In der letzten Saison rettete Dieter Hecking den 1. FC Nürnberg nach einer verkorksten Hinrunde noch vor dem Abstieg. Im Interview spricht der 45-Jährige über seinen Umgang mit jungen Spielern, Alterherren-Fußball, eine neue Erfahrung und Robert Enke.
SPOX: Herr Hecking, Sie haben ziemlich erfolgreiche Monate hinter sich. Erst gab's den Klassenerhalt mit Nürnberg und dann sogar noch einen Titel.
Dieter Hecking: (lacht) Sie meinen wahrscheinlich die Meisterschaft in der Altsenioren-Kreisliga ...
SPOX: ... wo Sie mit der SG Riehe/Bad Nenndorf, einem Klub bei Hannover, bei dem Sie in Ihrer Freizeit mitgekickt haben, mit 21 Siegen und einem Remis in 22 Spielen souverän den Titel holten.
Hecking: Wir haben da schon eine ganz ordentliche Mannschaft für diese Altersklasse. (lacht) Vor meinem Wechsel nach Nürnberg habe ich dort recht regelmäßig mitgespielt, danach hat es, glaube ich, leider nur noch für einen Einsatz gereicht.
SPOX: Spielen Sie dort mit, um körperlich fit zu bleiben?
Hecking: Diese Mannschaft hat sich etwa vor sechs, sieben Jahren so gefunden und ist aus der Idee entstanden, dass wir uns doch ein bisschen bewegen könnten. Wir haben erst immer Mittwochabends von 19 Uhr bis 20.30 Uhr einfach nur so gespielt und hinterher in gemütlicher Runde ein bisschen Champions League geguckt. Später haben wir uns dann dem Verein in Bad Nenndorf angeschlossen. Das sind immer ganz nette Treffen. Es macht viel Spaß, und es ist auch ganz angenehm, mal mit Leuten abseits der Bundesliga zusammen zu sein.
SPOX: Sie sind mittlerweile seit über zehn Jahren im Trainergeschäft. Vor Ihrem Engagement in Nürnberg waren Sie rund vier Monate ohne Job - solange wie nie zuvor. Hat Ihnen die Pause mal ganz gut getan?
Hecking: Ich muss zugeben, dass es anfangs schon problematisch war. Wenn man ganz abrupt von 100 auf 0 herunter fährt, ist das erstmal sehr ungewohnt. Es fehlt eben etwas. Nach einiger Zeit habe ich dann schon gemerkt, dass es gut tut, mal aufzutanken, nachdem ich vorher fast neun Jahre am Stück als Trainer gearbeitet habe. Aber natürlich ist man froh, wenn man nach einer gewissen Pause wieder loslegen darf. Da geht es einem wie anderen Arbeitslosen auch.
SPOX: In diese vier Monate ohne Job fiel auch der Tod von Robert Enke. Waren Sie damals froh, dass Sie nicht so extrem in der Öffentlichkeit standen und Ihre Betroffenheit und Trauer damit persönlicher verarbeiten konnten?
Hecking: Ob ich nun in der Öffentlichkeit stand oder nicht hat zunächst mal nichts an meiner Betroffenheit geändert. Ich habe lange mit Robert eng zusammengearbeitet, aber nichts von seiner Krankheit mitbekommen. Da stellt man sich dann schon auch Fragen. Mir war es aber wichtig, mich öffentlich zurückzuhalten.
SPOX: Warum?
Hecking: Es gab in dieser Phase so viele Menschen, die sich zu Wort gemeldet haben, obwohl sie Robert gar nicht kannten. Es standen dadurch viele Spekulationen im Raum. Das fand ich sehr anmaßend. Deshalb habe ich mich bewusst zurückgenommen.
SPOX: Damals und in der Folgezeit wurde immer wieder davon gesprochen, dass man trotz allem den Blick nach vorne richten müsse. Ist Robert Enke dadurch vielleicht auch ein bisschen in Vergessenheit geraten?
Hecking: Das glaube ich nicht.
SPOX: Bei der WM haben einige spanische Spieler nach dem Finale an ihre verstorbenen Kollegen Dani Jarque und Antonio Puerta erinnert.
Hecking: Das lag aber vielleicht auch daran, dass sie - wie im Fall von Andres Iniesta und Dani Jarque - eben einen sehr engen persönlichen Kontakt zu den Spielern hatten. Vielleicht wäre beim deutschen Team eine ähnliche Reaktion gekommen, wenn ein Spieler aus Hannover dabei gewesen wäre. Ich weiß, dass Robert in Hannover noch immer in den Gedanken der Spieler ist und auch immer wieder an ihn gedacht wird.
SPOX: Nach vier Monaten ohne Job haben Sie Ende Dezember in Nürnberg angeheuert. War es die bislang größte Herausforderung in Ihrer Trainerkarriere, weil Sie ihre Mannschaften vorher zu Beginn einer Saison übernommen haben und die Situation nie so prekär war?
Hecking: Zu diesem Zeitpunkt war es schon eine besondere Herausforderung. Aber gleichzeitig war das natürlich auch der große Reiz dieser Aufgabe. Wir konnten den Kader, der ja vorher schon gut zusammengestellt war, in der Winterpause dann nochmal ein wenig aufpeppen und haben den Klassenerhalt am Ende noch geschafft.
SPOX: Schon im letzten Jahr setzte der Club auf junge Spieler. In dieser Saison geht der Verein diesen Weg weiter. Würden Sie von sich selbst sagen, dass Sie gut mit jungen Spielern können?
Hecking: Ob ich das besonders gut kann, sollen andere beurteilen. Es macht mir auf jeden Fall sehr viel Spaß. Und ich denke, dass es bislang auch sehr gut geklappt hat. Es ist doch so: Bevor man irgendwo anfängt, muss man sich natürlich fragen: Welche Mannschaft findet man vor, wie ist die Philosophie des Vereins? Gleichzeitig haben sich die Verantwortlichen des 1. FC Nürnbergs die Frage gestellt, wer für das junge Team und diesen Weg der richtige Trainer sein könnte. So haben wir zueinander gefunden - und bislang liegen offenbar beide Seiten mit ihrer Entscheidung richtig.
SPOX: Wie packen Sie die Jungen an?
Hecking: Auf die Jungs stürzt gerade jetzt am Anfang ihrer Karriere viel ein. Dessen muss man sich bewusst sein. Deshalb muss man sie ernst nehmen, sie müssen das Gefühl haben, dass sie kommen können, wenn sie Sorgen haben. Das ist mir wichtig. Auf der anderen Seite fordere ich viel von ihnen ein.
SPOX: Das heißt?
Hecking: Es ist nun einfach eine andere Generation als zu meiner Zeit. Heute orientieren sich die jungen nicht mehr so sehr an den erfahreneren Spielern. Durch die Öffentlichkeit, Medien und Berater stehen die jungen Spieler schon viel mehr im Fokus und lernen dadurch, sehr selbstbewusst aufzutreten. Doch dieses Auftreten muss auch immer erst im Einklang mit der Leistung stehen. Das fordere ich. Aber eines ist mir schon auch wichtig...
SPOX: Nämlich?
Hecking: Bei all den jungen Spielern darf man nicht vergessen, dass wir einige erfahrene Spieler im Kader haben, die auch interessant und von großer Bedeutung sind. Das geht mir manchmal etwas unter. Für mich ist eine gute Zusammenarbeit mit diesen Leuten sehr wichtig, weil sie aufgrund ihrer Erfahrung eben auch meist die ersten Ansprechpartner sind.
SPOX: Wie unterscheiden sich die Gespräche mit den erfahrenen Leuten von denen mit jungen Spielern?
Hecking: Mit den jungen Spielern bespricht man viel häufiger spieltaktische Dinge, die die älteren Profis schon tausend Mal gemacht und besprochen haben. Bei denen geht's dann mehr um die Fragen, wie ist die Stimmung in der Truppe, worauf soll man achten, was fällt euch auf. Auch der Ton ist manchmal ein anderer. Während man mit den älteren auch mal intensiver und härter diskutiert, wird mit den Jungen auch mal gescherzt, um sie zu erreichen.
SPOX: Sie haben selbst fünf Kinder. Ist das ein Vorteil im Umgang mit jungen Spielern, dass Sie dadurch auch wissen, wie die junge Generation tickt?
Hecking: Das könnte sein, aber ehrlich gesagt habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Das muss man auch getrennt voneinander betrachten. Der Umgang mit meinen Kindern findet im Kreise der Familie statt und ist privat. Bei jungen Profis habe ich es mit Leuten zu tun, die in der Öffentlichkeit stehen.
SPOX: Die Interessen sind aber wohl dennoch vergleichbar. Können Sie mitreden, wenn es um Lady GaGa, Shakira oder Germanys next Topmodel geht?
Hecking: Ich weiß, was läuft, halte mich aber bewusst zurück. (lacht)