Haben Spieler zu wenig Einfluss auf die großen Entscheidungen im Fußball? Rapper Jay Z sagt Ja - und will das mit einer eigenen Agentur ändern.
"Geldgieriger Piranha!" Als Uli Hoeneß im September 2020 diese Worte ausspricht, ist das nicht einfach nur ein Gefühlsausbruch. Es ist die in wenige Silben komprimierte Zusammenfassung dessen, was nahezu die gesamte Fußballwelt über eine Branche denkt. Denn der angegriffene Pini Zahavi ist das, was viele Vereine und Fans als eines der größten Übel des Geschäfts ansehen: ein Spielerberater.
Im konkreten Fall verhandelt Zahavi für David Alaba, will mehr Wertschätzung - oder anders ausgedrückt: Geld - für seinen Klienten herausholen. Die Bayern wollen das nicht zahlen, Alaba wechselt nach Madrid. Ohne dem Österreicher zu unterstellen, dass die Bezahlung der einzige Grund für seinen Wechsel nach Spanien ist, bleibt ebendies bei den enttäuschten Fans hängen.
Alaba bekommt ordentlich Kritik zu spüren und ist doch für viele nicht der Hauptschuldige. Das bleibt Zahavi, denn der hat schließlich verhandelt - und kassiert bei einem Wechsel ja kräftig mit.
Spielerberater im Fußball: "Geldgierige Piranhas"
Spätestens seitdem Big Player wie ebenjener Zahavi oder der allseits berüchtigte Mino Raiola den Fußballmarkt entscheidend prägen, hat sich eine allgemeine Wahrnehmung von Spielerberatern und deren Agenturen etabliert: Menschen, die Spieler aufgrund eigener finanzieller Interessen Verträge unterschreiben oder ablehnen lassen, die den jungen Profis Flöhe ins Ohr setzen.
Wenn Klienten ihre Berater dann als engagierte Vertreter ihrer eigenen Karriereziele oder gar gute Freunde loben, hilft das diesen nicht, sondern passt ins Bild: Der Junge weiß doch dann gar nicht, was er wirklich will, der wird verführt, angestachelt, aufgehetzt. Im Klartext: Eine eigene Meinung haben die gestylten Profis doch schon lange nicht mehr.
gettyJay Z's Roc Nation: Ein neuer Weg?
Was 2019 in den USA geschieht, ist im Prinzip das exakte Gegenteil dieser Auffassung. Der weltweit berühmte Rapper Jay Z gründet gemeinsam mit Juan Perez die Berater-Agentur Roc Nation. Ihr wesentliches Ziel: Sportlern eine Stimme geben. Dafür sorgen, dass die Perspektive von Athleten Einfluss auf die Entscheidungen nimmt, die in den großen Verbänden getroffen werden. Piranhas als Empowerment-Helfer - so absurd klingt das wohl in den Ohren der meisten Fußballfans.
Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Agenturen ist zunächst einmal, dass Roc Nation nicht im Fußballgeschäft begonnen hat. Die Perspektive der Berater, die zunächst Klienten aus US-Sportarten wie American Football, Hockey oder Basketball betreut, ist daher eine andere. "Für mich gibt es einen großen Unterschied zwischen den amerikanischen Sportarten wie der NFL, der NBA oder der NHL und europäischen Sportarten wie Fußball oder Rugby", erklärt Michael Yormack, der Präsident der Firma, SPOX und GOAL: "Meiner bescheidenen Meinung nach haben europäische Sportler keine echte Stimme."
Wohlergehen der Spieler rückt in den Hintergrund
Im ersten Moment wird sich dieses Statement für viele nach blankem Hohn anhören, entspricht es doch so gar nicht dem Stereotyp des verzogenen Fußballer-Bengels, der Millionen auf dem Konto hat und sich um nichts anderes als den neuesten stylischen Haarschnitt Gedanken machen muss.
Betrachtet man allerdings den Wendepunkt, vor dem der Fußball in diesem Moment steht, erscheint der Eintritt von Roc Nation in den europäischen Sportmarkt nahezu logisch und folgerichtig: Pläne für eine Super League, eine WM alle zwei Jahre, ein neuer Champions-League-Modus. Immer mehr Spiele, immer mehr Geld, immer mehr Druck. Jede Meinung ist willkommen - nur die der Spieler nicht, deren körperliches Wohlergehen absolut kein Faktor zu sein scheint. Die verdienen ja auch schließlich genug, so der allgemeine Tenor.
Doch für die von Rapper Jay Z mitbegründete Agentur, die mittlerweile auch ein Büro in London hat, ist Geld nicht der einzige Gradmesser für die Interessenvertretung von Sportlern. Yormack formuliert die Ansprüche seiner Spieler präzise: "Während wir als Agentur nicht nur in Bezug auf unsere Größe, sondern auch bezüglich unseres Einflusses wachsen, unterstützen wir unsere Spieler dabei, in wichtige Entscheidungsprozesse innerhalb ihrer Klubs und ihrer Ligen eingebunden zu werden. Unsere Spieler wollen gehört werden und das Spiel beeinflussen."
gettyDe Bruyne, Lukaku und Witsel als Klienten von Roc Nation
Der von Roc Nation eingeschlagene Weg wäre nicht weniger als eine Revolution des Beratermarktes. Doch dazu braucht es prominente Mitstreiter - und vor allem prominente Klienten. Und die hat Roc Nation: Neben dem englischen Verteidiger Tyrone Mings vertritt die Agentur ein belgisches Superstar-Trio, bestehend aus Romelu Lukaku, Kevin de Bruyne und BVB-Profi Axel Witsel.
"Es geht nicht darum, möglichst viele Spieler unter Vertrag zu nehmen, sondern um die richtigen Spieler, die sich mit uns identifizieren und Teil von etwas Einzigartigem sein wollen", betont Yormack gegenüber SPOX undGOAL Und der Firmenchef denkt auch beim Blick auf die Zukunft groß: "So wie Kinder davon träumen, eines Tages für Manchester United, Manchester City, PSG oder Real Madrid zu spielen, sollen sie davon träumen, von Roc Nation repräsentiert zu werden." Einen höheren Anspruch kann man wohl kaum formulieren, auch nicht im großspurigen Geschäft der "geldgierigen Piranhas".