15 Jahre mussten die Fans in Düsseldorf auf die Rückkehr in die erste Liga warten. Nach dem kuriosen Relegationsspiel sind die Fortunen nun zurück. Doch trotz Aufstiegseuphorie mussten die Verantwortlichen eine absolute Mammutaufgabe bewältigen: die vier absoluten Leistungsträger der zurückliegenden Saison mussten ersetzt werden - 16 Neue sind dafür gekommen.
Ein hämisches, breites Grinsen kann er sich nicht verkneifen, als er das Mikro nach einer kurzen Pause wieder zum Mund führt. Er hebt die Stimme, wendet sich den 70.000 Zuschauern bei Rock am Ring zu, und schreit: "Da kannst du jeden in Deutschland fragen, F95 ist einfach nicht zu schlagen!" Im Publikum werden sofort Fortuna-Fahnen in die Höhe gestreckt, Männer in rot-weiß-gestreiften Shirts springen ekstatisch umher und schreien den Fangesang mit.
Campino, Frontmann der "Toten Hosen", scheint sich wohlzufühlen in seiner Rolle. Seit 30 Jahren steht er mit seiner Band auf der Bühne. Doch endlich, nach 15 Jahren der Bundesliga-Abstinenz, kann er mit seiner Fortuna wieder angeben. Aus jedem Wort über den Verein sprüht die Freude über die Rückkehr in Liga eins und die anstehenden Partien gegen Bayern und Co..
In TV-Interviews kann er sich meistens Kommentare nicht verkneifen. "Wir sind zurück, zieht euch warm an", scheint er jedem Zuhörer sagen zu wollen. Wenn Edel-Fan Campino Musik macht, lebt das Gefühl von tausenden Fortuna-Fans in ihm.
Topscorer gehen von Bord
Wie ein ungeduldiges Kind sehnten die Düsseldorfer Fans nach Jahren im Unterhaus den Aufstieg herbei. Sinnbildlich dafür die irren Szenen beim Relegationsspiel gegen Hertha BSC, als zahlreiche Fans wenige Minuten vor dem Schlusspfiff den Platz stürmten und nach minutenlanger Unterbrechung beinahe den Spielabbruch provozierten - aufgrund von Ungeduld und Vorfreude. Und nicht aus Gründen der Gewalt, wie von Hertha-Seite behauptet.
Doch wenn sich jetzt - Wochen nach dem Spiel - langsam aber sicher der Euphorie-Nebel lichtet, kommen elementare Fragen zum Vorschein. Kann sich die Fortuna überhaupt in der ersten Liga halten? Oder wird es lediglich ein einjähriger Ausflug in die Beletage? Denn ähnlich wie zuletzt Augsburg heftet der Fortuna bereits vor Dienstantritt in Liga eins das Prädikat "nicht erstligatauglich" an.
Die nackten Fakten geben Anlass zur Sorge. Denn mit Maximilian Beister (24), Sascha Rösler (23) und Thomas Bröker (15) verlassen die drei Topscorer der zurückliegenden Saison den Verein. Assani Lukimya, neben Jens Langeneke Leistungsträger in der Abwehrzentrale, wechselt zu Werder Bremen und hinterlässt eine klaffende Lücke in der Innenverteidigung. Zudem wird der Vertrag mit Keeper Michael Ratajczak, der zuletzt solide hielt, nicht verlängert. Auch erfahrene Spieler wie Sascha Dum und Ranisav Jovanovic gehen. Der Umbruch bei den Rot-Weißen ist in vollem Gange und unübersehbar.
16 neue Spieler kommen
"Wir können nicht verfahren wie Augsburg im vergangenen Jahr oder Fürth jetzt, und alle Spieler beisammen halten. Zudem haben wir eine ganz andere Historie im Vergleich zu Fürth, das über sechs Jahre gewachsen ist. Wir sind in fünf Jahren drei Mal aufgestiegen. So schnell können wir hier gar nicht wachsen", sagte Manager Wolf Werner in der "Westdeutschen Zeitung". "Demnach sind auch Spieler im Kader, die möglicherweise Probleme bekommen werden, weil sie unter ganz anderen Bedingungen verpflichtet wurden."
Vor dem Start in die neue Saison stehen der 70-Jährige und Trainer Norbert Meier somit vor einigen Problemen. Die zahlreichen Abgänge sollen adäquat ersetzt, der Klassenerhalt möglichst schnell in trockene Tücher gebracht werden. 16 Transfers (!) hat das Duo bereits über die Bühne gebracht, weitere könnten folgen. An der Größe des Kaders mangelt es sicherlich nicht, doch ob dieser auch die nötige Qualität mitbringt, bleibt zumindest fraglich.
So kommt Leverkusens Fabian Giefer und wird sich mit dem in der letzten Saison lange verletzten Robert Almer um die Position zwischen den Pfosten streiten. Duisburgs Bruno Soares, der zwar als solider Innenverteidiger gilt, allerdings noch keinerlei Bundesliga-Erfahrung hat, soll das Lukimya-Loch in der Abwehr stopfen. Auf den Außenpositionen der Vierekette könnte Du-Ri Cha seine internationale Erfahrung einbringen.
Ex-Freiburger Stefan Reisinger und die beiden ehemaligen Augsburger Axel Bellinghausen und Nando Rafael wurden allesamt bei ihren alten Vereinen nicht mehr gebraucht und sind in Düsseldorf nun für die Offensive vorgesehen. Hinzu kommen Talente wie Gerrit Wegkamp (VfL Osnabrück), Andre Fomitschow (VfL Wolfsburg II), und Drittliga-Torjäger Ronny Garbuschewski (Chemnitzer FC), die jeweils komplett ohne Erfahrung in der Bundesliga sind.
Geringe finanzielle Mittel
"Wir müssen verschiedene Strategien entwickeln. Das ist nun in der ersten Liga noch schwieriger, weil die Anzahl der Spieler, die uns qualitativ helfen können, immer kleiner wird. Gut und ablösefrei, da gibt es nicht so viele", sagt Manager Werner. Der zuletzt immer wieder betonte, man "wolle bei der Fortuna einen neuen Weg gehen". Neue Wege heißt in diesem Falle auch, dass das Ziel Klassenerhalt mit möglichst geringen finanziellen Mitteln realisiert werden soll.
Der Etat der Fortuna für die kommende Saison liegt bei rund 15 Millionen Euro. Finanziell liegen die Rheinländer trotz der Mehreinnahmen in Liga eins durch Tickets, Sponsoring und TV-Geldern damit auf den Abstiegsrängen. Lediglich Fürth, Freiburg und Augsburg dürften sich in ähnlichen Regionen bewegen.
Der Fokus liegt bei den Neuzugängen demnach klar auf ablösefreien Spielern. Bis auf Giefer, Wegkamp, der ausgeliehene Levels und Reisinger, für die Düsseldorf jeweils einen niedrigen sechstelligen Betrag zahlen musste, sind alle Spieler unentgeltlich ins Rheinland gewechselt. Das Geld für einen echten Königstransfer fehlt. "Für jeden Spieler, für den ich eine Ablöse zahlen muss, müsste ich einen Spieler auf der Gehaltsliste streichen. Wenn wir größere Ablösen zahlen müssten, was wir nur im kleinen Rahmen können, würden wir uns selbst die Finger abhacken", so Werner.
Satte Strafe nach Relegation
Doch auch der Kater nach dem skurrilsten Aufstieg der jüngsten Bundesliga-Geschichte ist weiter deutlich zu spüren. Zahlreiche Gerichtsverhandlungen nach den Ausschreitungen beim Relegations-Rückspiel erschwerten den Verantwortlichen des Klubs die Planung, die Gespräche mit potenziellen Neuzugängen gestalteten sich durch die unsichere Klassenzugehörigkeit offenbar schwierig.
Dass der Platzsturm nach dem neuesten Urteil ein Geisterspiel sowie eine saftige Geldstrafe in Höhe von 100.000 Euro zur Folge hat, könnte trotz des Einspruchs der Düsseldorfer weiter tiefe Löcher in die klamme Kasse hauen. Spekulationen zufolge bleiben dadurch Einnahmen von rund einer Million Euro aus.
Wie die Fortuna mit den Problemen zurechtkommt, wird sich zu Beginn der Saison zeigen. Dass ein Underdog mit dem Prädikat untauglich, einem knappen Etat und überschaubarer Kader-Qualität die Klasse halten kann, hat der FC Augsburg in der letzten Saison eindrucksvoll bewiesen.
Fortuna Düsseldorf im Überblick