Bundesliga-Erkenntnisse des 16. Bundesliga: Beim BVB herrscht Panik - die Schatten-Innenverteidigung empfiehlt sich für die EM

Stefan Rommel
18. Januar 202113:51
SPOXgetty
Werbung

Der BVB bleibt weiter unberechenbar, in Frankfurt fließen Tränen und herrscht Freude zugleich. Eine Bremer Hoffnung darf sich ebenso präsentieren wie zwei Spieler, die unter Umständen bei der EM im Sommer noch wichtig werden könnten. Die Erkenntnisse des 16. Spieltags.

BVB: Borussia Dortmund bleibt eine Diva

Letzte Woche stand an dieser Stelle die Frage, ob und wie der BVB sein Auf und Ab endlich beenden könnte. Nach der hervorragenden Leistung gegen Leipzig war die Fallhöhe beim Spiel gegen Mainz, ein Heimspiel gegen den Tabellenletzten, so groß wie nie. Und mal wieder schaffte es die Borussia nicht, konstant gut zu spielen und entsprechend zu punkten.

In der Offensive war das gegen Mainz' Bollwerk sehr ordentlich, die spielerische Entwicklung sichtbar und auch Chancen genug waren da für einen ungefährdeten Sieg. Wie fragil das alles aber offenbar immer noch ist bei den Dortmundern, zeigte sich in einigen Szenen auf dem Platz und beim einen oder anderen Statement der Protagonisten danach.

Thomas Meunier etwa, seit seiner Ankunft in Dortmund viel gescholten und gegen Mainz Schütze des einzigen Tores, nahm nach der Partie kein Blatt vor den Mund. "In der Offensive haben wir gute Situationen kreiert, aber in der Abwehr waren wir teilweise panisch. Wir müssen geduldiger sein und besser organisiert, aber es war kein schlechtes Spiel von uns", sagte der Belgier und man musste gar nicht zweimal hinhören, um die entscheidende Passage zu erkennen.

Dortmund hatte einen Heidenrespekt vor weiteren Negativerlebnissen und offenbar auch den Kontern der ansonsten sehr tief verteidigenden Gäste. Nun ist ein gesundes Maß an Respekt und Demut gegen jeden Gegner keine so schlechte Idee. Aber Panik zu schieben gegen eine Mannschaft, die vor dem Spiel in 15 Partien ganze 14 Treffer erzielt hatte, ist für eine Mannschaft wie die des BVB vielleicht doch eine Spur zu viel.

Aber: Mehr Beweis für den Wankelmut dieser Truppe kann man kaum liefern. Die Saison der Borussia wird wohl auch in naher Zukunft eine Wellenlinie beschreiben.

Eintracht Frankfurt: Freude und Trauer

Was war das für ein emotionaler Abend im Waldstadion! Nach dem Tod eines Fans kondolierten Eintracht-Spieler vor der Partie gegen Schalke vor der Kurve, wohl ein Novum in der Geschichte der Bundesliga. Dann war da David Abrahams letztes Spiel, der Argentinier geht nach fünfeinhalb Jahren im Adler-Dress zurück in seine Heimat und wird da fortan für seinen Heimatklub Atletico Huracan Chabas kicken, fünfte Liga.

Wirklich jeder verabschiedete sich herzlich vom Kapitän, selbst die Schalker Spieler und am Ende sogar das Schiedsrichtergespann um Manuel Gräfe, mit dem Abraham Trikots tauschte. Ein Abschied mit Wehmut war das - gleichzeitig dürfen sich die Fans der Eintracht aber wieder auf ihren verlorenen Sohn freuen und Toren wie jene zum vorentscheidenden 2:1: Wie Luka Jovic die schwierig zu kontrollierende Flanke von Filip Kostic aus sieben, acht Metern unter die Latte hämmerte, war schlicht überragend.

Jovic hatte in Madrid keine gute Zeit, war abgemeldet und zeigte in den ersten paar Minuten in seiner alten Heimat, dass er immer noch ein Killer vor dem Tor ist. Nun muss sich das Zusammenspiel mit dem doch sehr ähnlichen Spielertypen Andre Silva noch einruckeln - dann dürfte die Eintracht wieder über eines der gefährlichsten Angriffsduos der Liga verfügen.

Felix Agu: Warten, zurückkämpfen, feiern

Ludwig Augustinsson war in den letzten Wochen der beste Bremer Feldspieler, der Schwede im tristen Grau der Offensive so etwas wie ein Lichtblick mit seinen Flankenläufen und Torvorbereitungen. Umso ärgerlicher war der kurzfristige Ausfall Augustinssons im wichtigen Kellerduell gegen Augsburg. Trainer Florian Kohfeldt blieb fast nichts anderes mehr übrig, als nun zum Ende der Hinserie seinen Zugang Felix Agu doch noch ins kalte Wasser zu werfen.

Vor der Partie gegen den FCA hatte der 21-Jährige ein paar Minuten Einsatzzeit auf dem Tacho, nun kam Agu zu seinem Startelf-Debut. Das erledigte er als Augustinsson-Ersatz auf der linken Außenbahn 83 Minuten lang absolut solide - und stieg dann sogar zum Matchwinner empor. Erst verwertete Theodor Gebre Selassie eine abgefälschte Agu-Flanke zur späten Bremer Führung, dann traf Agu selbst etwas kurios zum 2:0. Ein Tor, ein Assist beim ersten Spiel von Beginn an in der Bundesliga: Das schaffen nicht viele.

Allerdings sollte Agus Situation bei Werder trotz des zwar verspäteten, aber dann doch überragenden Starts schon auch nüchtern eingeschätzt werden. Der Spieler war zu Beginn der Saison keine Option für die Stammelf, hatte Kaderplatz 17, 18 oder 19 inne. Dann erkrankte Agu an Covid-19 und hatte mit den Folgen noch ein paar Wochen zu kämpfen. Und wenn Augustinsson wieder fit ist, und das dürfte schon sehr bald der Fall sein, dann gibt Agu wieder den Backup für den Routinier.

Augustinsson ist sportlich auf Dauer kaum zu ersetzen in dieser Saison und gilt als ein Verkaufskandidat im Sommer. Werder benötigt Verkaufserlöse, die wiederum erzielt in der Regel nur ein Spieler, der auch spielt. Und weil Rechtsverteidiger Gebre Selassie seinen dritten oder vierten Frühling erlebt und sogar eine Vertragsverlängerung Raum steht, bleibt die Konkurrenz für Agu vorerst unerreichbar hoch.

Deutschlands Schatten-Innenverteidigung spielt vor

Schlimm genug, dass der zweifelhafte Elfmeterpfiff inklusive VAR-Ärger den Rückblick auf das Spiel des VfB Stuttgart gegen Borussia Mönchengladbach ordentlich vernebelte. Im Prinzip gab es kein anderes Thema als den späten Elfmeter für den VfB. Dabei hatte das Spiel an einem ansonsten eher langweiligen Spieltag genug spielerische Highlights und auch teilweise schönen Offensivfußball zu bieten.

Wie das Spiel an sich in den VAR-Debatten unterging, so spielten auch Matthias Ginter und Waldemar Anton eher unter dem Radar. Als Innenverteidiger fällt man grundsätzlich eher weniger auf und wenn, dann nach dem einen oder anderen Fehler oder weil mal ein Tor glückt. Dabei sollte man bei beiden in den kommenden Wochen ruhig mal genauer hinschauen.

Nehmen wir mal an, die Europameisterschaft findet im Sommer statt. Dann ginge die deutsche Nationalmannschaft Stand heute wohl mit dem Duo Niklas Süle und Antonio Rüdiger ins Turnier - der eine ist aktuell aber weder ganz fit noch auf der Höhe seines Schaffens, der andere saß beim FC Chelsea in 16 von 19 Ligaspielen auf der Bank oder auf der Tribüne.

Ginter und Anton aber liefern seit Wochen starke Leistungen. Bei Ginter ist man das bereits gewohnt, der Gladbacher ist nicht umsonst schon seit Jahren fester Bestandteil der Mannschaft von Joachim Löw und darf sich auch in der Champions League zeigen und mit den Besten messen.

Aber dass Anton nach seiner schwierigen Zeit in Hannover und einer Verletzung zu Beginn der Saison in Stuttgart mittlerweile als Abwehrchef so durchstartet, kommt überraschend. Jedenfalls dürfte der 24-Jährige derzeit mit zum Besten gehören, was es in Deutschland auf seiner Position gibt.

Bundesliga: Die Sache mit dem Niveau

Am Wochenende fielen in den neun Spielen nur 20 Tore, gleich sechs Mannschaften schafften gar keinen Treffer und es gab zwei 0:0. Das deutet zumindest schon mal darauf hin, dass der Unterhaltungswert nicht besonders hoch gewesen sein dürfte. Und tatsächlich gab es in einigen Partien Fußball zum Abgewöhnen. Besonders auffällig war das in Bremen und in Köln, wo sich die beiden Gastgeber in Spielen gegen direkte Kontrahenten im Abstiegskampf auf eine Null-Offensive-Strategie einließen.

Aus Werder-Sicht ging der Plan sogar voll auf, die kleine Leistungssteigerung in der zweiten Hälfte brachte tatsächlich noch einen späten Sieg und am Ende muss man konstatieren, dass Trainer Florian Kohfeldt damit alles richtig gemacht hatte. Kohfeldt deutete danach noch an, dass das der Weg in Werder-Spielen in dieser Saison sein muss und das lässt für die Zukunft schon wenig Gutes erahnen.

Kölns Destruktivität gegen die Hertha führte zum erwartbaren Resultat, das hernach von Trainer Markus Gisdol auch gelobt wurde. Bleiben nur zwei Fragen: Gegen wen, wenn nicht in einem Heimspiel gegen die heftig angeschlagene Hertha, will Köln auch mal wieder so etwas wie Angriffsfußball zeigen und damit womöglich sogar ein Spiel gewinnen?

Und wären diese Herangehensweisen, die von Werder und Köln an diesem Spieltag, die man oft genug aber auch schon von Schalke, Augsburg oder Mainz sehen konnte, auch mit den eigenen Fans im Stadion in der Art möglich? Eine Bremer Mannschaft, die in einer Halbzeit gegen Augsburg im Weserstadion keinen einzigen Angriff spielt und läppische 36 Prozent Ballbesitz einsammelt? Der FC, der gegen Berlin zu Hause nicht eine Torchance herausspielt? Ein FC Schalke, der fast ein Jahr lang zu Hause mit seinem Mauerfußball nicht gewinnt?

Wohl eher nicht. Das würden sich die Zuschauer im Stadion nicht bieten lassen. Aber jetzt, wo keine Fans da sind und auch keiner nach 15 Minuten pfeifen kann, nimmt der Pragmatismus bei einigen überhand. Der Attraktivität in der Liga schadet das immens.