Mit einem Rumpfkader besiegte der FC Bayern München Dynamo Kiew 2:1 und fixierte vorzeitig den Sieg in der Champions-League-Gruppe E. Dabei bekamen mehrere Reservisten ihre Chance: Einer könnte völlig unverhofft wichtig wie lange nicht werden, ein anderer erlebte einen unglücklichen Abend.
"In Anbetracht der Umstände, die man berücksichtigen muss", begann Julian Nagelsmann seine Analyse des 2:1-Sieges bei Dynamo Kiew. Dann zählte er auf: der schneebedeckte Platz, die Personalsituation, verletzungsbedingte Umstellungen während des Spiels, Kiews ärgerliches Anschlusstor. Als Nagelsmann mit dem Aufzählen aller Umstände fertig war, hatte er ganz vergessen, seinen Satz zu beenden. Und das sagte mehr als eine ordentliche Vollendung.
Tatsächlich kam beim FC Bayern im Rahmen dieser Dienstreise kurz nach der überraschenden 1:2-Pleite beim FC Augsburg einiges zusammen, vielleicht sogar alles. Trotzdem holte sich die Mannschaft dank zwei sehenswerten Treffern von Robert Lewandowski per Fallrückzieher und Kingsley Coman den fünften Sieg im fünften Champions-League-Spiel der Saison. Platz eins in Gruppe E ist ihr nicht mehr zu nehmen.
Nach Kiew gereist war der FC Bayern mit lediglich 14 Feldspielern. Dayot Upamecano fehlte gesperrt und Marcel Sabitzer angeschlagen, Niklas Süle und Josip Stanisic fehlten wegen ihrer Corona-Infektionen und die bisher ungeimpften Joshua Kimmich, Serge Gnabry, Jamal Musiala, Michael Cuisance und Eric Maxim Choupo-Moting wegen ihrer Quarantänen. Mit Gnabry und Musiala holten zwei Vertreter des Quintetts nach Informationen von SPOX und GOAL mittlerweile immerhin ihre (Erst-)Impfungen nach.
Langfristig könne die Quarantäne-Thematik laut Nagelsmann "Auswirkungen auf die Saisonziele" haben, kurzfristig sah der Trainer aber das Positive - sicherlich auch, weil der Achtelfinaleinzug schon vor dem Kiew-Spiel festgestanden hatte. "Ich bin immer ein Freund davon, wenn man Spielern, die sonst nicht so im Fokus stehen, eine Chance geben kann", erklärte Nagelsmann also vor dem Spiel. "Die können sich dann beweisen." Wie schlugen sich Nagelsmanns Notnägel?
Tanguy Nianzou erlebte einen unglücklichen Abend
In die Startelf beorderte er mit Tanguy Nianzou und Corentin Tolisso gleich zwei. Nianzou begann als zentrales Glied einer Dreierkette und erlebte einen unglücklichen Abend. Im Aufbauspiel fiel er mit einigen zu riskanten Pässen auf, die mitunter zu ausgewachsenen Fehlpässen gerieten. Sie weckten Erinnerungen an des Trainers Worte von Ende Oktober, als er dessen Fehlerquote kritisierte. Damals lobte Nagelsmann zwar Nianzous fußballerische Qualitäten, nur um hinterherzuschieben: "Aber das ist manchmal gar nicht so gut, weil man sich dann sehr viel zutraut."
Recht wenig konnte Nianzou dafür, dass er Keeper Manuel Neuer in der 35. und 47. Minute mit von ihm abgefälschten Schüssen prüfte. Und auch, dass er nach einem Fall auf die rechte Schulter in der Schlussphase verletzt ausgewechselt werden musste. "Tanguy kann seinen Arm nicht mehr richtig bewegen", sagte Nagelsmann nach dem Spiel. "Es kann sein, dass da was mit der Bizepssehne ist." In Hinblick auf seine Verletzungsserie der vergangenen Saison wäre ein Ausfall für ihn besonders bitter.
Corentin Tolisso könnte wichtig wie lange nicht mehr werden
Ebenfalls äußerst verletzungserfahren ist sein französischer Landsmann Tolisso, der in Kiew aber unversehrt bis zum Abpfiff durchspielte. Er übernahm auf der Acht die Leon-Goretzka-Rolle, weil dieser etwas tiefer Kimmich ersetzen musste. Auffällig waren Tolissos starke Vorarbeit zu Comans 2:0 sowie sein fehlendes Hinterherlaufen vor Denys Garmaschs Anschlusstor.
Insgesamt überzeugte Tolisso bei seinem dritten Startelfeinsatz der Saison aber erneut. In der Mittelfeld-Rangordnung dürfte er Neuzugang Sabitzer überholt haben, der nicht nur bei der Pleite in Augsburg enttäuschte.
In Anbetracht der womöglich noch länger unklaren Impf-Situation bei Kimmich könnte Tolisso in seinem letzten Vertragsjahr beim FC Bayern völlig unverhofft wichtig wie lange nicht mehr werden.
Bouna Sarr und Marc Roca enttäuschten nach Einwechslungen
Bei den eingewechselten Bouna Sarr und Marc Roca besteht diese Gefahr dagegen nicht. Stattdessen bestätigten beide eher den Verdacht, in der Profimannschaft des FC Bayern keine Zukunft zu haben.
Rechtsverteidiger Sarr ersetzte zur Pause den unter muskulären Problemen leidenden Lucas Hernandez und war nach seiner schnellen Verwarnung und weiteren Fouls erstaunlich schnell Gelb-Rot gefährdet. Für Roca bedeutete die Einwechslung in der 67. Minute den ersten Saisoneinsatz. Nach nicht einmal drei Minuten leitete der spanische Mittelfeldspieler mit einem Fehlpass Garmaschs Treffer ein.
Kurz vor Schluss kamen dann auch noch Omar Richards und der erst 19-jährige Malik Tillman, der sein Europapokaldebüt feierte. "Die Jungs haben es alle ordentlich angenommen", sagte Kapitän Neuer über die reinrotierten Reservisten und ergänzte durchaus vielsagend: "Jeder hat zumindest vom Einsatz her alles gegeben und das war wichtig."
Ganz unabhängig von ihren Leistungen könnten einige dieser Spieler aber auch beim Bundesligaduell mit Arminia Bielefeld am Samstag gefragt sein. Zurückkehren werden unter Umständen Upamecano, Süle, Kimmich und Sabitzer - dafür droht nun ein Ausfall von Hernandez.