Die acht Teilnehmer des Champions-League-Finalturniers in Lissabon stehen fest. Doch welche Mannschaft ist besonders gut in Form, wer geht als Favorit ins Turnier und wann endet der Höhenflug von Atalanta Bergamo und Robin Gosens? Das Power-Ranking von SPOX und Goal.
Nach dem längsten Achtelfinale der Geschichte - zwischen Hinspiel und Rückspiel des Duells des FC Bayern gegen Chelsea lagen 165 Tage - stehen die Teilnehmer des Finalturniers in Lissabon fest.
Ab sofort gilt's für die Teams. Drei Siege in den K.o.-Spielen und die Spieler dürfen den Henkelpott in die Höhe recken. "Das hat schon ein bisschen was von EM oder WM", sagte Bayerns Mittelfeldspieler Leon Goretzka nach dem 4:1 gegen Chelsea am Samstag.
Doch wie sind die Teams in Form? Das Power-Ranking.
Platz 8: Olympique Lyon
- Gegner im Viertelfinale: Manchester City (15.8., 21 Uhr).
- So erreichte das Team das Finalturnier: Lyon schaltete völlig überraschend Juventus aus. Nach dem 1:0 am 26. Februar zu Hause in Lyon vor der Coronapause reichte nun ein 1:2 am 7. August in Turin zum Weiterkommen.
- Aktuelle Form: Die Spieler um Trainer Rudi Garcia werden wohl selbst auch überrascht gewesen sein, dass sie es tatsächlich nach Lissabon schafften und somit Andrea Pirlo über Nacht zum Juve-Trainer machten. OL war schon im Achtelfinale die große Unbekannte und ein noch größerer Außenseiter als Atalanta Bergamo. Dabei bleibt es - nur, dass die Zeit der Überraschungen vorbei ist.
Power-Ranking: Memphis Depay zu gut für Lyon
Player to watch: Memphis Depay: Der Niederländer (26) ist viel gut für Lyon. Für den Fall, dass Jadon Sancho doch noch zu Manchester United wechselt, steht er beim BVB hoch im Kurs - wieso das so ist, zeigte er auch gegen Juve. Depay gehört zu den wenigen Corona-Gewinnern: Er hatte sich kurz vor Weihnachten das Kreuzband gerissen, durch die Unterbrechung konnte der ballsichere Techniker sein Comeback noch in dieser Saison feiern.
- Schwachpunkte: Außer der stark besetzten Offensive, neben Depay genügen auch Moussa Dembele (24) und Karl Brillant Toko Ekambi (27) höheren Ansprüchen, mangelt es dem Team schlicht an Qualität für dieses Niveau - was die Mannschaft weiß. Dass OL in der nicht bärenstarken Ligue 1 nur Platz sieben erreichte, ist zwar auch ein wenig Corona geschuldet - Lyon fiel am letzten Spieltag vor dem Abbruch von Platz fünf auf sieben. Deutlich höher ist die Mannschaft aber auch nicht einzuschätzen. Und damals war auch noch Mittelfeldchef Lucas Tousart dabei, der mittlerweile in Berlin trainiert.
Platz 7: RB Leipzig
- Gegner im Viertelfinale: Atletico Madrid (13.8., 21 Uhr).
- So erreichte das Team das Finalturnier: RB schaltete noch vor der Coronapause Tottenham Hotspur total souverän aus. Dem 1:0 in London am 19.2. folgte ein 3:0 am 10.3. im März.
- Aktuelle Form: Schwer zu sagen. RB absolvierte sein letztes Pflichtspiel am 27 Juni (2:1 beim FC Augsburg), jedoch war die komplette Leistung nach der Corona-Unterbrechung nicht gerade famos. RB verlor zwar nur eins von neun Bundesligaspielen (0:2 gegen Dortmund), gewann aber auch nur drei. Die Rückrunde schloss Herbstmeister RB mit 29 Punkten auf Rang fünf ab - und holte zehn Zähler weniger als Dortmund und 20 weniger als Bayern. Wie die Mannschaft in Lissabon den Verlust von Torjäger Timo Werner kompensieren möchte, ist fraglich. Nationalspieler Marcel Halstenberg plagen zudem Rückenprobleme.
Power-Ranking: Julian Nagelsmann gewohnt selbstbewusst
- Player to watch: Dayot Upamecano: Der 21-Jährige kann sich nach seiner Vertragsverlängerung nun komplett auf das Turnier und seine Aufgaben konzentrieren. Schon jetzt dank seiner Schnelligkeit, Ballstärke und Übersicht eine Art Role Model für den Innenverteidiger der Zukunft, nach Werners Abgang wohl Leipzigs komplettester Spieler.
- Schwachpunkte: Trainer Julian Nagelsmann gab sich zwar bei der Abreise nach Lissabon gewohnt selbstbewusst und kündigte an, man wolle "mit dem Maximalerfolg zurückkommen", doch Atletico Madrid ist ein zu großer Stolperstein für den Kaltstart im Viertelfinale. Die Mannschaft von Trainer Diego Simeone hat schon ganz anderen und deutlich erfahrenern Gegnern Angst eingejagt.
Platz 6: Atalanta Bergamo
- Gegner im Viertelfinale: Paris Saint-Germain (12.8., 21 Uhr).
- So erreichte das Team das Finalturnier: Atalanta schlug den FC Valencia zweimal: Am 19. Februar 4:1 im San Siro, dem Spiel, das als "Spiel Null" der Corona-Pandemie in die Geschichte eingehen wird. Das Rückspiel im Mestalla gewann Bergamo mit 4:3.
- Aktuelle Form: 98 Tore in 38 Spielen in der Serie A - alle von Nicht-Italienern erzielt - sind mehr als nur ein Statement. Zudem verlor Bergamo nach der Coronapause nur ein Spiel - gegen Inter am letzten Spieltag. Sturmführer Josp Ilicic (32), der nach einem "psychologischen Kurzschluss" (Gazzetta dello Sport) zu Hause in Slowenien ist und womöglich überhaupt nicht mehr nach Bergamo zurückkehren wird, wird in der Mannschaft nicht nur sportlich vermisst. Dass Torwart Pierluigi Gollini (25) am Mittwoch wegen einer Knieblessur nicht mitwirken kann, wird auch nicht helfen.
Power-Ranking: Papu Gomez' Tanz ging viral
Player to watch: Seit 2014 spielt und tanzt Alejandro "Papu" Gomez schon für Atalanta. Der offensive Mittelfeldspieler wurde soeben zum besten Mittelfeldspieler der Serie-A-Saison gewählt, mit 16 Vorlagen in der Liga war er erneut der beste Vorlagengeber seines Teams. Fast schade, dass der 32-Jährige lieber Vorlagen gibt als Tore zu schießen: Die Band "Gli Autogol" und DJ Matrix widmeten Papus Torjubeltanz ihren Song "Baila como el Papu". Das dazugehörige Video, in dem Gomez selbst auch mittanzt, hat mehr als 44 Millionen Aufrufe auf YouTube.
- Schwachpunkte: Unterschätzen dürfte die Mannschaft um Linksverteidiger Robin Gosens keiner mehr. Das ist jedoch auch ein Problem. Ilicics und Gollinis Ausfälle wiegen schwer, allein mit Euphorie wird Bergamo PSG nicht aus dem Turnier schmeißen.
Platz 5: FC Barcelona
- Gegner im Viertelfinale: FC Bayern München (14.8., 21 Uhr)
- So erreichte das Team das Finalturnier: Barca setzte sich mit Mühe und Messi gegen den SSC Neapel durch. Dem 1:1 aus dem Hinspiel am 25. Februar folgte am 8.8. jetzt ein 3:1.
- Aktuelle Form: Auch wenn Barca das Finalturnier erreichte - und immerhin das Real Madrid voraus hat: Das 3:1 gegen Neapel klingt nur auf dem Papier gut. In der zweiten Halbzeit spielte Napoli Barca phasenweise an die Wand, auch zuvor konnte nur Messi glänzen. Der scheint rechtzeitig zum Turnier wieder Messi zu sein, doch Barca ist nicht mehr Barca.
- Player to watch: Lionel Messi. Auch wenn man gerne langsam etwas anderes schreiben möchte. Doch gegen Neapel wirkte Messi angesichts der Schwäche seiner Kollegen noch außerirdischer als sonst.
- Schwachpunkte: Barcelona agiert unter Trainer Quique Setien zu behäbig. Bisweilen scheint es, dass die Mannschaft unter dem Cruyff-Jünger Setien auch so spielt wie zu Cruyffs Glanzzeiten. Zu selten lassen Messis Kollegen ihre Genialität aufblitzen. Allerdings: Das Kicken komplett verlernt haben dürften sie auch nicht. Bayern darf nicht den Fehler machen, sich nur auf Messi zu konzentrieren.
Platz 4: Paris Saint-Germain
- Gegner im Viertelfinale: Atalanta Bergamo (12.8., 21 Uhr)
- So erreichte das Team das Finalturnier: PSG schaltete schon vor der Corona-Unterbrechung etwas glücklich Borussis Dortmund aus, das Ex-Team von Trainer Thomas Tuchel aus: Dem 1:2 am 18.2. folgte am 11.3. ein 2:0 zu Hause im Prinzenpark.
- Aktuelle Form: Zwei Spiele gewann PSG nach dem coronabedingten Saisonabbruch der Ligue 1 in den vergangenen Wochen, zwei Pokale sicherte sich die Mannschaft von Thomas Tuchel so. Richtig ruhmreich war aber weder das 1:0 im Pokalfinale gegen St.-Etienne, noch das 6:5 i.E. gegen Olympique Lyon. Zudem ist PSG von vielen Verletzten geplagt.
Power-Ranking: Kylian Mbappes und Marco Verrattis Fehlen schmerzt
- Player to watch: Marquinhos: Der 26-Jährige, eigentlich gelernter Innenverteidiger, absolvierte in dieser Saison mehr Spiele im defensiven Mittelfeld als im Abwehrzentrum (19 zu 15). Nicht nur, weil mit Marco Verratti im Viertelfinale das Hirn und Herz der Mannschaft wohl mit einer Wadenverletzung fehlen wird, ist der Brasilianer einer von Tuchels Schlüsselspielern. Er hat eine Rolle wie Tuchels Lieblingsschüler Julian Weigl einst beim BVB.
- Schwachpunkte: Die Ausfälle von Torjäger Kylian Mbappe, Linksverteidiger Lewyn Kurzawa und höchstwahrscheinlich auch Verratti muss auch PSG erst einmal kompensieren. Zumal im Sturm auch Angel di Maria gesperrt fehlt. Mauro Icardi und Neymar schienen zuletzt zudem auch nicht unbedingt auf dem Zenit ihrer Schaffenskraft. Und dann ist da ja noch der Viertelfinalfluch von PSG: Das letzte Mal stand der Klub vor 25 Jahren in einem europäischen Halbfinale.
Platz 3: Atletico Madrid
- Gegner im Viertelfinale: RB Leipzig (13.8., 21 Uhr)
- So erreichte das Team das Finalturnier: Atleti schaltete den amtierenden Titelträger FC Liverpool aus: Dem 1:0 am 18.2. folgte ein 3:2-Auswärtssieg nach Verlängerung am 11. März in Liverpool.
- Aktuelle Form: Mit sieben Siegen und vier Remis nach der Corona-Pause sicherte Atletico sich immerhin noch Platz drei und die erneute Champions-League-Teilnahme. Vor der Unterbrechung war Atletico nur Sechster gewesen. Dazu kommen jetzt noch die zwei Coronafälle in der Mannschaft. Eigentlich müsste hier also stehen: Geht so. Aber unabhängig davon und ganz grundsätzlich: Wenn eine Mannschaft prädestiniert für das Turnierformat scheint, dann ist es Atletico. Für das Team von Trainer Diego Simeone könnte das Wort klassische Turniermannschaft erfunden worden sein. Dieser Mannschaft ist auch zuzutrauen, dass sie mit drei torlosen Remis und Siegen im Elfmeterschießen den Pott gewinnt.
Power-Ranking: Wird Marcos Llorente zum Leipzig-Schreck?
- Player to watch: Marcos Llorente: Atleti war in Liverpool eigentlich schon ausgeschieden. Dann kam Marcos Llorente. Der 25-Jährige traf in einer magischen Verlängerung doppelt und bereitete schließlich noch den Siegtreffer von Alvaro Morata vor. Der von Real Madrid gekommene vielseitige Mittelfeldspieler hat sich in Liverpool freigespielt. Folgt nun gegen Leipzig der nächste Streich?
- Schwachpunkte: "Stärken nutzen, Schwächen verstecken", lautet seit jeher Simeones Motto. Vor allem letzteres gelang vor allem zu Beginn der Saison überraschend häufig nicht. Joao Felix (20) trug die 126 Millionen Euro Ablöse wie einen Rucksack mit sich herum, Llorente brauchte lange, um anzukommen und die Innenverteidigung mit Felipe (31) und Jose Gimenez (25) oder Savic (28) war auch schon mal prominenter besetzt.
Platz 2: FC Bayern München
- Gegner im Viertelfinale: FC Barcelona (14.8., 21 Uhr)
- So erreichte das Team das Finalturnier: Die Bayern schlugen den FC Chelsea mit insgesamt 7:1 Toren. Dem 3:0 vom 25. Februar ließen die Münchner am Samstag ein 4:1 folgen.
- Aktuelle Form: Nie zuvor schaffte eine Mannschaft acht Siege aus den ersten acht Champions-League-Spielen, nie zuvor traf eine Mannschaft in diesen acht Spielen 31-mal. Dazu die Tore von Robert Lewandowski, dem nur noch vier Treffer zu Cristiano Ronaldo für die Ewigkeit gedachten 17 Saisontore-Rekord in der Champions League fehlen: Bayern hat in der Champions League einfach da weitergemacht, wo es im DFB-Pokal und in der Bundesliga aufgehört hat. Und wo es zuvor vor der Corona-Unterbrechung aufgehört hatte. Die Mannschaft von Trainer Hansi Flick ist fast schon beängstigend souverän und scheint sich von nichts und niemanden aus dem Konzept bringen zu lassen. Jedoch: Bayern wurde schon lange nicht mehr richtig gefordert. Die Frage, ob dies an der Schwäche der Gegner oder an der Stärke der Bayern lag, wird eine der spannendsten des Finalturniers.
Power-Ranking: Hätte Bayern einen Plan B?
- Player to watch: In einer insgesamt sehr starken Mannschaft, in dem auch der größte Star den Teamgeist betont, sticht Robert Lewandowski doch noch mal hervor.
- Schwachpunkte: Wenn überhaupt, dass das Team schon lange nicht mehr richtig gefordert wurde. Bisher genügte die bemerkenswert simple und deswegen so gute Erfolgsformel von Coach Flick - hoch und aggressiv pressen bei gegnerischem Ballbesitz und dann schnörkellos und blitzschnell in die Spitze spielen, geduldig aufbauen im eigenen Drittel. Doch spätestens in einem möglichen Halbfinale gegen Ex-Trainer Pep Guardiola könnten die oft großen Abstände im Mittelfeld auch mal zum Problem werden. Und obwohl Bayern im Kollektiv funktioniert, gibt es eben doch ein paar Spieler, ohne die es nicht funktionieren würde. Sollten sich Joshua Kimmich oder Robert Lewandowski verletzen, würde es eng werden.
Platz 1: Manchester City
- Gegner im Viertelfinale: Olympique Lyon (15.8., 21 Uhr)
- So erreichte das Team das Finalturnier: Die Citizens schlugen Real Madrid zweimal 2:1: Am 26. Februar in Madrid und am 7. August in Manchester.
- Aktuelle Form: Die Meisterschaft in der Premier League hatten die Citizens schon vor der Corona-Unterbrechung verspielt. Das 1:2 gegen Chelsea Ende Juni und das 0:1 gegen Southampton konnte Pep Guardiolas Team verschmerzen, etwas schwerer wog das 0:2 gegen Arsenal im FA-Cup-Halbfinale. Doch: Citys oberstes Ziel in dieser Saison ist die Champions League - und da trafen Guardiola und die Seinen gegen Real nur richtige Entscheidungen. Die nach dem Viertelfinale möglichen Gegner kennt Pep zudem aus dem Effeff: Die Pläne gegen Bayern oder Barca wird er längst im Kopf haben. City ist das vielseitigste, taktisch bestgeschulte Team in Lissabon. Eine echte Pep-Guardiola-Mannschaft, die immer auf der Suche nach Lösungen ist.
Power-Ranking: David Silva will sich mit dem Henkelpott verabschieden
- Player to watch: Womöglich wird David Silva im Viertelfinale nicht von Beginn an auf dem Platz stehen. Doch der 34-Jährige, der City im Sommer nach zehn Jahren verlassen wird, wird auf seine Minuten kommen. Weil Guardiola im Herzen ein Romantiker ist und der wohl größten Legende des modernen City den Abschied schenken wird, den sie verdient. Vor allem aber, weil auch Guardiola "auf engem Raum noch nie einen Spieler wie ihn" gesehen hat. Die Champions League fehlt dem Magier des vorletzten Passes noch - was wäre das für ein Schlussakkord seiner Zeit unter dem himmelblauen Himmel?
- Schwachpunkte: Seit 2011 stand Guardiola nicht mehr im Finale der Champions League, die Viertel- und Halbfinals der Königsklasse entwickeln sich langsam zum Trauma für den Katalanen. Außerdem wurde City gewisse Defensivprobleme in der gesamten Saison nicht richtig los.