Das 1:1 beim FC Augsburg war für den FC Schalke 04 das dritte Bundesligaspiel in Folge ohne Sieg. Der Vizemeister der vergangenen Saison ist nur mehr drei Punkte vom Relegationsplatz entfernt. Während die Mannschaft sportlich enttäuscht, rumort es vor der Partie gegen Bayer Leverkusen (18.30 Uhr im Liveticker) zwischen den Bossen.
"Gas geben, Bälle festmachen, Spaß haben", habe ihm Trainer Domenico Tedesco vor seiner Einwechslung in der Halbzeitpause des Bundesligaspiels in Augsburg aufgetragen. So erzählte es Schalkes Haji Wright nach dem Spiel in der Mixed Zone, und als er dann gefragt wurde, ob er die Anweisung auch befolgt und tatsächlich Spaß gehabt hätte, sagte er "ja natürlich" und lachte breit.
Natürlich! Wright ist schließlich ein 20-jähriger Stürmer, der normalerweise in der Reserve zum Einsatz kommt. Gerade hatte er sein drittes Bundesligaspiel gemacht und sogar ein Tor geschossen (das aber wegen einer knappen Abseitsposition aberkannt wurde). Natürlich hatte er Spaß! Natürlich lachte er!
Aber damit war er der Einzige im Schalker Tross. Spaß haben und lachen sah man sonst keinen. Nicht seine Mitspieler, nicht Trainer Tedesco, nicht Sportvorstand Christian Heidel. Sie alle schauten ernst oder traurig. Auch in Augsburg hatte es für Schalke schließlich zu keinem Sieg, sondern nur zu einem Punkt gereicht. Es war der 15. im 15. Saisonspiel.
Schalke ist Tabellen-13. und seit drei Bundesligaspielen sieglos, der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt nur mehr drei Punkte. Der Klub, der in der vergangenen Saison Vizemeister geworden war, steckt in der Krise.
Die Spieler halten sich nicht an Tedescos Plan
Warum, das wurde in der ersten Halbzeit dieses Spiels gegen Augsburg blendend vorgeführt. "Schalke ist der geilste Klub der Welt", sangen die zahlreichen Fans im Auswärtsblock, während die elf Spieler auf dem Platz abwechselnd fatale Fehlpässe fabrizierten und hilflose Befreiungsschläge schlugen. Augsburg erspielte sich unterdessen Chance um Chance und ging in der 13. Minute durch Michael Gregoritsch verdient in Führung.
Die Fans blieben zwar im Rhythmus, aber sangen fortan stattdessen: "Schalke hat die geilsten Fans der Welt!" Sie feierten sich selbst statt der Mannschaft. Und die Spieler schauten sich fragend an: Hast du vielleicht eine Idee?
Was die Idee war, das erzählte nach dem Spiel Tedesco. "Wir haben besprochen, wie wir Cedric Teuchert anspielen", sagte er ruhig, aber auch ein bisschen verzweifelt. "Und zwar nicht hoch, weil das keinen Sinn macht. Genauso wenig wie Steven Skrzybski, genauso wenig wie Amine Harit. Weil sie einen körperlichen Nachteil haben. Es war der Plan, die Bälle flach da reinspielen." Seine Spieler machten das Gegenteil und das nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Es wirkte hilflos: hoch und weit und dann mal schauen.
Da vorne, wo die Bälle eigentlich flach reingespielt werden sollten, standen mit Teuchert (1,82 Meter), Skrzybski (1,74) und Harit (1,79) drei Menschen, die zwar von stattlicher Statur sind, aber nicht von ganz so stattlicher Statur wie ihre furchteinflößenden Augsburger Gegenspieler Jeffrey Gouweleeuw, Martin Hinteregger und Rani Khedira. Und die gewannen dann halt einfach jedes Kopfballduell und jeden zweiten Ball. Oder wie es Tedesco ausdrückte: "Wir wurden ein bisschen aufgefressen."
Schalke 04: Wollen, aber (aktuell) nicht können
Die Spieler wussten also eigentlich, was zu tun war. Nur: Sie setzten es nicht um. "Kurz bevor sie rausgehen, hat man das Gefühl, sie wollen. Und ich glaube auch, dass sie wollen", versicherte Heidel. Seine Spieler sind also entweder brutal gute Schauspieler - oder eben brutal verunsichert. Bastian Oczipka plädierte für die zweite Version und erzählte von Fangesängen. "Sie haben gerufen: 'Wir wollen euch kämpfen sehen'", sagte er, "aber das erwarten wir ja auch von uns." Gleiches Thema. Wollen, aber (aktuell) nicht können.
Immerhin in der zweiten Halbzeit, nach Tedescos Systemumstellung von 3-4-3 auf 4-2-3-1, kam die Mannschaft näher an diese eigene Erwartung heran. Es resultierte im Ausgleich durch Daniel Caligiuri und einer verhältnismäßig ansehnlichen Schlussphase. Beteiligt waren daran eingewechselte Spieler wie eben Wright (20) oder Ahmed Kutucu (18). Sie bemühten sich zwar, aber "wir können nicht erwarten, dass uns ein Jahrgang 2000 aus der Misere hilft", sagte Tedesco.
Die besten Alternativen für die Startelf-Spieler kommen aktuell aber offenbar aus dem Jahrgang 2000, sonst würde sie Tedesco nicht einwechseln. Dass es überhaupt so weit gekommen ist, hat zwei Gründe: großes Verletzungspech und mangelhafte Kaderplanung.
Großes Verletzungspech, mangelhafte Kaderplanung
Speziell in der Offensive wurde die Mannschaft verletzungsbedingt zuletzt arg ausgedünnt. Mit Mark Uth, Breel Embolo, Guido Burgstaller und Franco Di Santo fehlen aktuell die vier prominentesten Stürmer. Neckisch könnte man sagen: Letztlich egal, mit ihnen lief es nämlich auch nicht besser. In der Bundesliga kommt das Quartett trotz zusammengerechnet 38 Einsätzen bisher auf lediglich fünf Treffer.
Das liegt auch an Tedescos permanenten taktischen und personellen Rochaden. Er wechselt in dieser Saison (teils gezwungenermaßen) schneller, als seine Mannschaft spielt. Auch gegen Augsburg änderte er seine Startelf im Vergleich zum vorangegangenen Pflichtspiel auf sechs Positionen. Langfristiges Einspielen ist so nicht möglich - das gilt für die Stürmer wie für alle anderen Spieler auch.
Die Misere des Schalker Spiels liegt auch an Tedescos Philosophie, Abwehr ist ihm bekanntlich wichtiger als Angriff. Es ist eine Philosophie, die zwar größtenteils auf eigener Überzeugung beruht, aber zumindest auch ein wenig aus der Not heraus geboren ist. Denn Spieler, die für die nötigen Ideen sorgen könnten, sind entweder außer Form oder stehen nicht bei Schalke unter Vertrag.
Der aktuelle Kader ist weder in der Spitze, noch in der Breite gut genug besetzt. Für insgesamt 52,7 Millionen Euro hatte Heidel im Sommer neue Spieler verpflichtet, die jedoch größtenteils lediglich gehobenes Bundesliga-Mittelmaß verkörpern. Spieler wie Suat Serdar, Omar Mascarell oder Salif Sane. Im Sommer verlor der Klub mit Thilo Kehrer, Leon Goretzka und Max Meyer darüber hinaus drei überdurchschnittliche Spieler - die letzten beiden sogar ablösefrei.
Heidel, Tönnies und die Debatte über externe Berater
Unzufrieden ist mit dieser generellen Entwicklung offenbar auch Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, der neulich öffentlich anregte, Heidel könnte sich bei Transfers doch künftig von außen unterstützen lassen. Beim Revierrivalen Borussia Dortmund klappe das mit Matthias Sammer doch ganz hervorragend. "Unnötig" sei dieser Vorstoß gewesen, betonte Heidel aber, und sagte: "Ich halte nichts von einem externen Berater, der einmal im Monat vorbeikommt."
Und überhaupt: Heidel hat ja eigentlich schon jetzt ganz viele Berater. Peter Knäbel etwa, der sich "Technischer Direktor Entwicklung" nennen darf. Oder Huub Stevens, der sich "Jahrhunderttrainer" nennen darf. "Und vor drei Wochen habe ich mit Helmut Kremers, Erwin Kremers, Rüdiger Abramczik, Ingo Anderbrügge gesprochen, und wer war noch alles dabei?", fragte sich Heidel selbst und antwortete nach kurzem Überlegen: "Olaf Thon, Martin Max."
Lauter Vereinslegenden, die Meinungen und Einschätzungen abgegeben haben. "Ich könnte jetzt natürlich sagen: 'Das sind alles unsere Berater'", erklärte Heidel. Und als er merkte, dass er es auch tatsächlich gesagt hatte, lächelte er sogar kurz etwas belustigt. Aber es war kein Lächeln, wie es Wright gezeigt hatte. Dafür ist die aktuelle Situation bei seinem Klub zu misslich - auf vielen Ebenen.