Spielen verabschiedete er sich als Doublesieger aus Luzern, ein Jahr zuvor holte er beide Titel bereits mit der U15. Beim FCL wurde Fink auch schon viermal in der U18 eingesetzt - und erzielte dabei drei Tore. Bei der Schweizer U17-Nationalelf stehen sieben Tore in sieben Begegnungen zu Buche. Sportartikelhersteller Puma, passenderweise Trikotsponsor des BVB, übergab U16-Torschützenkönig Fink bereits einen Goldenen Schuh, auch ein Werbevideo für einen neuen Schuh wurde im Sommer 2018 schon mit ihm gedreht.
Der mögliche Moukoko-Nachfolger für die Dortmunder U19 steht also bereits parat, wie Finks aktueller U17-Trainer Sebastian Geppert gegenüber SPOX und Goal bestätigt: "Brad wird im Sommer für die U19 des BVB spielen. Er ist auf einem guten Weg." Dem Hype um Moukoko steht Fink jedenfalls kaum in etwas nach. Auch er wird seit Jahren wahlweise als Supertalent oder Wunderkind bezeichnet, die Luzerner Zeitung verglich seine Spielweise bereits mit der von Tottenhams Harry Kane.
Der Wechsel von Fink wurde zum Politikum in der Schweiz
So verwundert es nicht, dass Finks Transfer nach Deutschland im vergangenen Jahr zu einer Art Politikum in der Schweiz wurde. Nicht nur in Luzern, wo er nach seinem Wechsel vom SC Cham als Neunjähriger seit der E-Jugend spielte, wurde wenig Verständnis dafür aufgebracht, weshalb sich das Talent bereits zu diesem Zeitpunkt vom Acker machte. "Wir haben Bradley stets den nächsten Schritt in die erste Mannschaft aufgezeigt und eine entsprechende Karriereplanung vorgenommen. Doch die Geduld ging offensichtlich verloren", echauffierte sich FCL-Nachwuchschef Genesio Colatrella.
Colatrella berief sich dazu auf eine vom Schweizer Fußballverband erhobene Statistik, wonach von den letzten 86 Spielern, die in der Schweizer A-Nationalmannschaft mindestens zwei Einsätze absolvierten, nur Johan Djourou und Diego Benaglio bereits im Juniorenalter ins Ausland wechselten. "Es ist für die Karriereplanung eines großen Talents sinnvoll, mindestens in der Challenge League (2. Schweizer Liga, Anm. d. Red.) gespielt zu haben, bevor man den Sprung ins Ausland wagt. Das verstehe ich unter seriöser Karriereplanung. Die Deutschen schielen seit einiger Zeit in die Schweiz, um zu schauen, wie wir mit dem Nachwuchs arbeiten. Deshalb weiß ich nicht, ob man es dort wirklich besser macht", sagte Colatrella.
Ein Dorn im Auge des heutigen Co-Trainers des FCL war auch das Verhalten des BVB: "Wir versuchten die Verantwortlichen von Dortmund zu kontaktieren, haben aber nie eine Antwort erhalten." Dass die sich jedoch direkt an das Umfeld des Spielers wandten, lag in dessen Vertragslosigkeit begründet. "Wir hatten Anfragen von 16 weiteren Vereinen, die ebenfalls den direkten Weg über uns oder unseren Berater wählten", sagte Bradleys Vater Thomas Fink dem Schweizer Portal Zentralplus.
Dreijähriger Ausbildungsvertrag für Fink beim BVB
Senior Fink sah sich angesichts der hohen Wellen, die die Zusage an den BVB schlug, offenbar gezwungen, unmittelbar nach Verkündung des Wechsels Stellung zu den Vorwürfen zu beziehen. "Der FCL hat uns den Plan, dass Bradley ab dem 17. Juni mit der 1. Mannschaft hätte trainieren sollen, im Juni erläutert, als der Entscheid zu Gunsten von Dortmund bereits gefallen war. Der uns während der Entscheidungsphase vorliegende Zeit- und Entwicklungsplan des FCL sah Trainings mit der 1. Mannschaft in diesem Sommer nicht vor", sagte der Vater.
Das Hauptaugenmerk habe ohnehin nicht darauf gelegen, dem Junior baldmöglichst Profifußball zu garantieren. "Wir bevorzugen, dass sich Bradley noch mindestens zwei Jahre im Nachwuchs den Feinschliff holt und an Details arbeitet. Wir wollten einen Verein, der auf den Nachwuchs baut, um nicht zu sagen, von erfolgreicher Nachwuchsarbeit abhängig ist. Außerdem wollten wir, dass sein Verein ein 'Projekt Bradley Fink' vorstellte und nicht vier, fünf Talente in seiner Position unter Vertrag nimmt, von denen es dann einer schafft und der Rest bleibt mehr oder weniger auf der Strecke", erläuterte Thomas Fink.
Dass sich unter diesen Bedingungen am Ende der BVB gegen namhafte europäische Konkurrenten durchsetzte, ist spätestens seit der Erfolgsgeschichte von Christian Pulisic und den vielen weiteren Nachweisen, bei denen die Borussia junge Spieler an den Profifußball heranführte, keine allzu große Überraschung mehr. Über 15-mal wurde Fink von den Schwarzgelben live beobachtet, ehe er im Februar 2019 auf dem Trainingsgelände vorstellig wurde und drei Monate später einen Ausbildungsvertrag über drei Jahre unterschrieb.
Bradley Fink in der U17 des BVB: Zwölf Tore in 18 Spielen
Blickt man auf den aktuellen Zwischenstand des 'Projekts Bradley Fink', dürften alle Beteiligten mit der Entwicklung zufrieden sein. Zwölf Tore und vier Vorlagen in 18 Spielen der U17-Bundesliga West gelangen dem klassischen Mittelstürmer - eine rar gewordene Spezies und deshalb ein weiterer Grund, weshalb Fink so begehrt war.
Seine auffälligsten Stärken sind freilich der Torriecher und die physische Konstitution. "Er ist technisch versiert, kann Bälle festmachen, aber auch schnell weiterleiten. Er sucht immer wieder den direkten Weg zum Strafraum und kann mit beiden Füßen abschließen. Auch gegen den Ball arbeitet er aggressiv mit", sagt Geppert. Zu Beginn waren für Fink das höhere Tempo und die Intensität noch ungewohnt: "Während der ersten drei bis vier Trainings bin ich schon etwas erschrocken, aber dann konnte ich mich doch recht rasch daran gewöhnen", sagte er.
Das sah man bereits beim renommiertem U17-Bundesliga-Cup im Juli, als Fink mit drei Treffern zum Torschützenkönig avancierte - wenn auch gemeinsam mit zwei anderen Spielern und erst nach Losentscheid. Auch im Ligaalltag läuft es unter Coach Geppert sportlich ausgezeichnet. Dortmund wurde ohne Niederlage Herbstmeister. Derzeit liegt das Team, das im Dezember nach 590 Tagen ohne Pleite ausgerechnet im Derby gegen Schalke die bislang einzige Saisonschlappe hinnehmen musste, mit zwei Zählern Rückstand auf Rang zwei, der noch zur Endrunde um die B-Junioren-Meisterschaft berechtigt.
Fink gehört zur BVB-Talentegruppe unter Otto Addo
Fink wäre wohl in allen Spielen von Beginn an zum Einsatz gekommen, wäre da nicht die Rote Karte am 10. Spieltag gegen den FC Hennef gewesen. "Da kam ich beim Pressing mal etwas zu spät und kassierte eine allerdings harte Rote. Meine erste in all den Jahren. Somit können wir dahinter auch einen Haken machen", sagte der aktuell Dritte der Torschützenliste.
Neben Geppert arbeitet auch Otto Addo mit dem 17-Jährigen. Fink gehört zur sogenannten Talentegruppe, die mehrmals wöchentlich positionsspezifische Trainingseinheiten (Positionierung, Laufwege, Verhalten in Räumen, Stellungsspiel) sowie Spielanalysen mit dem Übergangscoach abhält. "Nach jedem Spiel sitzen wir zusammen, analysieren zu zweit das letzte Spiel und er gibt mir wertvolle Tipps zur Verbesserung", sagt Fink über Addo, den Geppert als festen Bestandteil des Staffs bezeichnet. "Mein Entwicklungsplan ist ein mittel- bis langfristiger, im Normalfall also jetzt noch zweieinhalb Jahre Feinschliff im Nachwuchs."
Die Rolle von Talente-Trainer Otto Addo beim BVB: Die Hochbegabten-Nanny
Mit Blick auf die Person Fink spricht Geppert von einem "guten Typen mit Ecken und Kanten", der sich professionell und lernwillig zeigt. "Es gab Tage, an denen wir morgens, mittags und abends trainiert haben und die Jungs total platt und müde waren. Daraufhin haben wir das geplante Frühtraining am nächsten Morgen abgesagt, Brad wollte aber lieber trainieren", erzählt der 36-jährige Trainer.
Die wenige Zeit, in der Fink nicht auf dem Fußballplatz steht, verbringt er im Jugendhaus auf dem BVB-Vereinsgelände. Vier Nächte pro Woche ist er dort zusammen mit 24 weiteren Kickern von drei Dortmunder Nachwuchsteams untergebracht. Von Donnerstag bis Sonntag pennt er in der Wohnung seiner eigens umgezogenen Mutter am Phoenixsee, der Vater stößt an den Wochenenden hinzu.
Bradley Fink: "Mein Traum hat sich geändert"
So also läuft das Leben eines Jugendlichen, der ausgezogen ist, um in einem extrem umkämpften Revier voller hungriger Gleichaltriger den Durchbruch zu schaffen. "Der große Traum von mir war es, mal in der Swisspor-Arena aufzulaufen", sagt Fink.
Der Weg auf den Rasen des Luzerner Stadions wäre womöglich der einfachere für ihn geworden. Doch der Stürmer widerspricht: "Ich denke, die Chance, dass ich mit dem Wechsel zu Dortmund Profi werde, ist höher als in Luzern."
Die Prioritäten von Bradley Fink haben sich jetzt verschoben: "Mein Traum hat sich geändert. Mein Ziel ist es, für Dortmund vor 80.000 Zuschauern aufzulaufen."
Bradley Fink vom BVB im Steckbrief
Geburtsdatum (Alter) | 17.4.2003 (17) |
Geburtsort/Nationalität | Cham/Schweiz |
Größe | 1,91 Meter |
Position | Mittelstürmer |
Länderspiele/Tore | 7/7 für Schweiz U17 |
Aktueller Verein | Borussia Dortmund U17 |
Ehemalige Vereine (u.a.) | SC Cham, FC Luzern |
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