Nach der Eskalation mit Ralf Rangnick, dem Verkauf von Luiz Gustavo, David Alabas Ausleihe und der Beförderung von Marco Pezzaiuoli vom Co- zum Cheftrainer beginnt bei 1899 Hoffenheim eine neue Ära. Aber hat Pezzaiuoli eine Chance? Was passiert im Transferfenster? Und wohin geht Ralf Rangnick? Die fünf brennenden Fragen.
1. Frage: Warum trennen sich Rangnick und Hoffenheim?
Luiz Gustavos Transfers zum FC Bayern und die vorangegangenen Verhandlungen von Klub-Gönner Dietmar Hopp hinter Ralf Rangnicks Rücken sind der Auslöser der sofortigen Vertragsauflösung. Hopps unbedachte Indiskretionen gegenüber einigen Medien in den letzten Tagen trugen ebenfalls zur Eskalation bei.
Rangnick bei der Pressekonferenz in Hoffenheim frustriert: "Es war ein einmaliger Vorfall, dass ein Spieler ohne direkte Information an den Trainer verkauft wird. Das hat zu meiner Entscheidung geführt. Das hat eine Tragweite, wie sie größer nicht sein kann."
Rangnick: "Man braucht mich hier nicht mehr"
Die Trennung erfolgt jedoch nicht ausschließlich wegen der vergangenen zwei Wochen, vielmehr kulminiert in Gustavos Weggang ein Streit, der seit langem zwischen Rangnick und Hopp schwelt und um die zentrale Frage kreist: Wie schnell soll Hoffenheim in den Europapokal?
Während es Rangnick nicht schnell genug gehen konnte und er sich für entsprechende Investitionen in neue Spieler einsetzte, befürwortet Hopp den Weg des langsameren, aber kostengünstigeren Fortschritts. Und dieser beinhaltet eben auch den rentablen Verkauf eines Spielers wie Gustavo, damit sich die Mannschaft irgendwann ohne die finanziellen Zuwendungen des Milliardärs selbst trägt. Ursprünglich gehörte es zu Hopps Visionen, dass der Verein bereits 2010 mehr Einnahmen als Ausgaben zu verzeichnen hat.
Es ist diese grundlegende Meinungsverschiedenheit, die dazu geführt hat, dass Rangnick in den letzten beiden Jahren zweimal vor einem Rücktritt stand.
Im Mai 2009 war er unter anderem wegen der Absage seines Wunschspielers Lewis Holtby derart gefrustet, dass er öffentlich die fehlende wirtschaftliche Risikobereitschaft des Klubs anprangerte und seine Zukunft in Hoffenheim in Frage stellte - was Hopp hämisch konterte: "Wem es nicht reicht, dass wir in der Bundesliga sind, und wer einen Champions-League-Klub will, der ist in Hoffenheim an der falschen Adresse."
Im Mai 2010 wiederum entbrannte ein ähnlicher Konflikt: Hopp installierte mit dem sogenannten Beirat eine neue Kontrollinstanz ähnlich einem Aufsichtsrat, deren Zustimmung die sportliche Führung vor jedem wichtigen Transfer einzuholen hat. Der Beirat setzt sich zusammen aus dem Mäzen, seinem Sohn Daniel, Klub-Präsident Peter Hofmann sowie den beiden Hopp-Vertrauten Gerd Oswald und Berthold Wipfler.
Außerdem stellte Hopp für die Verpflichtung von Neuzugängen lediglich zehn Millionen Euro in Aussicht, Rangnick forderte mehr. Nachdem sich beide Seiten jedoch aufeinander zubewegten und der von Rangnick entfremdete Manager Jan Schindelmeiser durch Ernst Tanner ersetzt wurde, unterschrieb der Trainer die Verlängerung des 2011 auslaufenden Vertrags um ein weiteres Jahr bis 2012. Im Nachhinein betrachtet nur ein Scheinfriede.
2. Frage: Wie geht es mit Rangnick weiter?
3. Frage: Wer wird Rangnicks Nachfolger?
4. Frage: Wie verändert sich die Mannschaft in der Winterpause?
5. Frage: Wie verändert sich das Gesicht der Mannschaft langfristig?
2. Frage: Wie geht es mit Rangnick weiter?
Bei einigen gilt er als selbstherrlich und eitel, seine Reputation als Fußball-Lehrer ist aber exzellent, entsprechend wenig Mühe dürfte es Rangnick bereiten, spätestens im Sommer einen neuen Verein zu finden, der seine ambitionierten Ziele teilt.
Schon vor eineinhalb Jahren galt er in Wolfsburg als möglicher Nachfolger für Felix Magath. Angesichts Steve McClarens geschwächter Position erscheint ein baldiger Trainerwechsel denkbar, auch wenn VfL-Geschäftsführer Dieter Hoeneß nach dem Pokal-Aus gegen den Zweitligisten Cottbus eine Entlassung des englischen Coachs ausschloss.
Ebenfalls eine mögliche Option: Der Hamburger SV, der sich nach einer durchwachsenen Hinrunde nur halbherzig mit Trainer Armin Veh dazu entschloss, zumindest die Rückrunde gemeinsam zu bestreiten.
Sollte sich Rangnick nach viereinhalb höchst ereignisreichen Jahren dazu entschließen, erst im Sommer eine neue Anstellung anzunehmen, könnten sich weitere Alternativen anbieten. Etwa bei seinem ehemaligen Verein Stuttgart, wo der neue Trainer Bruno Labbadia trotz Vertrags bis 2013 die Rückrunde über auf Bewährung arbeitet.
Lediglich Spekulation sind erste Überlegungen, wonach Rangnick beim Viertligisten RB Leipzig übernehmen könnte, um wie mit Hoffenheim in die Bundesliga durchzumarschieren. Geldgeber Red Bull ist mit der Entwicklung in Leipzig unter Trainer Tomas Oral unzufrieden, weil der Verein entgegen des Businessplans wohl den Aufstieg in die 3. Liga verpassen wird.
1. Frage: Warum trennen sich Rangnick und Hoffenheim?
3. Frage: Wer wird Rangnicks Nachfolger?
4. Frage: Wie verändert sich die Mannschaft in der Winterpause?
5. Frage: Wie verändert sich das Gesicht der Mannschaft langfristig?
3. Frage: Wer wird Rangnicks Nachfolger in Hoffenheim?
Mit der Trennung von Rangnick und dessen langjährigen Vertrauten und Assistenten Peter Zeidler gab der Verein bekannt, dass Marco Pezzaiuoli, der zweite Co-Trainer, befördert wird. Der 42-Jährige lehnte im Sommer ein Angebot des französischen Zweitligisten Metz als Chefcoach ab und wechselte vom DFB zu 1899, um als "Spezialist für das Spiel mit dem Ball" (Rangnick) das Offensivspiel der Hoffenheimer zu verbessern.
Pezzaiuoli gehört wie Rangnick, Jogi Löw, Hansi Flick, Rainer Adrion, Thomas Tuchel und Robin Dutt zu den Vertretern, die allesamt eine ähnliche Fußball-Philosophie verfolgen und aus dem süddeutschen Raum stammen.
Beinahe wäre er 2008 Löws Co-Trainer bei der deutschen Nationalmannschaft geworden, stattdessen blieb er deutscher Jugend-Auswahlcoach und führte die U 17 2009 zur Europameisterschaft.
Ob Hopp ihn mittel- und langfristig als neuen Cheftrainer einplant oder die Lösung mit Pezzaiuoli aus der Not geboren wurde, ist offen.
Für Pezzaiouli spricht, dass Hopp mit einem jungen, eher unbekannten Trainer seinem Ziel Nachdruck verleiht, dass nicht der sofortige, sondern der nachhaltige Erfolg maßgeblich ist. Eine mögliche interne Lösung neben Pezzaiuoli war dementsprechend auch Markus Gisdol, der erfolgreiche Coach der zweiten Mannschaft.
Markus Gisdol im SPOX-Interview
Sollten unter Pezzaiuoli die ersten Rückrunden-Spiele jedoch erfolglos verlaufen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die üblichen Namen auftauchen: Christian Gross, Christoph Daum, Jürgen Klinsmann - wobei Letzterer durchaus als langfristiger Rangnick-Nachfolger in Betracht kommt, immerhin sind er, Hopp und Bernhard Peters, Direktor für Sport- und Nachwuchsförderung in Hoffenheim, seit Jahren befreundet.
Klinsmann schlug 2006 erfolglos Peters als neuen Sportdirektor des DFB vor und riet diesen wenig später zum Wechsel nach Hoffenheim, mit Hopp wiederum tauscht er Gefälligkeiten aus. Zum Beispiel, wenn Klinsmann wie in der Vergangenheit geschehen per Videobotschaft ins 1899-Nachwuchszentrum zugeschaltet wird, um zu den Hoffenheimer Jugendspielern zu sprechen.
Die Ideallösung scheint jedoch Mainz' Erfolgscoach Tuchel: Er verfügt über ein eigenes Profil, doch sein Fußball-Verständnis ähnelt dem seines früheren Trainers und Vorgesetzten Rangnick. Zudem arbeitet er ebenfalls bevorzugt mit Talenten und ist als ehemaliger Stuttgarter Nachwuchstrainer mit einigen Spielern in der Hoffenheimer Mannschaft gut bekannt.
1. Frage: Warum trennen sich Rangnick und Hoffenheim?
2. Frage: Wie geht es mit Rangnick weiter?
4. Frage: Wie verändert sich die Mannschaft in der Winterpause?
5. Frage: Wie verändert sich das Gesicht der Mannschaft langfristig?
4. Frage: Wie verändert sich die Mannschaft in der Winterpause?
Nach Gustavos Transfer nach München wird dessen Planstelle von David Alaba übernommen, der den umgekehrten Weg geht und ausgeliehen wird. Der österreichische Nationalspieler sieht sich wie Gustavo im zentralen defensiven Mittelfeld am stärksten, doch auch er kann als Linksverteidiger aushelfen.
Anders als der extrem vielseitige Gustavo ist er jedoch keine Option für das Abwehrzentrum, weswegen 1899 nach einem weiteren Innenverteidiger sichtet. Josip Simunic und Isaac Vorsah sind gesetzt, hatten diese Saison jedoch Verletzungsprobleme, Marvin Compper wird hinten links benötigt, Matthias Jaissle kehrte erst jüngst von seiner 17-monatigen Pause zurück.
Für Gustavos Nachfolge im zentralen defensiven Mittelfeld neben Sebastian Rudy bieten sich drei Spieler an: Eben jener hochbegabte Alaba, dem es jedoch an Spielpraxis und als 18-Jähriger an Erfahrung mangelt. Tobias Weis, der erstmals in Hoffenheim über eine längere Zeit aus der Stammelf verdrängt wurde. Oder Sejad Salihovic, der zwar auf der linken Flügelposition wesentlich wirkungsvoller ist, sich jedoch auch im Zentrum bewährt hat.
Der bisher einzig feststehende Zugang heißt Roberto Firmino, vier Millionen Euro teuerer Spielmacher aus der zweiten brasilianischen Liga. Sollte Ersatzstürmer Prince Tagoe einen neuen Klub finden, könnte aber ein weiterer Offensivspieler verpflichtet werden.
1. Frage: Warum trennen sich Rangnick und Hoffenheim?
2. Frage: Wie geht es mit Rangnick weiter?
3. Frage: Wer wird Rangnicks Nachfolger?
5. Frage: Wie verändert sich das Gesicht der Mannschaft langfristig?
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Der unter Rangnick eingeschlagene Pfad wird fortgeführt, nur dass nun voraussichtlich noch entschiedener auf die Jugend gesetzt wird. Eine Schlüsselrolle kommt Manager Ernst Tanner zu, der als Nachwuchschef bei 1860 München bereits eindrucksvoll bewies, dass er in der Lage ist, trotz Sparzwangs das Optimum zu erreichen, ohne sich ständig über die geringen finanziellen Mitteln zu beklagen.
Dass Tanner von Hopp in die Gustavo-Verhandlungen mit den Bayern eingebunden wurde, beweist, welch hohes Ansehen er bereits nach einem halben Jahr genießt. Auf die Frage, wer für die gelungene Transferpolitik im Sommer verantwortlich zeichnet, antwortete Hopp: "Eindeutig Ernst Tanner, der ein Glücksfall für unseren Verein ist."
Hoffenheim wird weiterhin um die besten Talente in Deutschland mitbieten, in der Vergangenheit versuchte Rangnick unter anderem Holtby, Thomas Müller, Holger Badstuber, Sami Khedira, Neven Subotic und Andre Schürrle von Hoffenheim zu überzeugen.
Doch anders als unter Rangnick dürfte Tanner alleine schon aus Kostengründen noch mehr darauf achten, dass zukünftig den eigenen Jugendspielern der Sprung zu den Profis gelingt. In der Hinrunde kamen lediglich Denis Thomalla und Manuel Gulde zu Kurzeinsätzen - was auch klubintern erste Zweifel aufkommen lässt, wofür das so hoch gelobte Nachwuchszentrum errichtet wurde.
1. Frage: Warum trennen sich Rangnick und Hoffenheim?
2. Frage: Wie geht es mit Rangnick weiter?
3. Frage: Wer wird Rangnicks Nachfolger?
4. Frage: Wie verändert sich die Mannschaft in der Winterpause?