Diego Armando Maradona war auf vielen großen Bühnen des Fußballs unterwegs. Sein Debüt als Spieler eines europäischen Vereins feierte Argentiniens verstorbene Legende aber kurioserweise im Emsland - gegen den SV Meppen. Ein Rückblick mit zwei Zeitzeugen.
Die Sonne lacht, die Vögel zwitschern, das Bier steht kalt.
Der 3. August 1982 ist ein herrlich schöner Sommertag in Meppen. Und er soll ein noch schönerer werden, schließlich kommt heute der große FC Barcelona zu einem Testspiel in die emsländische Provinz. Mit der vollen Kapelle, wohlgemerkt. Heißt also: auch mit dem erst kürzlich für von den Boca Juniors verpflichteten Neuzugang Diego Armando Maradona. Dem - spätestens seit dem Abtritt von Pele vor fünf Jahren - aufregendsten Spieler Südamerikas.
"Viele von uns", erinnert sich Reinhold Woyciechowski, "waren aus dem Häuschen". Offensivspieler Woyciechowski und der SV Meppen, zu diesem Zeitpunkt nur in der Oberliga aktiv, profitierten von einem Anruf ihres damaligen Abteilungsleiters Gerd van Zoest bei UEFA-Spielevermittler Günther Bachmann im Januar 1982.
Van Zoest fragte ihn nach einem "attraktiven Gegner" anlässlich des 70-jährigen Vereinsbestehens. Bachmann bot ihm Barca, das sein Sommer-Trainingslager in den nicht weit entfernten Niederlanden aufschlagen wollte. Nach einem Tag Bedenkzeit wurde der Deal eingefädelt - für 70.000 D-Mark. Es wäre wohl ein Stückchen teurer geworden, hätte zu jenem Zeitpunkt schon der knapp 19 Millionen D-Mark schwere Transfer von Maradona zu Barca festgestanden. "Ein reiner Glücksfall", wie van Zoest am Tag des Spiels frohlockt.
imago images / HorstmüllerMaradona mit Barca in Meppen: "Ein Tohuwabohu"
Obwohl das Hindenburgstadion zu Meppen eigentlich nur 18.000 Zuschauerplätze fasst, pilgern am 3. August 1982 an die 22.000 auf das Gelände. Die meisten mit dem Ziel, den Goldjungen aus Buenos Aires einmal aus nächster Nähe zu sehen. "Sie können sich vorstellen, was das für ein Tohuwabohu war", erzählt Woyciechowski.
Einige Schaulustige belagern Maradona, 21, schon beim Aufwärmen und bitten ihn um Autogramme. "Es war unmöglich für ihn, sich ordentlich mit seinen Mitspielern warmzumachen. Ständig bildete sich eine Menschentraube um ihn herum. Damals war das mit den Sicherheitsvorkehrungen ja noch nicht so wie heute", berichtet Bernd Kugler, Meppens damaliger Torhüter, 38 Jahre später am Tag nach dem Tod Maradonas.
Trotz des Trubels um ihn bleibt Maradona gelassen. Kugler sieht in dem neuen Stern am Fußballhimmel "ein schüchternes, fast schon zurückhaltendes Kerlchen, bei dem nicht abzusehen ist, was für eine Persönlichkeit einmal aus ihm werden würde". Als der Ball rollt, legt Maradona seine Zurückhaltung ab. Schon nach 13 Minuten schenkt er Kugler das erste Tor ein, sicher vom Elfmeterpunkt aus.
imago images / HorstmüllerMaradonas erstes Spiel und Tor im europäischen Klubfußball
"Das war vieles, aber kein Strafstoß", ärgert sich Kugler noch heute über den Handelfmeter, den einer seiner Vorderleute nach einer hohen Flanke der Gäste in den Strafraum verschuldet. "Der Schiedsrichter kam aus Osnabrück, der mochte uns nicht. Mit diesem unnötigen Pfiff hat er das Spiel so ein bisschen kaputt gemacht. Die Motivation war nach dem frühen Rückstand eine andere."
Schade für die Meppener, Kugler kann dem Gegentreffer aber auch etwas Positives abgewinnen. "Gegen mich hat Maradona sein erstes Tor im europäischen Vereinsfußball geschossen! Das ist doch was, an das man sich gerne zurückerinnert."
Der eingewechselte Woyciechowski hingegen hat rein sportlich gesehen keine guten Erinnerungen an den Mann mit der Nummer 10 und der Wuschelfrisur: "Er ließ sich gefühlt bei jedem Kontakt fallen, das war dann schon etwas ermüdend. Wir kamen ja auch so fast gar nicht an den Ball."
Maradonas Trikot? "Keine Chance"
Das spiegelt sich auch im Ergebnis wider. 0:5 endet die Partie aus Sicht des Außenseiters. Neben dem nur in der ersten Halbzeit eingesetzten Maradona treffen noch Quini (22.), Allan Simonsen (41.), Enrique Moran (56.) und Victor Munoz (84.) für Barcas Mannschaft, die mit Udo Lattek von einem Deutschen trainiert wird.
Bernd Schuster, der mit Knieschmerzen zu kämpfen hat, kommt erst gar nicht zum Einsatz. Braucht er auch nicht. Alle Augen sind auf Maradona gerichtet, auch nach dem Abpfiff. Der Superstar zählt ebenfalls zu den Spielern, die sich zur Belohnung eine Bratwurst vom Grill gönnen. Andere Zeiten halt, ein Hauch von Kreisklasse. Lange bleibt Maradona aber nicht am Würstchenstand, recht zeitig schnappt er sich seine schwarzen Puma-Schuhe und flüchtet vor den immer noch nicht nachlassenden Fotografen und Fans in die Kabine.
"Ich hätte gerne sein Trikot gehabt, wie eigentlich alle unserer Spieler", sagt Woyciechowski, "doch keine Chance! Ich glaube, dem Maradona war der ganze Rummel um ihn vielleicht dann doch ein bisschen zu viel".
SV Meppen - FC Barcelona: Die Daten zum Testspiel
- Für Meppen im Einsatz: Kugler, Höfer, Hüring, Meiners, Faltin, H. Menke, J. Menke, Eiting, Hohmann, Gerdes, Deters, Rülander, Koopmann, Bartling, Sulmann, Woyciechowski, Winkeler, Bruns, Beckmann
- Für Barcelona im Einsatz: Urruti, Artola, Amador, Julio Alberto, Moran, Estella, Gerado, Marcos, Moratolla, Olmo, Urbano, Victor Munoz, Migueli, Carrasco, Pichi Alonso, Alesanco, Maradona, Quini, Simonsen, Esteban
- Tore: 0:1 Maradona (13./Elfmeter), 0:2 Quini (22.), 0:3 Simonsen (41.), 0:4 Moran (56.), 0:5 Viktor Munoz (84.)
- Schiedsrichter: Heitmann (Osnabrück)
- Zuschauer: 22.000 (geschätzt)