Der FC Bayern spielt eine Saison auf hohem Niveau. Im Hinspiel des Champions-League-Halbfinals gegen den FC Barcelona (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) müssen die Münchener aber nun die schwierigste Hürde der Saison bewältigen. Dabei hat jeder Bayern-Profi einen Auftrag bzw. eine Aufgabe zu erfüllen. Besonders Manuel Neuer, Javi Martinez und Mario Gomez stehen im Fokus.
Manuel Neuer: 43 Pflichtspiele absolvierte Manuel Neuer in dieser Saison für den FC Bayern, kassierte dabei nur 26 Tore. In 23 Spielen blieb er ohne Gegentor. Dass die Münchener die beste Abwehr Europas haben, ist natürlich auch sein Verdienst. Aber: Wenig Gegentore sind auch ein Dilemma für einen Torhüter, der mitunter nicht gut ausgesehen hat. Konkret: Von den drei Auswärtsgegentoren in der Bundesliga gehen zwei auf Neuers Kappe. Der Bayern-Keeper erzählte vor geraumer Zeit, er halte sich während eines Spiels mit aufwärmenden Ersatzspielern warm. Dennoch scheint Neuer manchmal Probleme zu haben, die Konzentration hoch zu halten, wenn er über einen längeren Zeitraum beschäftigungslos bleibt. Zum ersten Mal in dieser Saison kommt ein Gegner, der Neuer etwas mehr beschäftigen wird als gewohnt. Die Chance für den Nationaltorhüter, ein richtiges Statement-Spiel abzuliefern.
Philipp Lahm: Im Jubeltrubel um Mandzukic, Schweinsteiger, Ribery und Co. kommt Philipp Lahms Würdigung manchmal zu kurz. Dabei spielt der Kapitän des FC Bayern eine überragende Saison. In der Rückwärtsbewegung ist er ohnehin einer der besten seiner Zunft. In dieser Saison ist er besonders offensiv sehr stark: Das Assistkonto weist wettbewerbsübergreifend 16 (!) Tor-Vorlagen auf . Jupp Heynckes weiß, dass auf Lahm Verlass ist. In wichtigen Spielen ist er keiner, der sich versteckt. Javi Martinez sagte neulich, der FC Bayern habe die "besten Außenverteidiger der Welt". Lahm kann - auch im direkten Vergleich mit Dani Alves - nochmals zeigen, dass die Aussage zutreffend ist.
Daniel van Buyten: Er hat den längsten "Streak" aller Bayern-Spieler: Daniel van Buyten hat die letzten fünf Pflichtspiele in Folge gemacht - keiner stand im April länger auf dem Platz. Ein Vertrauensbeweis des Trainers für den Belgier, der in der Hinrunde quasi noch nicht stattfand. Auch für das Duell gegen Barcelona dürfte er die Nase vorn haben, auch wenn sich Konkurrent Jerome Boateng längst wieder stabilisiert hat. Van Buyten wird den defensiveren Part der Innenverteidigung übernehmen, sich vornehmlich um Pedro kümmern müssen. Seine Routine ist gefragt.
Dante: Der Brasilianer in der "Free Role". Gegen Barcelona ist meist ein Innenverteidiger des Gegners ungebunden, das heißt er muss sich anderen taktischen Aufgaben widmen. Diese Rolle fällt im Halbfinale Dante zu, der unbedingt Lionel Messi im Auge behalten und die Defensivorganisation gegen den Argentinier federführend leiten muss. Sergio Ramos, der im letzten Clasico diese Aufgabe mit Bravour erfüllte, ist ein gutes Vorbild. Hinzu kommt: Will Bayern das Spiel machen, ist Dante im Aufbau extrem gefragt. Der Brasilianer kann seine starke Saison krönen.
David Alaba: Als Javi Martinez die bayerische Außenverteidigung (siehe Philipp Lahm) neulich zur Weltelite erkor, war freilich auch Alaba gemeint. Während es bei Lahm keine Zweifel gibt, kann Alaba jetzt den Beweis liefern. Unvergessen ist sein Auftritt im vergangenen Jahr im Estadio Bernabeu, als er kurz nach einem verschuldeten Elfmeter und einer Gelben Karte, die ihn die Finalteilnahme kostete, bärenstark aufspielte und international erstmals Anerkennung fand. Auf den Österreicher kommt diesmal keine leichte und vor allem ungewohnte Aufgabe zu. Mit Dani Alves wird es er mit dem angriffslustigen Rechtsverteidiger der Welt zu tun haben. Gemeinsam mit Franck Ribery muss er dessen Kreise einengen, aber auch, wie er es gerne tut, offensive Akzente setzen.
Javi Martinez: Gegen Barcelona womöglich die wichtigste Figur im Bayern-Konstrukt: Barcas gefährlichste Strategen werden sich um Martinez' herum positionieren. Der Baske muss in Zusammenarbeit mit seinen Nebenleuten den Verkehr zwischen Xavi, Iniesta, Fabregas und Messi nachhaltig stören, damit der FC Bayern eine Chance gegen die ballsicherste Mannschaft der Welt hat. Er hat seine Klasse bewiesen, Wortführer wie Lahm und Schweinsteiger haben unlängst beim Trainerteam seine Wichtigkeit noch einmal hinterlegt. Die Barca-Spiele sind auch für ihn echte Gradmesser.
Bastian Schweinsteiger: Es gibt die Statistik, wonach der FC Barcelona in den letzten 300 Spielen immer 50 Prozent Ballbesitz oder mehr hatte. Auch wenn die Serie der FC Bayern noch nicht so lange andauert, sind es die Münchener ebenfalls gewohnt, den Ball zu behaupten. Schweinsteiger wird eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, die Hoheit am Ball zu gewinnen. Der Mann mit den meisten Ballkontakten aller Bayern-Spieler muss dem Spiel seinen Stempel aufdrücken. Er muss dort sein, wo es brennt und auch da sein, wenn es bei seiner Mannschaft mal nicht funkt. Form, Willenskraft und Momentum sprechen für Schweinsteiger.
Seite 2: Die Offensive, die Nr. 12 und Jupp Heynckes
Arjen Robben: Hätte sich Toni Kroos beim Hinspiel gegen Juventus nicht ernsthaft verletzt, würde der Niederländer womöglich gar nicht in der Startelf stehen. Die Saison nahm einen holprigen Lauf, aber Robben hat zuletzt die richtige Reaktion gezeigt. Gegen Barcelona ist vom Rechtsaußen vor allem eine Sache gefragt: Disziplin. Bisweilen neigt er noch hie und da zu riskanten Alleingängen. Ballverluste sind die Folge. Gegen Gegenspieler Jordi Alba, der im Umschalten von Defensive auf Offensive überragende Fähigkeiten hat, könnte das ernste Konsequenzen nach sich ziehen.
Thomas Müller: Auch wenn es flapsig klingt: Müller soll die Bauernschläue des FC Bayern verkörpern. Er ist ein Unikat, unorthodox, ein Spieler, der in keine Schublade passt und genau das macht ihn so gefährlich. Müller hat die Gabe, aus einer Situation, die aussichtlos erscheint, Zählbares herauszuholen. Genau das ist gegen einen Gegner wie Barcelona manchmal nötig. Nach Kroos' Verletzung darf er im Zentrum spielen, also noch näher am Tor. Nicht selten äußert er, dass diese Position ihm am meisten liegt. Jetzt darf er zeigen, warum.
Franck Ribery: 2009, als der FC Bayern im Camp Nou mit 0:4 baden ging, war Franck Ribery zu bemitleiden. Unzählige Male setzte Ribery - auf sich allein gestellt - zu Vorstößen an und blieb dann doch jedes Mal an irgendeinem Katalanen hängen. Der Franzose ist in dieser Saison auf dem Gipfel seiner Schaffenskraft angelangt. Wenn man es kritisch sieht, fehlt ihm aber ein Spiel auf höchstem Niveau, das seine Signatur trägt. 2010 verpasste er gesperrt das Champions-League-Finale, 2012 tauchte er im Endspiel etwas ab, jetzt hat er die Chance, den großen Wurf zu landen. Interessant wird das Duell mit Dani Alves. Ribery ist es aus der Bundesliga gewohnt, dass er einen extrem tief stehenden Rechtsverteidiger bearbeiten muss bzw. gedoppelt wird. Alves könnte eine Chance sein, weil er Räume findet, aber auch Ungemach, weil er mehr Defensivarbeit verrichten muss. Die richtige Balance ist wichtig in einem der Schlüsselduelle des Halbfinals.
Mario Gomez: Es sind erst einmal 90 Minuten, die Mario Gomez bekommt. Sollte er im Hinspiel keine so außergewöhnliche Leistung hinlegen, dass Jupp Heynckes gar keine Wahl hat, wird er im Camp Nou wieder Mario Mandzukic weichen müssen. Es könnten daher die wichtigsten 90 Minuten der Saison für Gomez sein. 90 Minuten, in denen er zeigen kann, dass er nicht nur ein guter, sondern ein sehr guter Stürmer ist. 90 Minuten, in denen er allen Kritikern, sowohl extern als auch intern, eine Antwort geben kann. Gomez genießt nicht den besten Ruf, aber wenn er spielte, zeigte er immer Leistungen auf hohem Niveau. Jetzt kann er dem Ganzen die Krone aufsetzen.
Die Nummer 12: Dass der FC Bayern in der Spielzeit 2012/13 einen Rekord nach dem anderen bricht und als einer von zwei Klubs in Europa (neben Fenerbahce) die Chance hat, das Triple zu holen, liegt auch daran, dass der Rekordmeister in der Breite so gut besetzt ist wie lange nicht mehr. Bis zu neun Spieler rotierte Jupp Heynckes und feierte dennoch Kantersiege. Je nach Spielverlauf darf sich der eine oder andere Ersatzspieler Hoffnung auf einen Einsatz machen: So entwickelte sich Xherdan Shaqiri zuletzt zum X-Faktor - wie kein anderer im Bayern-Kader ist er polyvalent veranlagt. Der Schweizer gewinnt zunehmend an Reife und Abgeklärtheit, ohne dabei seine Unbekümmertheit zu verlieren.
Auch Claudio Pizarro hat sich zuletzt eindrücklich ins Rampenlicht zurückgespielt - und das nicht nur als Stürmer. Die Leistungen als Kroos-Vertreter im Zentrum waren sogar so überzeugend, dass man gar nicht anders kann, als Pizarro als Kandidaten für die Startelf im Auge zu haben. Scheitern wird die Option wohl aber an der fehlenden Lust nach einem Abenteuer.
Luiz Gustavo darf man nicht vergessen: Der Brasilianer hat seine besten Bayern-Spiele in der Champions League gemacht. Will Heynckes mehr Stabilität bzw. eine Spur mehr Aggressivität im Zentrum, ist er der richtige Mann.
Jupp Heynckes: Bemerkenswert, wie souverän der Bayern-Trainer die Rückrunde gemanagt hat, nachdem sein Abgang schon im Januar verkündet wurde. Zum Ende hin wurde Heynckes gar richtig angriffslustig. Klar ist auch, dass Heynckes nun daran gemessen wird, dass er nach dem Guardiola-Vorstoß der Medien ausdrücklich darauf hingewiesen hat, der Barcelona-Experte schlechthin zu sein. Jetzt wird man sehen, inwiefern diese Aussage zutrifft. Dass er sich und seine Mannschaft auf einen Gegner perfekt vorbereiten kann, bewiesen die Duelle mit Juventus im Viertelfinale. Jetzt kommt aber das größte Kaliber auf den FC Bayern und auf Jupp Heynckes zu.
FC Bayern - FC Barcelona: die Bilanz gegeneinander
Meistgelesene Artikel
Das könnte Dich auch interessieren

.jpg?quality=60&auto=webp&format=pjpg&width=317)

