Feyenoord Rotterdam dominiert in dieser Saison die Eredivisie und schickt sich an, die Phalanx aus PSV Eindhoven und Ajax Amsterdam in Holland zu durchbrechen. Essenziell sind dabei zwei ehemalige Spieler, die zu ihrem Stammverein zurückgekehrt sind. Jedoch in unterschiedlichen Rollen. Beim Klassiker am Sonntag (14.30 Uhr live auf DAZN) gegen den Erzrivalen Ajax Amsterdam wollen die beiden die Serie ausbauen.
Es ist ein historisches Wochenende, das sich so schnell nicht wiederholen wird. In Europas Topligen schwächeln die Klubs im Gleichschritt. In Spanien ringt das "gallische Dorf" der Primera Division, SD Eibar, dem weißen Ballett ein Unentschieden ab. Zugleich kassiert der FC Barcelona eine Pleite bei Celta Vigo.
Auf der Insel wird Pep Guardiolas makellose Bilanz in der Premier League von den Tottenham Hotspur glatt überrannt und sogar der übermächtige FC Bayern muss sich in der Bundesliga mit einem Unentschieden gegen Köln begnügen.
Ganz Europa kann damit auf keinen verlustpunktfreien Spitzenreiter mehr verweisen. Ganz Europa? Nein, im beschaulichen Land der Tulpen und Windmühlen lässt sich doch noch eine perfekte Bilanz finden. Neun Spiele, neun Siege, 25:3 Tore. Dank des 2:1-Zittersiegs gegen NEC Nijmegen grüßt Feyenoord vom Platz an der Sonne in der Eredivisie.
Vom Co zum Chef
Einen großen Anteil haben dabei zwei ehemalige Oranje-Helden, die von Feyenoord auszogen, um eine Weltkarriere zu starten und mittlerweile etwas in die Jahre gekommen sind. Zum einen ist dies Trainer Giovanni van Bronckhorst und zum Anderen der nimmermüde Dirk Kuyt.
Für "Gio", wie der kleine Linksverteidiger in der Elftal genannt wurde, ist es die erste Cheftrainerstation, nachdem er zuvor schon als Co-Trainer von Fred Rutten bei seinem Stammverein unter Vertrag stand. Nach dem Aus in der Europa League Anfang 2015 legten sich die Feyenoord-Verantwortlichen auf einen Kurswechsel fest. Der Arbeiterverein Rotterdams legte seinen Fokus auf die Ausbildung seiner Jugend. Ruttens Abgang und van Bronckhorsts Beförderung wurden daher beschlossen.
"Cheftrainer zu werden erfüllt mich mit Stolz und ich bin extrem dankbar für das Vertrauen, das Feyenoord in mich setzt", sagte van Bronckhorst, der in der Folgesaison Youngster wie Sven van Beek, Tonny Vilhena und Terence Kongolo, vermehrt in der Eredivisie auflaufen ließ. Das in ihn gesetzte Vertrauen reizte der Niederländer komplett aus. Sieben Niederlagen in Folge und der Absturz auf Rang sieben standen Mitte der Saison 2015/16 zu Buche.
Lange Durststrecke, dann der Pokalsieg
Rauswurfforderungen wurden schon laut. Doch Feyenoord beharrte auf seiner Philosophie und hielt am Trainer fest. "Die Leute, die seinen Rücktritt sehen wollten, tanzen nun vor Freude", sagte erst vor kurzem sein ehemaliger Nationalmannschaftskollege Frank de Boer.
Denn in Rotterdam erntet man nun die Früchte. Ende der vergangenen Saison glänzten diese sogar silbern. Acht Jahre nach dem letzten Pokalsieg durfte man über selbigen wieder jubeln. In der Eredivisie verhalf ein starker Schlussspurt gar noch zur direkten Qualifikation für die Europa League.
Dabei baut van Bronckhorst zwar auf die jugendliche Frische, aber auch auf das traditionelle holländische System. Im klassischen 4-3-3 lässt er seine Elf stets auflaufen, hat doch der 41-Jährige diese Formation selbst in der Nationalmannschaft und während seiner Zeit in Barcelona eingetrichtert bekommen.
Neue Rolle für Kuyt
Auch Dirk Kuyt kennt das Cruyff'sche 4-3-3 gut. Er erlebt bei seinem Stammverein nun den zweiten Frühling. "Dirk kann noch mehrere Jahre spielen. Er könnte der Ryan Giggs von Feyenoord werden", war sich Präsident Dick van Well schon bei der Rückholaktion des "Königs von de Kuip" im Sommer 2015 sicher. Dass er damit so richtig liegt, hätte er wohl selbst nicht für möglich gehalten.
Genauso wie der Waliser wurde nämlich der Holländer im Spätherbst seiner Karriere noch zum zentralen Mittelfeldspieler umgeschult. Bei Feyenoord bekleidet er nun die Zehnerposition. Kuyt ist dabei mit allen Freiheiten ausgestattet, weicht immer wieder auf die Seite aus oder begibt sich als zweite Spitze in das Sturmzentrum. Er bleibt für die gegnerischen Mannschaften unangenehm zu verteidigen, weil er schlicht überall auftauchen kann.
Neben ihm im Mittelfeld trumpft immer mehr Tonny Vilhena auf, der den offensiveren Part der Doppelsechs spielt und an dem bereits einige Top-Klubs ihr Interesse angemeldet haben. Elementar im System von Feyenoord ist aber ein anderer: Karim El Ahmadi. Der Marokkaner diktiert das Spiel Rotterdams auf der Sechs und hält mit seiner guten Antizipation Kuyt und Vilhena den Rücken frei. Zudem besticht er als Initiator des situativen Angriffspressings, das unter Coach van Bronckhorst praktiziert wird.
Neuzugänge schlagen ein
Der Coach selbst ist mit der Spielweise äußerst zufrieden. "Da ist ein richtiges Team auf dem Platz, viel mehr als es das letzte Saison war. Das ist sehr schön zu sehen und gibt viel Selbstvertrauen." Damit spielt "Gio" auf die etwas lahmende Offensive des Vorjahres an. 62 Tore konnte man da erzielen. Zu wenig im Vergleich mit PSV und Ajax. Alleine 19 gingen übrigens auf das Konto von Kuyt.
Die Schlussfolgerung lag auf der Hand: weitere Offensivkraft musste her. Die Feyenoord-Verantwortlichen bewiesen dabei ein äußerst glückliches Händchen. Einziger Kostenpunkt war nämlich Mittelstürmer Nicolai Jörgensen, dessen 3,5 Millionen Ablöse an Kopenhagen sich bereits ausgezahlt haben. Siebenmal traf der 1,90 Meter große Däne in der Liga bislang schon.
Daneben glänzte Außenspieler Steven Berghuis, der jedoch nur von Watford ausgeliehen ist und derzeit an einer Knieverletzung laboriert. Überhaupt erhält die makellose Bilanz wegen der Verletzungen einen noch höheren Stellenwert. Stammkeeper Kenneth Vermeer fällt mit einem Achillessehnenriss noch lange aus. Der ehemalige Liverpool-Torhüter Brad Jones, ablösefrei von Nijmegen gekommen, vertritt Vermeer exzellent.
Die Qual der Wahl
Selbst die Verletzungen der Stammverteidiger Sven van Beek und Miquel Nelom wirkten sich nicht negativ aus. Im Gegenteil, mit nur zwei Gegentoren stellt Feyenoord die beste Abwehr der Liga.
"Natürlich ist viel Positives hier im Gange. Aber das Wichtigste ist, dass wir hier keine Polonaise und keine Party starten", dämpfte van Bronckhorst bereits die wachsenden Erwartungen. Gerade nach den Erfolg über Manchester United zum Auftakt in die Europa League ist der holländische Spitzenreiter noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.
Auf van Bronckhorst aber warten noch ganz andere (Luxus-)Probleme. Mit van Beek und Eljero Elia kehrten zwei Rekonvaleszenten während der Länderspielpause zurück. Beide drängen auf einen Stammplatz. Gerade Problemkind Elia, der weder beim HSV noch bei Werder Bremen bis auf einen geschrotteten Bentley nachhaltig Eindruck hinterließ, blüht in der Heimat auf.
"Noch ein sehr weiter Weg"
Vizeweltmeister Van Bronckhorst scheint eben auch ein Händchen für schwierigere Charaktere zu haben. In der vergangenen Saison ebnete Elia mit seinem Treffer im Finale gegen Utrecht den Weg zum Pokalsieg. Die Saison startete der 29-Jährige fulminant mit einem Dreierpack. Seitdem setzte ihn aber eine Schulterverletzung außer Gefecht. Bis jetzt.
Gespannt wird nun zu sehen sein, wie van Bronckhorst mit den veränderten Vorzeichen umgeht, wenn ihm der gesamte Kader zur Verfügung steht und die ein oder andere harte Entscheidung getroffen werden muss. Schon beim Klassiker gegen Ajax am Sonntag (14.30 Uhr live auf DAZN) steht Feyenoord die nächste Bewährungsprobe bevor.
"Wir sind überglücklich und stolz, dass wir an der Spitze stehen, aber es ist noch ein sehr weiter Weg. Dessen sind wir uns alles bewusst", gibt sich der Trainer bescheiden.
Und doch träumt ganz Rotterdam vom ersten Ligatitel seit 1999. Zu gern würden sie dann die Polonaise durch die Straßen der Hafenstadt planen.
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