"Der BVB wird der BVB bleiben"

Jochen Tittmar
11. September 201414:25
Carsten Cramer und Stadionsprecher Norbert Dickel über den Dächern von Dortmundgetty
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Ein Blick in die Kristallkugel: Übernehmen Retortenklubs den Fußball? Wird die Bundesliga zum globalen Phänomen? Und wie werden die Superstars von übermorgen entdeckt? In der neuesten Ausgabe der Themenwoche beschäftigt sich SPOX mit der Zukunft des Fußballs - und das in verschiedensten Facetten. Diesmal spricht Carsten Cramer, Direktor für Vertrieb und Marketing bei Borussia Dortmund, über Internationalisierungsstrategien des BVB, den Blick auf die Konkurrenz im In- und Ausland und die Gefahr, mit der neuen Art der Dortmunder "Außenpolitk" beim Anhang zu polarisieren.

SPOX

SPOX: Herr Cramer, man könnte gemeinhin den Eindruck bekommen, dass Sie den Dortmunder Slogan "Echte Liebe" höchstselbst erfunden haben. Die Düsseldorfer Agentur "XEO" hat dabei aber mitgeholfen. Wie kam es denn eigentlich zu diesen beiden Worten?

Carsten Cramer: Was die Zeit vor Jürgen Klopp angeht, sprach unser Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke schon häufiger von einem teilweise nicht definierbaren Hin und Her, von einer gewissen Orientierungslosigkeit, die sowohl den Fußball, als auch das Innenleben von Borussia Dortmund betraf. Daher stellten wir uns damals die Frage: Wofür steht eigentlich der BVB, was ist seine Identität? Um auf eine vernünftige Antwort zu kommen, haben wir einen externen Partner hinzugenommen, der ein wenig in die Rolle des Mediators schlüpfte. Am Ende dieses Selbstfindungsprozesses, an dem vom Fan über den Aktionär bis zum Mitarbeiter alle beteiligt waren, ist das in unserem Markenversprechen "Echte Liebe" zusammengefasst worden.

SPOX: Können Sie das Wort "Markenversprechen" bitte einmal näher definieren?

Cramer: Das ist etwas nicht Austauschbares oder Ersetzbares. Die "Echte Liebe" ist die DNA des BVB und nicht etwa ein Claim, weil es keine Kampagne ist. Die Kerncharakteristika von Borussia Dortmund sind damit in zwei Worten auf den Punkt gebracht.

SPOX: Mit Werten wie Authentizität und Intensität will man künftig auch verstärkt auf internationalen Märkten punkten. Wie kann man garantieren, dass im jeweiligen Markt eine natürliche Beziehung zum Verein entsteht, ohne etwa einen Spieler aus dieser Region zu verpflichten?

Cramer: Das lässt sich nicht pauschal auf jeden Markt übertragen. Die wichtigste Voraussetzung ist, international zu spielen. Wenn man das nicht tut, sind Internationalisierungsstrategien viel schwieriger umzusetzen. Deshalb steht bei uns zu jeder Zeit der Fußball im Mittelpunkt. Was wir machen, ist somit immer als Begleitung für den Fußball zu verstehen.

SPOX: Laufen Marketing- und Internationalisierungsprozesse von selbst, wenn man auf dem Platz erfolgreich ist?

Cramer: Nicht ganz, aber beinahe. Es ist am Ende egal, welcher Nationalität die Spieler angehören. Solange sie ein schönes, gelbes Trikot anhaben, was ja nicht ganz so viele andere Fußballvereine von sich behaupten können, haben wir schon einen hohen Wiedererkennungswert im Ausland geschaffen.

SPOX: Im Bereich der Internationalisierung verfolgt der BVB eine Nischenmarktstrategie. Das Fußballerlebnis Borussia Dortmund soll in ausgewogenen Märkten Einzug erhalten. Welche nicht-deutschsprachigen Märkte sind denn dem Verein besonders wichtig?

Cramer: In Europa sind Polen, die Türkei und England unsere Zielmärkte. Außerhalb Europas ist es der südostasiatische Raum mit Ländern wie Japan, Korea, Singapur, Malaysia, Thailand und Indonesien. Dort hat eine Marktforschung sehr gute Werte für uns ergeben. Daher eröffnen wir nun auch eine Repräsentanz in Singapur, um näher am Puls der Zeit zu sein und nicht vom deutschen Schreibtisch aus internationale Arbeit verrichten zu müssen.

SPOX: Welche glaubwürdige Verbindung zwischen diesen Ländern und dem Verein besteht da in Ihren Augen?

Cramer: Man kann nicht zu jedem Land eine hundertprozentig historische oder aktuelle Beziehung aufbauen. Wichtig ist, dass dort Interesse am deutschen Fußball vorhanden ist und die Bundesliga im Fernsehen stattfindet. Hinzu kommen Attribute, die dazu beitragen, dass wir dort nicht bei null anfangen: Die Art und Weise, wie wir auftreten, wie wir Fußball spielen oder dass wir den höchsten Zuschauerschnitt in Europa haben. Dass wir insgesamt sozusagen als gelbe Vollgasgeber wahrgenommen werden. Man braucht in den Märkten, in denen wir unsere Arbeit forcieren wollen, einen gewissen Bodensatz an Bekanntheit und Sympathie.

SPOX: Kommt dieser Bodensatz ausschließlich vom Rückenwind, den man durch die internationalen Erfolge der vergangenen beiden Jahre bekommen hat, oder lässt er sich beispielsweise auch an Abrufzahlen im Bereich Social Media ablesen?

Cramer: Das eine bedingt das andere. Wir können durch die Nachverfolgung von IP-Adressen im digitalen Bereich sehen, woher das Interesse kommt und dann unsere Strategie spezifizieren sowie fortschreiben.

SPOX: Welcher Ausschlag war denn im Zuge der Rückkehr von Shinji Kagawa zu beobachten?

Cramer: Der Transfer von Shinji Kagawa hat sich an vielen Stellen bemerkbar gemacht. Die Zugriffszahlen unserer japanischen Homepage haben sich vervierfacht. Wir verzeichnen bereits über 10.000 verkaufte Trikots - mit Stand von Montag. Viele Japaner besuchen unsere neue FanWelt am Signal Iduna Park, Yanmar steigt wieder als Sponsor ein und unser Besuch mit der BVB-Fußballschule in Japan stieß auf enormes Interesse.

SPOX: Bald wird in Singapur ein BVB-Büro eröffnet. Dort haben auch Hauptsponsor "Evonik", Ausrüster "Puma" sowie die DFL eine Repräsentanz. Der dortige Markt weist hohe Wachstumsraten auf. Welche kurzfristigen Ziele sollen die Mitarbeiter im Dortmunder Büro erreichen?

Cramer: Am Ende ist jedes Geschäft immer lokal und regional. Daher fahren Sie ja auch zu uns ins Trainingslager und begleiten das nicht von München aus. Wir wollen uns im dortigen Kulturkreis aufhalten - auch mit Menschen, die ihn kennen, weil sie ihm entstammen. Natürlich glauben wir nicht, mit einem Büro und zwei, drei Mitarbeitern von Singapur aus die Welt erobern zu können. Wir wollen näher dran, schneller und flexibler sein.

SPOX: Heißt konkret?

Cramer: Wir wollen die Reichweite erhöhen, Bekanntheit aufbauen, Sympathiewerte wecken und mehr Menschen Borussia Dortmund zugänglich machen. Man kennt das doch von seinem eigenen Konsumverhalten: Man kauft nur etwas, was man kennt und was einem sympathisch ist. Je bekannter und sympathischer wir sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sowohl Menschen, als auch Unternehmen Interesse am Kauf von Produkten und Dienstleistungen von Borussia Dortmund haben.

SPOX: Wie kann man sich sicher sein, dass das, was vor allem in den deutschsprachigen Märkten bereits funktioniert hat, auch auf diese Märkte übertragbar ist?

Cramer: Das ist eben die zu bewältigende Herausforderung. Wir haben beispielsweise unser eigenes Fußball-Magazin "BVB World", das wochenweise 60 Minuten produziert und ausgestrahlt wird, in mittlerweile über 50 internationale Märkte verkauft. Wir haben einen eigenen Vereinsfotografen eingestellt und sind mit der Fotoagentur "Getty Images" eine weltweite Kooperation eingegangen, die die Distribution von BVB-Bildmaterial für internationale Medien sicherstellt. Am Ende müssen die Menschen den Inhalt in irgendeiner Weise zur Verfügung gestellt bekommen. Daher versuchen wir gerade mit unseren digitalen Angeboten, so individuell wie nur möglich auf diese Märkte einzugehen. Wir haben wie bereits angesprochen gezielt für Japan eine japanische Website von Japanern für Japaner erstellen lassen - und eben nicht die deutsche Homepage nur übersetzen lassen. Unser Online-Fanshop wird bald in Mandarin ansteuerbar sein. Das sind alles kleine Beispiele, mit denen wir uns auf diese Märkte einlassen wollen, damit die Menschen noch näher und intensiver an den BVB heranrücken.

SPOX: Mit dem österreichischen Tourismuspartner, den Kitzbüheler Alpen, wurde der Vertrag in diesem Sommer um weitere drei Jahre verlängert. Wie sehen die Pläne für die kommenden Trainingslager aus: Wird der BVB ähnlich wie zuletzt einige Bundesligaklubs größere Auslandsreisen in die Zielmärkte unternehmen?

Cramer: Wir überlegen uns derzeit diverse Aktivitäten und schauen, wie wir die betriebswirtschaftlichen mit den sportlichen Interessen verbinden können. Wichtig wird sein, dass egal wo ein Trainingslager stattfindet, es den Namen auch verdient hat. Die Mannschaft muss vernünftig und in Ruhe arbeiten können. Doch es ist klar: So gerne wir die Menschen zu uns nach Dortmund einladen, müssen wir auch mal den Gegenbesuch antreten.

SPOX: Sie haben einmal gesagt, dass sich der BVB im Wettbewerb kein Rennen gegen einen anderen Klub liefert, sondern ein Rennen gegen sich selbst. Man wird doch aber auch zu den Konkurrenten hinüber schauen und vergleichen, oder nicht?

Cramer: Natürlich beobachten wir den Wettbewerb, auch um uns selbst fortzubilden. Wir stehen auch mit dem einen oder anderen Premier-League-Klub im Austausch. Es wäre doch vermessen zu glauben, dass wir von Vereinen wie Manchester United, Real Madrid oder Barcelona gerade im Hinblick auf das Thema Internationalisierung nichts lernen könnten. In dieser Beziehung haben diese Klubs ja nicht viel verkehrt gemacht. Ob das am Ende allerdings zum BVB passt, steht auf einem anderen Blatt.

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SPOX: Passen in dieser Beziehung Entwicklungen zum BVB, in denen man nicht der Vorreiter ist?

Cramer: Selbstverständlich. Man muss sich ja nicht selbst die Finger verbrennen, sondern darf auch mal der Zweite sein. Wenn wir zum Beispiel bald eine WLAN-Struktur im Stadion aufsetzen, dann haben wir nicht den Ehrgeiz, dies vor jemand anderem zu tun. Wir wollen das richtig und gut machen. Wenn man dann von der Erfahrung anderer profitieren kann, wieso sie nicht in Anspruch nehmen? Uns ist es wichtig, dass die Menschen, die sich mit Borussia Dortmund identifizieren, ein gutes und passendes Angebot bekommen. Wir wollen nicht schneller als jemand sein, sondern so schnell wie möglich. Sind wir mal schneller als die Konkurrenz, dann ist das gut, aber nicht die Triebfeder unseres Handelns.

SPOX: Hans-Joachim Watzke rät dazu, in den Rückspiegel zu schauen und Konkurrenten wie Wolfsburg, Leverkusen und bald wohl auch RB Leipzig im Blick zu behalten. Wie stehen Sie dazu?

Cramer: Egal von welcher Position aus, es lohnt sich immer zu beobachten, was hinter einem geschieht. Man muss links und rechts vom Wege schauen und wissen, dass es genug Konkurrenten gibt, die auch nach oben wollen. Woher die Gefahr letztlich kommt, ist aber für uns egal. Wichtig in der Phase, in der wir uns derzeit befinden, ist, sich nicht auszuruhen und zu glauben, das würde alles so bleiben. Wir glauben in unserer momentanen Situation, dass die Zusammenarbeit mit strategischen Partnern der nächste Schritt für eine nachhaltige Entwicklung unseres Vereins ist. Dadurch ist unser Blickwinkel nach vorne gerichtet. Man kann aber immer Gefahr laufen, trotz einer erfolgreichen Momentaufnahme an der einen oder anderen Stelle überholt zu werden. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

SPOX: Wirft man einen Blick ins Ausland, so ist beispielsweise Manchester City ab 2015 mit einem Farmteam in der amerikanischen MLS vertreten. Bei Paris Saint-Germain überweist dagegen Sponsor QTA, ein Touristen-Werbebüro für Katar, jährlich 200 Millionen Euro. Wie bewerten Sie solche Dimensionen?

Cramer: Diese Gebahren sind mit größter Aufmerksamkeit zu beobachten - verbunden mit der Hoffnung, dass die UEFA das Financial Fair Play an dieser Stelle ansetzt. Solche Vereine machen einem das Leben nicht leicht. Das sind Strukturen und Rahmenbedingungen, die wir bei uns nicht haben, nicht haben wollen und auch nicht gutheißen. Dennoch gehören sie zum Wettbewerb hinzu, so dass wir in unserem Fall eine individuelle, kreative BVB-Lösung als Antwort darauf haben müssen. Es wird auf Dauer nicht reichen, sich nur darüber zu beschweren.

SPOX: Diese neue Art der Dortmunder "Außenpolitik" wird gerade von Teilen der alteingesessenen Fans, die eher traditionelle Wertvorstellungen haben, bisweilen kritisch beäugt. Ist deren Angst, dass sich das Verhältnis des Fans zu seinem Verein einer reinen Kundenbeziehung immer weiter angleicht, in Ihren Augen berechtigt?

Cramer: Ich kann diese Ängste und Sorgen durchaus verstehen. Wir nehmen das Feedback der Fans auch in dieser Sache sehr ernst. Ich wünsche mir hier einen kleinen Vertrauensvorschuss, dass wir um diese Befindlichkeiten wissen. Wenn man wettbewerbsfähig bleiben will, muss man sich wirtschaftlich weiterentwickeln. Ich glaube, dass wir bisher den Spagat zwischen diesen beiden Welten gut hinbekommen haben. Die Nähe zu den Menschen und auch das Wissen darum, welche Relevanz die Menschen für Borussia Dortmund haben, führen aus unserer Sicht dazu, dass wir bestimmte Fehler nicht machen und uns von der Basis nicht zu weit entfernen.

SPOX: Welche Fehler meinen Sie?

Cramer: Wir achten darauf, dass wir bezahlbar bleiben und keine geschlossene Gesellschaft werden. Unsere Preispolitik ist ein kleines Indiz dafür: Unser Trikot kostet in Anführungszeichen nur 74,95 Euro und nicht wie andernorts 84,95 Euro. Ein Bier kostet nach wie vor "nur" 3,70 Euro, eine Wurst 2,60 Euro. Unser Stadion hat den größten Stehplatzanteil Europas. Der Signal Iduna Park ist deutschlandweit, was die Gesamtkapazität angeht, das Stadion mit der geringsten prozentualen Hospitality-Kapazität. Wir legen großen Wert auf die Fanbetreuung, haben fünf hauptamtliche Fanbetreuer und stehen in regelmäßigem Gedankenaustausch mit unseren Anhängern. Das sind in meinen Augen Beispiele dafür, dass wir diesbezüglich keine hohlen Phrasen tätigen, sondern diese Belange sehr ernst nehmen.

SPOX: Andererseits gibt es mittlerweile kaum noch eine funktionierende Alternative, sich gerade dem internationalen Wettbewerb mit Investoren-Klubs zu stellen. Deshalb ist der Verein quasi dazu gezwungen, Mittel der Umsatzsteigerung zu finden, die vielleicht nicht jedem Anhänger zusagen. Muss man diesbezüglich womöglich noch mehr Aufklärungsarbeit an der Basis verrichten?

Cramer: Wir müssen sicherlich immer im Dialog und transparent bleiben. Wir wollen die Menschen mitnehmen und eine Nähe zur Basis sicherstellen. Am Ende sind die überzeugendsten Argumente immer die, die vom Rasen aus kommen. Solche Sternstunden, die wir in der Champions League gegen Real Madrid oder den FC Malaga erlebt haben, wären ohne eine gewisse wirtschaftliche Potenz jedoch komplett ausgeschlossen. Vielleicht müssen wir künftig die Prozesse in diesem Bereich noch offensiver und proaktiver erklären. Es wird aber nie dazu führen, dass wir alle Menschen gleichzeitig glücklich machen.

SPOX: Gibt es ein Regulativ, mit dem Sie arbeiten, um einschätzen zu können, das Rad bei allem kaufmännischen Interesse nicht zu überdrehen?

Cramer: Sehr viele der Menschen, die derzeit für den Verein arbeiten, haben ihn in anderer Rolle kennen gelernt: Nämlich als es ihm ziemlich schlecht ging. Wenn man diese Situation miterlebt hat, geht man mit dem Erfolg anders um. Hans-Joachim Watzke hat auf der Pressekonferenz, als die zweite Kapitalerhöhung verkündet wurde, erneut zum Ausdruck gebracht, dass für sportlichen Erfolg keine Schulden gemacht werden sollen. Das ist eine klare Botschaft, die zeigt, wie wir mit dem hohen Gut Borussia Dortmund umgehen. Wir drehen alle Thematiken mehrfach um, bevor wir etwas absegnen. Ich hoffe daher, die Fans erkennen, dass die Fehlerquote bei uns überschaubar ist.

SPOX: Besteht durch die enorme Bindungsfähigkeit der Marke BVB und den damit einhergehenden Zuwachs an Fans und Sympathisanten nicht auch die Gefahr, sich ein Modepublikum ins Haus zu holen, welches dem Kerngeschäft Fußball gar nicht das größte Interesse beimisst?

Cramer: Das glaube ich nicht. Der BVB wird der BVB bleiben. Wir verkaufen für viele Partien nach wie vor unsere Karten nur an Mitglieder. Wir haben 55.000 Dauerkartenbesitzer, die Kündigungsquote liegt weiterhin bei unter einem Prozent. Wir werden das Stadion bald WLAN-fähig machen, gehen aber extrem sensibel damit um, wie wir das einsetzen. Wir wollen, dass die Menschen während der 90 Minuten Fußball schauen, Fußball atmen, Fußball leben - und nicht auf ihre persönlichen Bildschirme starren. Natürlich wollen wir neue Menschen gewinnen und mitnehmen, aber wir tun alles dafür, dass das Erlebnis bei uns im Stadion jenes bleibt, wofür wir weltweit bekannt sind.

SPOX: "Mia san mia", das Leitbild des FC Bayern, bedeutet ja nichts anderes als "Wir sind wir" - mit allen Stärken und Schwächen. Auch der BVB will auf seine Art und Weise mit Ecken und Kanten einzigartig sein. Wie viel des "Mia san mia"-Konzepts steckt denn dann auch im BVB?

Cramer: Bei uns bringt die "Echte Liebe" die Bodenhaftung, die Verbundenheit und Intensität zum Ausdruck. Alles, was wir machen, muss immer zu den Menschen und unserem Verein passen. Wir müssen schauen, dass wir nicht abheben und künstlich werden. Wir wollen die Menschen in der Herz-Region, in ihrer Emotionalität ansprechen. Daher ist das eine völlig andere Positionierung als das "Mia san mia".

SPOX: Sie persönlich sind für die BVB-Fans längst kein Unbekannter mehr. Bei den Spielen im Signal Iduna Park sieht man Sie neben Hans-Joachim Watzke sitzen. Was glauben Sie, wie Sie die Anhänger wahrnehmen?

Cramer: Ich habe Kraft meiner Aufgabengebiete sicherlich ein kontroverses Standing. Meine Arbeit mit den klassischen Marketingthemen erfährt eine andere Wertschätzung als der Sport. Ich stehe im Austausch mit unseren Anhängern, kann aber nachvollziehen, dass ich auf deren Beliebtheitsskala nicht ganz oben stehe. Aber auch ich habe eine emotionale Verbundenheit zu unserem Verein. Ich hoffe, die Fans nehmen mir ab, dass wir und ich alle zusammen im Sinne und Wohle Borussia Dortmunds handeln.

SPOX: Wie würden Sie Ihre Aufgabe kurz und prägnant auf den Punkt bringen?

Cramer: Ich benutze meist dasselbe Bild: Ich bin der Fensterputzer des BVB, dessen Aufgabe es ist, das Schaufenster, in dem Borussia Dortmund ausgestellt wird, so sauber wie möglich zu halten.

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