FC Pinzgau Saalfelden - Christian Ziege, US-Investoren und eine verrückte Idee: Bergkiefernblau für die ganze Welt

17. März 202114:18
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Der FC Pinzgau Saalfelden ist kein gewöhnlicher österreichischer Regionalligist: Der Klub vereint US-amerikanische Investoren, Fan-Teilhaber aus aller Welt und den ehemaligen deutschen Nationalspieler Christian Ziege. Was steckt dahinter?

Besucht man die offizielle Website des österreichischen Regionalligisten FC Pinzgau Saalfelden, dann sucht man vergeblich nach deutschen Worten. Informationen über die selbsternannten "Mountainous Pine Blues", die Bergkiefernblauen, werden dort nur auf Englisch angeboten.

Länger als den Spitznamen Mountainous Pine Blues gibt es in Saalfelden den Vorstand Christian Herzog, er ist seit der Klubgründung 2007 dabei. Sein Englisch habe sich zuletzt verbessert, versichert Herzog im Gespräch mit SPOX und Goal mit leichtem Salzburger Dialekt und gibt zu: "Von den lokalen Fans kriegt man im Scherz schon zu hören: 'Freunde, vergesst mal nicht, dass die Amtssprache hier deutsch ist.'"

Hier, das ist Saalfelden: Eine Kleinstadt mit rund 15.000 Einwohnern im österreichischen Bundesland Salzburg direkt hinter der deutschen Grenze. Im Hintergrund ragt die beeindruckende Gebirgskette Steinernes Meer empor, die im Sommer Wanderer lockt und im Winter Skifahrer.

Der Fußball war in Saalfelden dagegen lange eine Randerscheinung. Die beiden traditionellen Klubs der Stadt schafften es nie in die Bundesliga, 2007 fusionierten sie zum FC Pinzgau Saalfelden, ehe sie vor knapp zwei Jahren zu den Mountainous Pine Blues wurden. Und das kam so:

Die Kontaktaufnahme der amerikanischen Investoren

"Als die Amerikaner Ende 2018 Kontakt mit uns aufgenommen haben, dachten wir im ersten Moment: Okay, was wollt ihr von uns? Wisst ihr eigentlich, wo wir spielen? Und welchen Fan in den USA soll das bitte interessieren?", erinnert sich Herzog, neben Siegfried Kainz und Herbert Bründlinger einer von drei langjährigen Vorständen. Ehrenamtlich, versteht sich. "Wir waren ein ganz gewöhnlicher Provinzklub, für den sich außerhalb der Region niemand interessiert hat."

Die drei amerikanischen Investoren wollten das ändern und hatten dafür auch schon eine verrückte Idee parat: Den Klub übernehmen und ihn dann Fußballfans weltweit übergeben. Zumindest ein bisschen. Fans sollten sich über eine Crowdfunding-Kampagne Anteile kaufen können und dafür einerseits exklusive Einblicke bekommen und andererseits ein bisschen Mitspracherecht.

"Je länger die Gespräche dauerten, desto mehr hat uns das Konzept überzeugt", erinnert sich Herzog. Im Sommer 2019 war es dann soweit: Die Verträge wurden unterschrieben, die drei Amerikaner leisteten eine Basisinvestition von 250.000 Euro und organisierten anschließend unter dem Motto "Fan Owned Club" die Crowdfunding-Kampagne. Seit April 2020 kann sich jeder Fußballfan der Welt für 500 Dollar ein Stück des nun Mountainous Pine Blues genannten Klubs kaufen, mit mehr Geld gerne auch mehrere Stücke gleichzeitig.

Seit April 2019 trainiert Christian Ziege den österreichischen Regionalligisten FC Pinzgau Saalfelden.imago images

FC Pinzgau Saalfelden und der Austausch mit den Teilhabern

Auf der Crowdfunding-Plattform heißt es: "Wäre es nicht cool, sagen zu können: 'Yeah, ich besitze einen Teil eines europäischen Fußballklubs?' Absolut. Du kannst so cool sein." Geschrieben steht das dort natürlich auf Englisch, es sollen sich ja Fußballfans aus aller Welt angesprochen fühlen. Stand jetzt sind etwa 400 Leute so cool, bisher investierten sie aus Klubsicht insgesamt ganz coole rund 350.000 Euro. Die meisten Teilhaber kommen aus den USA, es sind aber auch Engländer, Italiener und Schweizer dabei.

Persönlich in Saalfelden vorbeigekommen ist bisher noch keiner, die Crowdfunding-Kampagne begann ärgerlicherweise kurz nach Beginn der Corona-Pandemie. Sobald möglich ist ein jährliches Fantreffen in Saalfelden geplant, bis dahin muss zum Austausch ausschließlich das Internet herhalten. Jedes Spiel wird live gestreamt und mindestens einmal pro Monat gibt es einen Videocall zwischen den Klub-Verantwortlichen und den Teilhabern, von denen sich im Schnitt 20 bis 50 einwählen.

Sie werden dann informiert über die aktuellen Vorgänge im Klub, dürfen ihre Meinung zu allen möglichen unverfänglichen Themen wie dem Trikotdesign abgeben - laut Konzept irgendwann auch darüber abstimmen - und sie dürfen Fragen stellen. "Die meisten interessieren sich dafür, wie sich Talente entwickeln und welche Neuzugänge kommen", sagt Herzog. "Während dem Spielbetrieb kamen auch Fragen zur Taktik auf."

Wie Christian Ziege in Saalfelden landete

Ansprechpartner in Sachen Taktik ist der Trainer und Sportdirektor des Klubs und der ist für Fußballfachleute kein Unbekannter: Christian Ziege (49), ehemaliger deutscher Nationalspieler und einst unter anderem für den FC Bayern München sowie den FC Liverpool aktiv. Ziege ist das Gesicht des Projekts und dem Klub sogar ein paar Wochen länger verbunden als die Amerikaner.

Seit 2018 spielt sein Sohn Alessandro (23) für Saalfelden und weil der Papa nach Engagements beim FC Ratchaburi in Thailand und bei Atletico Baleares auf Mallorca Zeit hatte, schaute er regelmäßig bei den Spielen vorbei. Ziege lernte die Verantwortlichen kennen und dann kam es natürlich so, wie es kommen musste. "Als sich der Klub vom alten Trainer getrennt hat, hat man sich unterhalten, ob ich bis Saisonende aushelfen möchte", sagte Ziege im Interview mit SPOX und Goal. "Das habe ich gemacht und daraus ist ein langfristiges Engagement entstanden."

Siebter der unterbrochenen Regionalliga Salzburg

Zieges erste volle Saison im Amt fiel mit der Ankunft der Amerikaner zusammen und endete auf Platz zwei der Regionalliga Salzburg, der eigentlich zur Teilnahme am Aufstiegsplayoff in die eingleisige zweite Liga berechtigt hätte. Aus infrastrukturellen Gründen musste der Klub aber verzichten, unter anderem schien das Flutlicht in der rund 1000 Zuschauer fassenden Sportanlage Bürgerau - mittlerweile auch Saalfelden Arena genannt - nicht hell genug.

Durch die Einnahmen aus dem Verkauf der Fananteile gibt es aber mittlerweile ausreichend finanzielle Mittel, um die Infrastruktur zu verbessern. Investiert wird auch in die Jugendabteilung, die Frauen- und die Herrenmannschaft, bei der aktuell eine Mischform zwischen Profi- und Amateurfußball praktiziert wird.

Sportlich gesehen folgte auf die Euphorie der starken Premierensaison Ernüchterung: Zum Start der aktuellen Spielzeit enttäuschte die Mannschaft und rutschte in der Zehnerliga bis auf Platz sieben ab, ehe der Spielbetrieb Mitte Oktober wegen der Corona-Pandemie bis heute unterbrochen wurde. Wann es weitergeht, ist aktuell offen.

Die amerikanischen Investoren des FC Pinzgau Saalfelden

Angestrebt ist der Aufstieg in die Zweitklassigkeit laut aktueller Zielsetzung bis spätestens 2024, was im Vergleich zu den zu Projektbeginn geäußerten Träumereien sehr bescheiden wirkt. Damals hatte mit Mark Ciociola einer der drei ursprünglichen Investoren von der Champions League als "ultimativem Ziel" gesprochen. Dieses ultimative Ziel gibt es offiziell nicht mehr, genau so wenig übrigens wie Mark Ciociola im Klub. Nach internen Unstimmigkeiten schied er vor einigen Monaten aus.

Aktuell gehören dem aus den USA operierenden sogenannten "Board of Directors" fünf Personen an. Manche kannten sich schon vorher, andere lernten sich durch das Projekt kennen. "Sie sind zwischen Houston und Nashville verstreut", sagt Herzog. Einmal pro Woche gibt es einen Videocall zwischen den ehrenamtlichen Mitarbeitern aus Saalfelden und den amerikanischen Investoren. "Der Kontakt ist sehr, sehr eng und vertrauensvoll. Wir sehen überhaupt keine Gefahr, dass die Amerikaner von einem Tag auf den anderen die Lust an dem Projekt verlieren."

Zu den ursprünglichen Initiatoren und aktuellen Direktoren zählt auch Trey Fitz-Gerald, der einst für den MLS-Klub Real Salt Lake tätig war und nach dem Einstieg bei Saalfelden umgehend eine Kooperation zwischen den beiden Klubs organisierte. Für einige Monate lotste er sogar zwei Real-Talente als Kooperationsspieler nach Saalfelden. Mittlerweile sind sie wieder weg, doch nach der Corona-Pandemie soll es Nachfolger geben.

Fitz-Gerald selbst wohnte bereits bis zum ersten Lockdown in Saalfelden und wird im Frühling zurückerwartet in der Stadt, die er mit seinen beiden Kollegen einst auf der Weltkarte als perfekten Ort für das Projekt ausgemacht hatte. Bleibt die Frage: Warum eigentlich ausgerechnet Saalfelden?

Die Gründe der Investoren für das Engagement in Saalfelden

Laut Herzog hätten Fitz-Gerald und seine Kollegen eine "ausführliche Marktanalyse" gemacht: Für Österreich sprach im Vergleich zu anderen europäischen Ländern der relativ kurze Weg in die internationalen Wettbewerbe (aktuell fünf Startplätze) für verhältnismäßig geringe Investitionen (großes Leistungsgefälle hinter den Topklubs). Für Saalfelden sprachen dann das große Einzugsgebiet ohne einen Bundesligisten (der nächste RB Salzburg ist über eine Autostunde entfernt), die vorhandenen Strukturen und sicherlich schon auch ein bisschen das malerische Ambiente.

Von der Saalfelden Arena aus hat man bei Spielen schließlich nicht nur beste Aussicht auf die kickenden Mountainous Pine Blues, sondern auch auf die echten an den Hängen der nahen Berge. Obwohl es wegen der Corona-Pandemie noch keine ausländischen Teilhaber ins Stadion geschafft haben, ist der Zuschauerschnitt nach dem Einstieg der amerikanischen Investoren von knapp 500 auf 700 angestiegen, ehe die Stadiontore schließen mussten.

"Bei den lokalen Fans kommt das Projekt gut an", sagt Herzog. Interesse am Kauf von Anteilen haben sie durchaus verständlicherweise bisher aber eher nicht: "Sie haben auch den Vorteil, die Spieler und Verantwortlichen einfach in der Stadt treffen zu können." Insiderinformationen brauchen sie nicht über Videocalls einzuholen, sondern können das beispielsweise im Supermarkt oder beim Bäcker erledigen.