2018 bekannte sich Antoine Griezmann noch unter großem Medienrummel zu Atletico Madrid und verlängerte seinen Vertrag beim Team von Diego Simeone um fünf Spielzeiten. Ein Jahr später aktiviert er seine Ausstiegsklausel und kehrt dem spanischen Hauptstadtklub den Rücken.
Wohin die Reise des französischen Weltmeisters im Sommer geht, ist noch unklar. Der FC Barcelona gilt als heißester, aber nicht als einziger Kandidat auf eine Verpflichtung. Für Atletico ist der Abgang des 28-Jährigen so oder so ein herber Verlust.
SPOX und Goal beantworten die drei wichtigsten Fragen zum Griezmann-Hammer.
Warum verlässt Griezmann Atletico?
Griezmann teilte in einer Videobotschaft am Dienstagabend mit, er wolle "neue Dinge" sehen und "neue Herausforderungen" annehmen. Es war eine bereits zu erwartende Reaktion auf eine Saison, die äußerst bescheiden für ihn lief. Der Stürmer sammelte zwar 31 Scorerpunkte in 47 Spielen, bis auf den Gewinn des europäischen Super Cups gegen Real Madrid gingen er und seine Kollegen aber leer aus.
Besonders schmerzhaft für Griezmann: das Aus im Achtelfinale der Champions League gegen Juventus im März. Er wollte unbedingt das Finale im eigenen Wohnzimmer bestreiten, dem Estadio Wanda Metropolitano, tauchte in beiden Duellen mit den Italienern aber ab. Dafür musste er viel Kritik von den Fans und der Presse über sich ergehen lassen.
Nach Angaben der Madrider Zeitung Marca schloss Griezmann bereits nach jener Enttäuschung mit dem Kapitel Atletico ab. Seine Abschiedsworte belegen auch: Er sieht keine guten Chancen mehr, in den kommenden Jahren große Titel mit den Rojiblancos zu gewinnen. Atleticos Mannschaft befindet sich in einem Umbruch, für den Griezmann keine Zeit opfern will.
Und: Mit Lucas Hernandez, den sich der FC Bayern für 80 Millionen Euro geschnappt hat, und Diego Godin, dessen Weg vermutlich zu Inter Mailand führen wird, verlassen nicht nur zwei wichtige Verteidiger, sondern auch zwei enge Freunde von ihm den Klub.
Was bedeutet Griezmanns Abschied für Atletico?
Neben Trainer Diego Simeone war Griezmann das Aushängeschild der jüngeren Vergangenheit Atleticos und neben seiner sportlichen Wichtigkeit sehr beliebt innerhalb der Mannschaft. Sein Abschied hinterlässt eine große Lücke, füllt die wegen des kostspieligen Stadionprojekts eher klamm gewordenen Kassen der Colchoneros aber auf.
Atletico muss zwar etwa 20 Prozent der festgeschriebenen Ablösesumme von 120 Millionen Euro an Griezmanns Ausbildungsklub Real Sociedad abgeben. Vor dem Hintergrund, dass der Linksfuß nach seiner Vertragsverlängerung im vergangenen Sommer sage und schreibe 23 Millionen Euro verdiente, bietet sich dem Klub aber durchaus die Chance, einen adäquaten Ersatz zu holen.
Auf der anderen Seite muss Atletico aufpassen, dass der Griezmann-Wechsel keinen Domino-Effekt auslöst. Seit mehreren Tagen kursieren Gerüchte um einen Abschied des jungen Mittelfeldstrategen Rodrigo. Da dessen Ausstiegsklausel "nur" bei 70 Millionen Euro liegt, sind einige prominente Klubs wie Manchester City oder Paris Saint-Germain an ihm interessiert. Ähnliches gilt für Saul, einem weiteren spanischen Nationalspieler, dem bereits im vergangenen Sommer reizvolle Angebote aus England vorlagen.
So oder so kommt ein arbeitsreicher Sommer auf die Atletico-Bosse zu. Wie die Marca schreibt, stehen mit Juanfran, Filipe Luis, Diego Costa und Nikola Kalinic vier weitere namhafte Spieler vor einem Abschied. Ob Trainer Simeone bereit ist, eine personelle Revolution zu managen, steht ebenfalls in den Sternen. Auch er zögerte in den vergangenen Jahren immer wieder mit Vertragsverlängerungen und lehnte interessante Anfragen aus anderen Top-Ligen ab.
Welche Wechseloptionen hat Griezmann?
Die größten Chancen auf eine Verpflichtung hat übereinstimmenden Medienberichten zufolge der FC Barcelona. Trotz Griezmanns skurriler, an Selbstinszenierung kaum zu überbietender Absage in einer TV-Show vor einem Jahr, sind die Verantwortlichen der Katalanen nach wie vor von dem Franzosen überzeugt. Das Problem: Sie müssen sowohl aus sportlicher als auch aus finanzieller Sicht erst einmal Platz in ihrem prall gefüllten Starensemble für ihn schaffen.
145-Millionen-Flop Philippe Coutinho, das schreibt zumindest Barcas Hausblatt Sport, soll nach eineinhalb enttäuschenden Jahren im Camp Nou für Griezmann geopfert werden. Finden die Blaugrana keinen Abnehmer für den Brasilianer, dürfte es schwierig werden, den Noch-Atletico-Star zu bezahlen und in einem System mit Lionel Messi, Luis Suarez und Co. unterzubringen.
Außerdem hat Barca schon 80 Millionen Euro für Frenkie de Jong locker gemacht und gilt im Werben um dessen Ajax-Kollegen Matthijs de Ligt ebenfalls als Favorit. Daher dürfte für den ein oder anderen Mitbewerber im Griezmann-Poker noch eine Hintertür offen sein. Allen voran für Paris Saint-Germain und den FC Bayern.
gettyBeide Klubs haben schlagkräftige Argumente auf ihrer Seite. Sie sind national erfolgreich, lechzen nach der Champions League und können Griezmann eine Atmosphäre bieten, in der er sich wohl fühlt. Mit PSG würde sich der Spieler auch für sein Heimatland entscheiden, mit Bayern auch für gute Freunde aus der französischen Nationalelf wie Lucas Hernandez, Kingsley Coman oder Corentin Tolisso.
Ob der deutsche Rekordmeister konkretes Interesse an Griezmann zeigt, ist aktuell aber nicht bekannt. Wie Bayerns Sportdirektor Hasan Salihamidzic am vergangenen Samstag im Aktuellen Sportstudio des ZDF verriet, traf er sich kürzlich mit einem Spielerberater in Madrid.
Nicht auszuschließen, dass es sich dabei um den von Griezmann handelte. Miguel Angel Gil Marin, der Geschäftsführer von Atletico, wollte auf Anfrage von SPOX und Goal am Mittwoch jedenfalls keine Stellungnahme zu den Wechseloptionen des Angreifers abgeben.