Mit 23 Jahren ist Daniel Minovgidis der jüngste Spielerberater der Bundesliga. Mit SEG Football vertritt er unter anderem die Interessen von Augsburgs Stürmer Alfred Finnbogason. Im Ausland gehören Memphis Depay und Robin van Persie zu den bekanntesten Klienten der Agentur. Im Interview spricht Minovgidis über das verpönte Image der Branche, Mino Raiola und Jorge Mendes sowie den Berater-Alltag und moralische Bedenken.
SPOX: Herr Minovgidis, das Sommertransferfenster ist seit einigen Wochen geschlossen. Wie kann man sich die tägliche Arbeit eines Spielerberaters während der Saison überhaupt vorstellen?
Daniel Minovgidis: Ein normaler Berater-Alltag lässt sich schwer beschreiben, weil täglich neue Herausforderungen warten. Jede Phase der Saison hat ihre Besonderheiten. Das macht den Job gleichzeitig so interessant. Zu den Hauptaufgaben zählen die intensive Pflege und der Ausbau des eigenen Netzwerks, die Betreuung seiner Klienten sowie der regelmäßige Austausch mit den Vereinen.
SPOX: Und während eines offenen Transferfensters?
Minovgidis: Der Markt ist ständig in Bewegung und man muss stündlich up to date sein. Vereine reagieren auf Verletzungen oder wollen nochmal nachlegen. Andere warten auf den passenden Moment, um einen Spieler mit höherer Qualität zu verpflichten. Als Berater muss man hierbei kühlen Kopf bewahren und Chancen frühzeitig erkennen. Das gilt aber über die ganze Saison hinweg, denn Transfers werden heutzutage bereits oft im Vorfeld abgewickelt.
Daniel MinovgidisSPOX: Wie kann man sich die letzten Stunden vor Transferschluss vorstellen? Dreht man da fast durch?
Minovgidis: Als Berater hofft man natürlich, seine Aktivitäten möglichst früh abgeschlossen zu haben. Muss dennoch ein Last-Minute-Deal her, sollten alle benötigten Transfer-Dokumente bereits frühzeitig vorgefertigt werden. Auch ein Transfer in letzter Minute ist meist das Ergebnis wochenlanger Arbeit und passiert in der Regel nicht ohne Vorgespräche.
SPOX: Viele Spieler verweisen bei Transfer- und Vertragsfragen scheinbar ahnungslos immer wieder auf ihren Berater. Von welchen Angeboten oder Anfragen setzen Sie Ihre Klienten überhaupt in Kenntnis?
Minovgidis: Grundsätzlich ist es meine Aufgabe und Pflicht, den Spieler über alle Anfragen in Kenntnis zu setzen. Rausgefiltert werden jene, die für ihn aber per se nicht infrage kommen. All das wird im Vorfeld genau abgesprochen. Da geht es nicht nur um finanzielle Vertragsangelegenheiten, sondern oft um das Thema Ausland. Spieler haben ihre Präferenzen, gerade wenn sie Familie haben.
SPOX: Wie läuft generell die Kommunikation mit einem Spieler ab? In welchen Angelegenheiten tritt er an Sie heran?
Minovgidis: Das ist unterschiedlich. Einige Spieler möchten sich über meine Arbeit als Berater informieren. Andere bitten mich, dass ich sie am besten gleich morgen an einen anderen Verein vermittle. Grundsätzlich muss es zwischenmenschlich passen. Das ist für mich die Grundlage einer produktiven Zusammenarbeit.
SPOX: Das Geschäftsfeld von Spielerberatern ist in der breiten Öffentlichkeit ziemlich verschrien. Hat Sie das beim Entschluss, selbst diese Richtung einzuschlagen, nicht beeinträchtigt?
Minovgidis: Natürlich trifft man bei der Recherche über die Branche auf die vielen Geschichten unseriöser Berater. Ich habe mich davon nicht beeinflussen lassen und mir selbst eine fundierte Meinung bilden wollen. Mein Fazit ist, dass es eben doch auch viele Berater gibt, die seriös arbeiten.
SPOX: Wie kommt man überhaupt dazu, Spielerberater zu werden?
Minovgidis: Dadurch, dass das ehemalige Lizenzierungsverfahren aktuell aufgehoben ist, kann jeder Spielerberater werden. Ich habe mich im Jahr 2013 für die damals noch gültige Spielervermittler-Lizenzprüfung angemeldet und diese bestanden. Dadurch war ich zunächst mit den Grundlagen der FIFA und den DFB-Regularien vertraut. Seitdem stehen intensives Netzwerken und der Austausch mit den handelnden Personen sowie Spielern an der Tagesordnung. Für mich gibt es keinen fertigen Spielerberater. Man lernt täglich dazu.
SPOX: Wie finden Sie sich mit 23 Jahren generell in der Branche zurecht? Hat es viel vom Haifischbecken?
Minovgidis: Konkurrenz gibt es auch in anderen Berufen und Geschäftsfeldern. Wenn man damit nicht umgehen kann, sollte man gar nicht erst versuchen, Spielerberater zu werden. Langfristig überlebt man in diesem Geschäft meiner Ansicht nach nur mit seriöser Arbeit. Letzten Endes bewertet nicht die Öffentlichkeit die eigene Arbeit, sondern die Spieler und Vereine. Die Entwicklungen auf dem Beratermarkt spielen daher nur eine Nebenrolle.
SPOX: Berater wie Mino Raiola oder Jorge Mendes haben weltweit Bekanntheit erlangt - teils auch durch ihre nicht unumstrittene Verhandlungsführung. Sind sie für jeden Spielerberater gerade wegen dieser Gewieftheit aber ein Stück weit auch Vorbilder?
Minovgidis: Raiola und Mendes verfügen über jahrelange Erfahrung im Geschäft und machen einen sehr guten Job. Mit Klienten wie Paul Pogba oder Cristiano Ronaldo kann man sich natürlich eher mal einen lockeren Spruch erlauben. Aber das haben sich beide mit viel Fleiß erarbeitet. Was das angeht, sind sie sicherlich Vorbilder in der Branche - auch für mich.
SPOX: Berater werben um immer jüngere Spieler. Haben Sie persönlich eine Altersgrenze festgelegt, die für Sie noch vertretbar ist?
Minovgidis: Das geht heutzutage schon in der U9 oder U10 los, was ich für sehr bedenklich halte und für viel zu früh. Ich selbst scoute erst ab der U15 nach Talenten und verfolge diese über einen längeren Zeitraum. Wichtig ist es, ein Gefühl für den Spieler zu entwickeln und von ihm überzeugt zu sein. Neben dem sportlichen Talent entscheiden später auch Charakter und Willensstärke über den Erfolg als Fußballer. Die letzten beiden Komponenten entwickeln sich erst in den späten Jugendjahren eines Spielers.
SPOX: Wie werden Sie auf diese Spieler aufmerksam? Sind Sie selbst auf den Sportplätzen unterwegs, um zu sichten?
Minovgidis: Ich erhalte natürlich den einen oder anderen Tipp von Trainern oder anderen Kontakten. Mir ist es aber wichtig, den Spieler selbst zu sichten und mir dann eine Meinung zu bilden. Entsprechend versuche ich, so viele Spiele wie möglich anzuschauen. Dabei haben die bestehenden Klienten natürlich Vorrang, mit guter Planung lassen sich aber viele Termine kombinieren. Ob das die Bundesligen der U19 und U17 sind, die U15-Regionalligen, U-Länderspiele oder Partien der U23-Mannschaften der Bundesligisten: Ich bin auf vielen Sportplätzen unterwegs. Das beschränkt sich aber hauptsächlich auf die höheren Ligen. Ein Ausnahmetalent in der Bezirksliga findet man heute kaum noch.
SPOX: Geben Sie Ihren Spielern eigentlich regelmäßig Feedback zu ihren erbrachten Leistungen? Schließlich ist für Sie vor allem der Marktwert Ihres Klienten von Interesse.
Minovgidis: Regelmäßige Spielanalysen sind sehr wichtig. Oft habe auch ich Fragen, warum bestimmte Entscheidungen im Spiel getroffen wurden und welche Idee dahinter steckte. Da wird dann schon mal intensiv diskutiert. spox
SPOX: Also äußern Sie auch deutliche Kritik an Ihrem Spieler?
Minovgidis: Selbstverständlich. Das Ziel ist es aber nicht, den Spieler in die Pfanne zu hauen, sondern mit konstruktiver und ehrlicher Kritik weiterzubringen.
SPOX: Es ist jetzt Mitte Oktober, der 1. Januar naht in großen Schritten. Denkt man da als Berater schon wieder ans Transferfenster?
Minovgidis: Ja, jetzt geht es zum Winterfenster hin wieder richtig los. In der nächsten Zeit gilt es, für die zahlreichen Termine mit den Klubs perfekt vorbereitet zu sein.
SPOX: Inwiefern?
Minovgidis: Als Berater analysiere ich die Kader der Klubs, bevor ich mich in die Gespräche begebe. Die Verantwortlichen wissen es zu schätzen, wenn sich ein Berater mit ihrer Kaderstruktur beschäftigt und nicht wahllos Spielermappen auf den Tisch knallt.
SPOX: Wie wichtig ist den Klubs neben der sportlichen Qualität auch der Markenwert eines neuen Spielers?
Minovgidis: Der Markenwert wird immer wichtiger. Ein verpflichteter Topspieler verstärkt nicht nur die Mannschaft, sondern auch die PR-Kraft des Vereins. Das eröffnet neue Vermarktungsmöglichkeiten. Der Marktwert eines Spielers definiert sich nicht mehr ausschließlich über die sportliche Leistungsfähigkeit. Habe ich einen im Gesamtpaket passenden Spieler, schlage ich ihn dem Klub vor.
SPOX: Und dann stehen Sie vermutlich in Konkurrenz zu vielen anderen Beratern, die das Gleiche mit ihren Spielern vorhaben.
Minovgidis: Richtig. Die Vereine bekommen täglich teilweise 50 oder sogar mehr Mails von Vermittlern und Beratern. Auch jetzt schon, wo die Saison eigentlich gerade erst begonnen hat. Entsprechend gilt es, sich frühzeitig vorzubereiten und die Vereine rechtzeitig über die Situation seiner Spieler zu informieren.
SPOX: Sobald man als Berater aber dann im Büro eines Klubmanagers sitzt, stehen die Chancen eines Transfers wahrscheinlich recht gut ...
Minovgidis: Ein Deal ist erst ein Deal, wenn der Vertrag von allen Parteien unterschrieben ist. Das musste ich auch schon schmerzhaft erfahren. (lacht)
SPOX: Wie meinen Sie das?
Minovgidis: 2014 hatte ich den Transfer eines Spielers in die erste griechische Liga mündlich schon abgewickelt. Der Vertrag war bereits ausgehandelt, der Flug gebucht. Als ich am Flughafen ankam, wurde ich plötzlich telefonisch informiert, dass der Verein pleitegegangen war und Insolvenz anmelden musste. Natürlich waren alle Vereinbarungen hinfällig.
SPOX: Hat das dem Spieler die Karriere verbaut?
Minovgidis: Nein. Heute spielt er hier in Deutschland in der 2. Liga.
SPOX: Haben Sie manchmal eigentlich moralische Bedenken? Ein bestehender Vertrag des Spielers hindert Sie ja nicht daran, andere Vereine zu kontaktieren, oder?
Minovgidis: Natürlich gilt es, Verträge zu respektieren. Deshalb sucht man zunächst das Gespräch mit dem aktuellen Verein, um zu erfahren, wie der mit dem jeweiligen Spieler plant. Moralisch zu handeln, bedeutet für mich neben der Wahrung von Vertragsrichtlinien aber auch die Interessenvertretung meines Spielers. Bei auslaufenden Verträgen ist das unkomplizierter. Dann besitzt der Spieler ein halbes Jahr vor Ablauf des Arbeitspapiers das Recht, einen neuen Vertrag auszuhandeln und zu unterschreiben. Für Verträge, die zum 30. Juni enden, ist der 1. Januar also der Stichtag.