Im der vergangenen Saison gehörte Ansgar Knauff noch zum Jung-Jahrgang der U19 von Borussia Dortmund. Mittlerweile ist der 18-Jährige fester Bestandteil des BVB-Profiteams - nach einem für Knauff rasant verlaufenen Jahr.
Im Interview mit SPOX und Goal spricht Knauff über seinen Weg aus Niedersachsen nach Dortmund, das berühmte Bild mit Jürgen Klopp und das Leben im BVB-Internat.
Zudem blickt Knauff auf seine ersten Schritte im Profibereich und sein überraschendes Startelfdebüt in der Champions League bei Manchester City zurück.
Herr Knauff, bevor Sie im Sommer 2016 aus der Jugend von Hannover 96 zu Borussia Dortmund ins Nachwuchsleistungszentrum wechselten, wuchsen Sie in Göttingen bei Ihrer alleinerziehenden Mutter Andrea auf. Wie sind Sie einst zum Fußball gekommen?
Ansgar Knauff: Es ging bei der WM 2006 los. Ich saß damals mit meiner Mutter vor dem Fernseher und habe erstmals Fußball geschaut. Wir haben bei allen Deutschland-Spielen richtig mitgefiebert. Das hat mir so gut gefallen, dass ich anschließend zu ihr sagte: Mama, ich will jetzt auch Fußball spielen. Sie hat sich dann informiert, welche Vereine es in der Umgebung gibt und wie das alles überhaupt abläuft.
Dabei muss sie auf die SVG Göttingen 07 gestoßen sein, wo Sie ab 2006 spielten.
Knauff: Genau. Erst bin ich nur ein paar Mal lose zum Training gegangen, doch es hat mir Spaß gemacht, so dass ich das unbedingt weitermachen wollte. Also hat sie mich angemeldet. Das war sozusagen der Startschuss meiner Karriere, ich war neun lange Jahre bis 2015 dort.
Hatten Sie einen Lieblingsklub?
Knauff: Ich habe nach der WM begonnen, grundsätzlich viel Fußball zu schauen. Ein Lieblingsklub hat sich dabei aber nicht wirklich herauskristallisiert. Mir haben Dortmund und Bayern gefallen, weil sie in der Bundesliga den besten, aber auch jeweils unterschiedlichen Fußball spielten. Auch die Spiele in der Champions League gehörten dann zu meinem Standard-Repertoire. Cristiano Ronaldo und Lionel Messi kicken zu sehen, war schon eine Offenbarung.
Wie sieht es mit Vorbildern aus?
Knauff: Da würde ich Kylian Mbappe nennen. Seine Art, Fußball zu spielen, hat mich wirklich inspiriert und finde ich extrem stark.
Wie kann man sich denn das Zusammenleben mit Ihrer Mutter vorstellen?
Knauff: Natürlich gab es nicht nur die reine Harmonie zwischen uns, aber es hat sehr gut funktioniert und sie hat mich immer enorm unterstützt. Sie fuhr mich zu jedem Training, holte mich anschließend wieder ab und ermöglichte mir alles. Ich kam über die Schule auch zum Basketball und habe das zwei bis drei Jahre in einem Verein gespielt, parallel zum Fußball. Das war für sie und mich schon recht stressig. Ich bin ihr sehr dankbar.
Ab wann war klar, dass das mit dem Basketball auf Dauer nichts wird?
Knauff: Irgendwann ist es einfach zu zeitintensiv geworden, weil ich drei- bis viermal die Woche Fußballtraining hatte. Die Leidenschaft dafür war schlicht größer. Damals hatte ich dann auch die ersten Probetrainings. Ich habe bei Werder Bremen und Hannover 96 vorgespielt und es zeichnete sich ab, dass ich auch gar nicht so schlecht bin. (lacht)
Mit zwölf haben Sie 2014 mit Göttingen beim "Opel Family Cup" teilgenommen, sind Zweiter und Spieler des Turniers geworden. Die Pokale wurden vom damaligen BVB-Trainer Jürgen Klopp überreicht. Wussten Sie, dass es dieses Bild gibt, auf dem Sie als kleiner Knirps zu Klopp aufblicken?
Knauff: Ja, das kannte ich schon lange. Es war ein langer Weg bis zu diesem Bild. Wir haben uns über vier deutschlandweit ausgespielte Runden für das Finalturnier in Dortmund qualifiziert. Das war für unsere Truppe ein riesiger Erfolg. Auch die Reisen dorthin oder die Übernachtungen in den Hotels waren tolle Erlebnisse. Wir waren dann auch bei einem BVB-Spiel im Stadion.
Ist Klopp damals nur zur Pokalübergabe erschienen?
Knauff: Nein, er war fast die ganze Zeit da und auch so etwas wie das Gesicht des Turniers. Als er mir den Pokal überreichte, hat er mir jedenfalls gesagt, dass ich stark gespielt habe und gratuliert.
Es heißt, Klopp habe Sie daraufhin zum U13-Probetraining beim BVB eingeladen. Stimmt das?
Knauff: So nicht, sondern es gehörte zu meiner Auszeichnung dazu, dass ich ein Paar Fußballschuhe bekam und meine Mutter und ich zwei Tage nach Dortmund eingeladen wurden. Da habe ich dann einmal bei der U13 mittrainiert und wir waren nochmal bei einem Spiel im Stadion. Damals stand aber nicht in Aussicht, dass ich eines Tages mal zum BVB wechseln sollte. Das war noch viel zu weit weg.
Als Sie schließlich mit 14 zur U15 nach Dortmund gingen, hatten Sie erst ein Jahr zuvor bei 96 zugesagt. Wie lange mussten Sie damals überlegen, um das Angebot des BVB anzunehmen?
Knauff: Ich bin zuvor mit meinem Berater und meiner Mutter nach Dortmund gefahren, um mir alles vor Ort anzuschauen. Die Trainer, das Jugendhaus, das gesamte sportliche wie individuelle Konzept - das hat mir auf Anhieb alles sehr gut gefallen. Daher war die Entscheidung trotz meines jungen Alters leicht, dass ich dort ins Internat ziehe.
Dort wohnen Sie bis heute. Wie groß war das Heimweh?
Knauff: Anfangs war es schwierig, weil es einfach komplett ungewohnt für mich war, so lange und dauerhaft von zu Hause weg zu sein. Andererseits war immer etwas zu tun. Im Internat bin ich auf gleichaltrige Spieler getroffen, die in derselben Situation steckten. Das hat es genauso vereinfacht wie die Jungs, die schon zwei, drei Jahre dort wohnten und wussten, wie sich das für die Neuen zu Beginn anfühlt. Mit den Älteren sind wir in den ersten Tagen auch direkt auf den Platz gegangen, haben ein bisschen aufs Tor gebolzt und uns gegenseitig kennengelernt.
Wer wurde damals Ihr engster Freund?
Knauff: Lloyd-Addo Kuffour. Er war so alt wie ich, kam zur selben Zeit nach Dortmund und hat zuvor mit mir in Hannover gespielt. Wir waren Teamkollegen in der U15 und er wurde mein Zimmernachbar. Als wir dann das erste Mal zusammen FIFA gezockt haben, fühlte ich mich im Grunde wie zu Hause. (lacht)
Im Juli werden Sie in Ihre erste eigene Wohnung ziehen. Die dürfte größer sein als das Zimmer, das Sie derzeit bewohnen. Wie groß ist der Respekt vor diesem Schritt?
Knauff: Der Umzug läuft schon an, ich bin gerade mitten drin. Ich freue mich darauf, das wird ein wichtiger Schritt in meinem Privatleben. Ich denke, ich bin ganz gut darauf vorbereitet. Ich weiß jedenfalls, wie man Wäsche wäscht und die Spülmaschine ausräumt, solche Dinge wurden uns im Internat beigebracht. Wir mussten auch unsere Zimmer sauber halten, mit Staubsaugen kenne ich mich also auch aus.
Nachdem Sie schon ein paar Mal oben mittrainiert hatten, durften Sie im vergangenen Sommer die Vorbereitung bei den Profis mitmachen. Erinnern Sie sich noch, wie Sie davon erfahren haben?
Knauff: Mich rief Otto Addo eines Tages an. Er war im Sommer noch Trainer der Top-Talente und die Verbindung zwischen Jugend und Profis. Als er sagte, ich werde nun bei den Corona-Tests dabei sein und auch mit ins Trainingslager reisen, war ich schon ziemlich aufgeregt. Es hat mir extrem Spaß gemacht, so intensiv auf diesem Niveau mitzuarbeiten. Ich bin auch immer besser reingekommen, in den letzten Testspielen vor dem Punktspielstart gelang mir dann sogar auch mein erstes Tor und der erste Assist.
BVB - Ansgar Knauff und seine Leistungsdaten bei Borussia Dortmund
Mannschaft | Spiele | Tore | Vorlagen | Minuten |
Borussia Dortmund U17 | 23 | 4 | 10 | 1466 |
Borussia Dortmund U19 | 28 | 8 | 7 | 1759 |
Borussia Dortmund II | 23 | 7 | 6 | 1674 |
Borussia Dortmund | 6 | 1 | 1 | 198 |
Mussten Sie im Trainingslager dann irgendetwas zum Einstand machen, meist wird ja gesungen?
Knauff: Zum Glück noch nicht. Hoffentlich bleibt es so und wird vergessen.
Gibt es unter den gestandenen Profis einen Spieler, zu dem Sie mittlerweile eine besondere Beziehung aufgebaut haben?
Knauff: Einen bestimmten Spieler kann ich nicht herauspicken. Ich finde es vielmehr auffällig, wie sehr vor allem die Etablierten den Jungen helfen, damit sie sich wohlfühlen und man schnell Sicherheit in diesem anfangs ja vollkommen ungewohnten Umfeld bekommt. Da geht es auch um teils banale Hinweise, die einen gerade auf Dauer gesehen letztlich besser machen. Die wissen ja auch alle, wovon sie reden und haben einst dasselbe durchgemacht. Es ist erstaunlich, wie einen solche vermeintlichen Kleinigkeiten weiterbringen.
Auch mal irgendein Fauxpas unterlaufen?
Knauff: Ein grober Patzer war glaube ich nicht dabei. Ich war aber anfangs enorm zurückhaltend. Es war schon komisch, auf einmal so nah und oft mit Menschen zusammen zu sein oder mit ihnen an einem Tisch zu sitzen, wenn man sie zuvor im Grunde nur aus dem Fernsehen kannte. Das hat sich aber relativ schnell gelegt, weil es zur Gewöhnung wird und man feststellt, dass es eben auch nur Menschen sind.
Gab es am Ende der Profi-Vorbereitung eine Art Gespräch, bei dem man sich zusammensetzte und erörterte, wie das jetzt für beide Seiten gelaufen ist?
Knauff: Das nicht, es ist eher ein fortlaufender Prozess. Es gab Rückmeldungen vom Verein an meinen Berater und natürlich auch ständig an mich. Das war insgesamt gut. Ich durfte dann direkt in die U23, da die Saison in der U19 coronabedingt schnell ausgesetzt wurde. Das war ein wichtiger Schritt, die Regionalliga hat mich fußballerisch reifen lassen. Es ist einfach etwas anderes, im Herrenbereich zu spielen. Fast eine ganz neue Art von Fußball.
In der U23 spielten Sie stark auf. Am 4. Spieltag berief man Sie in Hoffenheim erstmals in den Profikader, bis zu den ersten Einsatzminuten in der Bundesliga dauerte es aber noch ein halbes Jahr. In der Champions League in St. Petersburg gaben Sie im Dezember 2020 Ihr Profidebüt, später folgten zwei Kurzeinsätze in der Bundesliga. Mit nur 44 Minuten Profierfahrung standen Sie schließlich sehr überraschend in der Startelf im CL-Viertelfinale bei Manchester City. Wie blicken Sie mittlerweile darauf zurück?
Knauff: Ich war in der Phase in einem guten Flow. Ich hatte meine ersten Bundesligaminuten gesammelt, in Köln nach meiner Einwechslung ein Tor vorbereitet und habe mich auch im Training gut gefühlt. Dann hat sich Jadon Sancho verletzt und die Tür für mich ging auf. In diesem Spiel plötzlich in der Startelf zu stehen, das werde ich mein Leben lang nicht mehr vergessen.
Hatte sich Ihr Einsatz im Vorfeld angedeutet und wie hat Edin Terzic das Ihnen gegenüber begründet?
Knauff: Es hatte sich ein wenig angebahnt. Edin hat mich zuvor im Training beiseite genommen und mir viele taktische Dinge erklärt. Nach einer Videobesprechung zeigte er mir dann noch einmal, wo genau die Räume sind oder sein könnten. Am Ende hat es damit begründet, dass wir gegen eine solch hoch pressende Mannschaft wie ManCity über mein Tempo ins Konterspiel gelangen und idealerweise Torchancen kreieren können. Erfahren habe ich es dann vormittags am Spieltag.
Da blieb also noch Zeit, um Familie und Kumpels zu informieren.
Knauff: Klar. Die wussten alle Bescheid und waren aus dem Häuschen. Auf meinem Handy war viel los, ich habe zahlreiche Nachrichten bekommen. Ich habe mich auf das ganze Erlebnis natürlich sehr gefreut, aber auch versucht, meine Nervosität zu unterdrücken. Gänzlich abstellen kann man das in einer solchen Situation allerdings wohl nie. Als das Spiel dann lief, war es so, wie man es schon häufiger hörte: Da war ich voll drin in der Partie und habe nicht mehr groß darüber nachgedacht.
Sie haben auf diesem Niveau noch nie von Anfang an gespielt. Was hat Sie in diesem Spiel am meisten beeindruckt?
Knauff: Wie extrem stark ManCity als Team ist. Auch die Ballsicherheit von Kevin de Bruyne oder Ilkay Gündogan war unglaublich. Welche Pässe die mit Leichtigkeit im Zentrum spielen, das ist schon herausragend. Trotzdem haben wir uns gegen sie echt gut geschlagen und beide Spiele nur knapp verloren. Mit ein bisschen mehr Glück wäre wirklich mehr für uns drin gewesen.
Wenn man bedenkt, dass es noch im vergangenen Sommer der Plan war, bei den Profis zu trainieren und bei der U19 zu spielen, haben Sie in diesem Jahr einen gehörigen Sprung in Ihrer Entwicklung gemacht. Erstaunt Sie das auch selbst?
Knauff: Nein, das alles habe ich mir schon zugetraut - sonst wäre ich beim BVB auch fehl am Platz. Es freut mich einfach, dass es so gut läuft und ich mich schnell dem Niveau angepasst habe. Andere U19-Spieler hatte leider Pech und konnten nur drei oder vier Saisonspiele machen. Ich bin daher froh, dass ich gut im Spielrhythmus bin und viel Praxis im Seniorenbereich bekommen habe.
Zur neuen Saison werden Sie vollwertiges Kadermitglied der Profis sein. Welche Erwartungen haben Sie nach diesem starken ersten Jahr an sich, schielen Sie insgeheim in Richtung Startelf - wie Sie erfahren haben, hat der BVB ja kein Problem, 18-Jährige von Beginn an ran zu lassen?
Knauff: Ich will in der nächsten Saison so viel wie möglich spielen, aber auf die Startelf schiele ich noch nicht. Ich hoffe einfach, dass es so weiterläuft wie bisher und werde dafür alles in die Waagschale werfen. Es wäre toll, wenn mir dann ein weiterer Sprung in meiner Entwicklung gelingen würde.
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