Frank Zöllner vom VfL Bochum im Interview: "Beim BVB war die Menschlichkeit abhandengekommen"

Jochen Tittmar
18. März 202015:50
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Fast 20 Jahre lang war Frank Zöllner als Physiotherapeut bei Borussia Dortmund beschäftigt. Mit dem BVB gewann Zöllner drei Deutsche Meisterschaften, die Champions League und den Weltpokal, erlebte aber auch die schwere Zeit rund um die Beinahe-Pleite 2005 mit. Der Familie zuliebe wechselte der heute 52-Jährige 2010 zum VfL Bochum und feierte dort kürzlich sein zehnjähriges Dienstjubiläum.

Im Interview mit SPOX und Goal spricht Zöllner unter anderem über seinen Start beim BVB, Verhandlungen mit Schalke 04 im Jogginganzug, einen sauren Michael Zorc und den fluchenden Egozentriker Jürgen Klopp.

Herr Zöllner, außer ein paar alten Autogrammkarten und der Meldung, dass Sie Borussia Dortmund verlassen haben, findet sich im Internet nichts über Sie. Ist das hier trotz Ihrer fast 30 Jahre im Profifußball Ihr erstes Interview?

Frank Zöllner: In dieser Form auf jeden Fall. Als der BVB 2009 einen neuen Ausrüster bekam, drehten sie ein kleines Filmchen und da durfte ich auch mal etwas sagen. Das war's in der Hinsicht aber.

Dann haben wir nun einiges aufzuarbeiten. Sie haben 1990 im Alter von 22 Jahren in der Jugendabteilung des BVB als Physiotherapeut angefangen. Wie kam es und welche Verbindung hatten Sie zum Fußball?

Zöllner: Wenn man wie ich in Dortmund groß wird, ist man auch Borussia-Anhänger. Ich bin mit dem Fahrrad zur Südtribüne gefahren und habe früher selbst ein wenig im Verein gekickt. Meine berufliche Ausbildung begann 1986. Ich habe meine Praktika auf dem Weg zum Physiotherapeuten im Marienhospital in Dortmund absolviert. Dort arbeitete Dr. Falk Richter, der zugleich Vereinsarzt vom BVB war. Das war mir zu Beginn aber gar nicht klar. Zu den Praktika verholfen hat mir der dortige leitende Physiotherapeut, der wiederum eng mit dem damaligen BVB-Geschäftsführer Walter Maahs zusammengearbeitet hat. Maahs habe ich später selbst öfter behandelt.

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Haben dann also Sie ihn oder er Sie gefragt?

Zöllner: Er meinte, es gäbe einen kleinen Engpass im Verein. Michael Zorc und Michael Schulz ließen sich ohnehin schon von Dr. Richter im Krankenhaus behandeln und so rutschte ich nach und nach in diese Geschichte hinein. Maahs sagte irgendwann, er wolle, dass ich nicht mehr im Krankenhaus, sondern für den Verein arbeiten solle. Allerdings nicht sofort bei den Profis, sondern innerhalb der Kooperation mit dem Reha-Zentrum Orthomed vor allem für die Jugendabteilung. So begann das, nebenbei war ich jedoch auch für die Profis abgestellt. Als ich 1991 Ottmar Hitzfeld nach seinem Kreuzbandriss behandelte, sagte er, er möchte mich künftig komplett bei der Mannschaft haben. Ab 1992 war ich dann dabei.

Wie stolz waren Sie, dass Sie von nun die Stars Ihres Herzensvereins behandelten?

Zöllner: Sehr, das war einfach geil. Vor allem auch, weil sich der Erfolg so schnell einstellte. 1992 wurde der BVB erst Vizemeister, dann stand man im UEFA-Cup-Finale, wenig später kamen die beiden Meisterschaften und der Champions-League-Sieg hinzu. Dortmund wurde mit der Zeit von einer riesigen Welle der Euphorie erfasst, die immer größer wurde und kein Ende zu nehmen schien. Damit hatte ja ein paar Jahre zuvor niemand gerechnet. Das hat einen als Mitarbeiter des Vereins schlichtweg mitgerissen, weil jeder nach diesen Erfolgen gierte.

1995 wurde der BVB erstmals nach 32 Jahren Meister, im Jahr darauf holte man die Schale erneut und 1997 die Champions League. Auch die Meisterschaft 2002 erlebten Sie mit. Was war für Sie am emotionalsten?

Zöllner: Es war alles sensationell. Für die Spieler war eher der Champions-League-Sieg das Größte, weil der BVB dadurch die beste Klubmannschaft Europas wurde. Ich fand die Meisterschaft 1995 aber deshalb so besonders, weil die beiden Stürmer Stephane Chapuisat und Karl-Heinz Riedle zum Saisonende mit Kreuzbandrissen ausfielen und der Titel mit dem sogenannten Baby-Sturm um Lars Ricken und Ibrahim Tanko geholt wurde. Als wir damals mit dem Truck durch Dortmund gefahren sind und die Begeisterung der 500.000 Menschen sahen, war das schlichtweg unglaublich.

Wie haben Sie im Gegensatz dazu die Zeit rund um die Beinahepleite 2005 wahrgenommen?

Zöllner: Ich hatte Angst um meinen Job. Ich werde diesen Tag nie vergessen, als die Molsiris-Anleger in Düsseldorf darüber entschieden, ob der BVB pleitegehen würde oder nicht. Als das zum Glück nicht eintrat, war man einfach nur glücklich. Und das, obwohl der Verein entschied, dass Spieler 20 Prozent und Mitarbeiter wie ich zehn Prozent ihres Jahresgehalts über mehrere Monate hinweg an den Verein zurückzahlen sollten, um eben die Kosten zu senken und das weitere Überleben zu garantieren. Damals hieß es noch, wenn es dem Verein finanziell wieder gutginge, bekäme man das Geld wieder zurück. Das war später nicht der Fall, aber es war einem egal, weil man sich mit Leib und Seele mit dem Verein und der Aufgabe identifizierte.

Wie groß war denn damals schon der Druck für einen Physiotherapeuten, einen verletzten Spieler fit zu bekommen?

Zöllner: Der Druck war immer da. Gerade in der Zeit, als es in Dortmund viele Trainer- und Ärztewechsel gab. Teilweise hatten wir vier, fünf Mannschaftsärzte in nur einer Saison. Mein Kollege Peter Kuhnt, mit dem ich fast ein eheähnliches Verhältnis hatte, und ich haben uns zum Glück ständig weitergebildet. Dadurch konnten wir unser Spektrum an Behandlungen für die Spieler derart erweitern, dass es zur damaligen Zeit schon ziemlich unkonventionell war. Man muss auch ehrlich sagen, dass wir uns beide sehr unter Druck gesetzt haben, um die verletzten Spieler so schnell wie möglich wieder auf den Platz zu bekommen. Es ist bis heute immer eine persönliche Genugtuung, wenn der Spieler wieder einsatzfähig ist.

In den 1990er Jahren war das vielzitierte Team hinter dem Team noch deutlich kleiner als heute. Inwiefern hatten Sie Unterstützung?

Zöllner: Lange Zeit gar nicht, Peter und ich waren alleine. Die Arbeit im Kraftraum, das Athletiktraining, der Übergang von der Reha zu den ersten fußballerischen Übungen - für all dies waren wir zuständig. Peter meinte, ich hätte doch früher Fußball gespielt, also könne ich doch mit den Jungs, die aus der Reha kamen, auf den Platz gehen. Und dann stand ich da als ehemaliger Kreisliga-A-Spieler und habe einem Weltmeister wie Jürgen Kohler die Bälle zugeworfen. Wir hatten durch unsere Nationalspieler aber auch einen guten Kontakt zu DFB-Mannschaftsarzt Dr. Müller-Wohlfahrt hergestellt. Er hat uns beispielsweise noch am Vortag des Champions-League-Endspiels in München enorm geholfen. Wir hatten sechs angeschlagene Spieler. Also haben wir ihn angerufen, sind zu ihm in die Praxis gefahren und er knetete und spritzte dann mit.

Peter Kuhnt erzählte 2017 im SPOX-Interview, dass er Spieler auch im Urlaub zu betreuen hatte oder er sie zu Ärzten begleitete. War das bei Ihnen auch so?

Zöllner: Regelmäßig, vor allem bei Operationen. Wir hatten beide sozusagen unseren Spielerstamm, bei mir waren das zum Beispiel Leute wie Dede, Julio Cesar oder Jürgen Kohler. Einmal habe ich in meinem Urlaub einen Anruf von Michael Zorc bekommen, Alex Frei hatte sich das Innenband gerissen. Ich solle mit dem Auto nach Basel fahren, ihn dort vom Arzt abholen und anschließend nach Neuchatel düsen, um bei der OP dabei zu sein - und am nächsten Tag wieder zurück nach Dortmund. Wir haben da nie lange diskutiert, sondern es einfach gemacht, weil es gewissermaßen auch ein Privileg war. Für uns war es zudem wichtig, bei den OPs dabei sein zu können, weil wir so hautnah sahen, was wirklich wie gemacht wurde und nicht nur einen nüchternen OP-Bericht zugeschickt bekamen.

Kuhnt sagte auch, ihm sei sein eigener Stellenwert erst so richtig bewusst geworden, als er den BVB 2017 nach 23 Jahren verließ. Wie erging es Ihnen?

Zöllner: Das ist wahrscheinlich typbedingt. Für mich zeigte sich mein Stellenwert durch die ständigen Anfragen anderer Vereine, die ich mir meiner Meinung nach erarbeitet habe. Ich verhandelte zwischenzeitlich unter anderem mit Schalke. Ich empfand es auch als tolle Bestätigung, als mich Heiko Herrlich 2009 anrief und mich unbedingt nach Bochum holen wollte. Noch vor eineinhalb Jahren fragte Stefan Reuter an, ob ich nicht nach Augsburg kommen möchte. Ich sagte nur: "Du kennst doch die Antwort. Ich bin eine Ruhrpott-Pflanze, die den Staub und Dreck braucht. Mich kannst du nicht nach Augsburg packen." (lacht)

Moment mal: Sie haben als gebürtiger Dortmunder mit Schalke verhandelt?

Zöllner: Ich hatte schon einen unterschriftsreifen Vertrag von Rudi Assauer vorliegen und wollte auch zusagen. Als wir uns trafen, beide übrigens im Jogginganzug, sah ich, dass in dem Vertrag gar keine Zahlen enthalten waren. Rudi meinte nur: "Dat trägste hinterher ein, dat is' mir egal. Wir wollen dich haben." (lacht) Als ich den damaligen BVB-Manager Michael Meier informierte, sagte er, ich könne doch nicht kündigen, sie werden mich nicht gehen lassen. Das ging dann hin und her. Am Ende habe ich beim BVB zu besseren Bezügen verlängert, obwohl es mir gar nicht darum ging.

Haben die Spieler heutzutage eigentlich ein vielfach größeres medizinisches Wissen als zu früheren Zeiten?

Zöllner: Natürlich. Heutzutage erschrickt man beinahe, wie professionell die Spieler in dieser Hinsicht oder auch beim Thema Ernährung sind. Früher wurde geraucht und getrunken. Das war im Vergleich zu heute brutal, wie man damals als Profi lebte. Früher hatten wir auch ganz andere Diagnostiken. Da konnte man an einer Hand abzählen, wie oft im Jahr ein MRT oder eine Computertomographie gemacht wurden. Heute sind die Spieler schon in den Nachwuchsleistungszentren durchgängig mit medizinischen Themen konfrontiert und auch entsprechend informiert, was die Pflege des eigenen Körpers angeht.

Nach fast 20 Jahren verließen Sie die Borussia Ende 2009. Aus privaten Gründen, "der Familie zuliebe", wie es laut BVB-Mitteilung hieß. Direkt im Anschluss heuerten Sie beim VfL Bochum an. Wie ist es zu diesem schnellen Wechsel in die Nachbarstadt gekommen?

Zöllner: Ich wohne in Dortmund-Lütgendortmund, das ist quasi an der Grenze zu Bochum. Bis zum VfL sind es sieben Kilometer, zum BVB-Trainingsgelände nach Brackel dauerte es teils 45 Minuten. Dazu kam, dass unter Jürgen Klopp häufiger zweimal pro Tag trainiert wurde. Dazu die Aufenthalte im Hotel vor den Heimspielen, die Auswärtsspiele sowieso - da warst du jedes Mal erst spät zu Hause und hast deine Familie vier, fünf Tage quasi überhaupt nicht gesehen. Und darunter hat sie gelitten, auch wenn mich meine Frau in all den Jahren immer super unterstützt hat.

Hatten Sie in all den Jahren zuvor einmal eine Phase, in der Sie am liebsten hinschmeißen wollten?

Zöllner: Nein. Ich weiß aber noch, dass wir unsere Tochter bekamen, kurz bevor wir 1995 ins Trainingslager nach Brasilien gereist sind. Damals saß ich neben Heiko Herrlich, mit dem ich mich erst kürzlich wieder über genau diese Situation unterhalten habe. Er meinte, er wisse noch genau, wie nervös ich war und nur an meine Tochter gedacht habe. Damals sagte ich zu ihm: "Boah, jetzt wird's aber komisch." Die Euphorie bei mir war damals irgendwie etwas gebremst. Ich dachte aber, dass sich zu Hause trotzdem alles irgendwie regeln würde.

Wenn dieses Gefühl erstmals 1995 auftrat, haben Sie aber noch lange ausgehalten.

Zöllner: Ja, noch 13 Jahre. Ab ungefähr 2008 merkte ich schließlich, dass sich unbedingt etwas ändern muss. Einmal kam ich nach Hause und traf auf meine weinende Tochter. Ihr Freund hatte sich offenbar von ihr getrennt - und ich wusste nicht einmal, dass sie einen hatte! Oder solche Episoden wie unter Kloppo, der manchmal spontane Besprechungen am Abend einberief, so dass sich der Feierabend verzögerte und man sich vorab gar nicht mehr bei der Familie melden konnte, um Bescheid zu sagen. Irgendwann wollten die Kinder kaum noch mit mir reden. Da habe ich gesagt: Jetzt ist Schluss.

Seit 2010 ist Frank Zöllner beim VfL Bochum beschäftigt.imago images

Wie lange trugen Sie letztlich den Wechselgedanken in sich?

Zöllner: Entscheidend war vor allem der Anruf von Heiko Herrlich. Ich wusste von nichts, er wollte sich eigentlich nur auf einen Kaffee treffen. Dann setzte er mir aber den Floh mit dem VfL ins Ohr. Das ergab dann auch schnell Sinn, denn er bot an, dass ich vor den Heimspielen zu Hause schlafen könne. Die internationalen Spiele fielen hier auch weg. Am Ende war ich Feuer und Flamme. Ich hatte nur die Befürchtung, dass mich der BVB nicht gehen lassen würde.

Wie reagierte man bei der Borussia, überrascht?

Zöllner: Ich habe es Aki Watzke und Michael Zorc auf der 100-Jahr-Feier 2009 mitgeteilt und direkt danach schriftlich per Einschreiben gekündigt. Zorc war sauer, weil wir auch privat befreundet waren und 20 Jahre lang zusammengearbeitet haben. Ich habe eine hohe Meinung von ihm, aber leider nahm er meine Kündigung wohl irgendwie persönlich. Der Kontakt ist seitdem so gut wie abgebrochen. Wieso ich denn nichts gesagt hätte, man könne doch alles regeln, meinte er damals. Ich musste aber einfach raus, es ging nicht mehr. Ich sah in Bochum die Möglichkeit, wieder deutlich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen zu können. Einen Tag vor Weihnachten unterschrieb ich in Zorcs Büro den Auflösungsvertrag. Wir haben beide geheult wie die Schlosshunde.

"Ich brauche den langsamen Entzug", haben Sie damals gesagt und für vier Jahre beim VfL unterschrieben. Am 1. Januar feierten Sie zehnjähriges Dienstjubiläum in Bochum...

Zöllner: Ich habe den Schritt ab der ersten Sekunde nicht bereut und würde ihn heute genauso wieder gehen. Ich wollte mich nach den vier Jahren selbständig machen, weil ich dachte, das würde mir eh alles zu stressig. Doch das Familienleben hat die gewünschte Wendung genommen. Jetzt bin ich schon seit zehn Jahren hier und die Kinder sind fast aus dem Haus. Daher war es immer ein leichtes, sich mit dem VfL über eine Vertragsverlängerung zu einigen.

Sie sind jetzt 52 Jahre alt. Wie lange wollen Sie noch im Fußball bleiben?

Zöllner: Planlos geht der Plan los. (lacht) Mein Vertrag läuft zum Jahresende aus. Ich könnte mir eine Verlängerung gut vorstellen, aber das hängt auch von der Situation des Vereins ab. Wir stecken aktuell im Abstiegskampf. Momentan haben wir in Anführungszeichen den Luxus, dass drei Physiotherapeuten sowie zwei Athletik- und Reha-Trainer angestellt sind. Ich könnte den Verein daher verstehen, wenn er an diesen Stellen einkürzen möchte. Ich bin vom Gefühl her eher pessimistisch, aber warte entspannt ab, was sich ergibt.

Inwiefern unterscheidet sich denn die Arbeit in Bochum von der in Dortmund?

Zöllner: Sie macht mir hier mehr Spaß, auch weil es verhältnismäßig klein ist und sehr familiär zugeht. Geschäftsstelle und Profiabteilung sind eng beisammen, hier kennt jeder jeden. Und vor allem habe ich genügend Zeit zum Arbeiten, weil sie mir auch die nötige Zeit dazu geben. In Dortmund musste man teilweise Leuten Rede und Antwort stehen, warum Spieler X noch nicht fit sei, und die dann noch freche Forderungen stellten, was dafür zu tun sei. Dadurch entwickelten sich auch Vorurteile der medizinischen Abteilung gegenüber.

Was waren das denn für Leute?

Zöllner: Gelegentlich kamen beispielsweise vermeintliche Experten von außen vorbei. Einmal war ein Physiotherapeut da, der eine negative Schwingung in der Kabine ausgemacht hatte und meinte, man müsse nun irgendwelche Steine hinlegen und Pflaster anbringen, um das zu bereinigen. Das war manchmal richtig irre. Beim BVB waren für mich der Spaß und die Menschlichkeit immer mehr abhandengekommen, nachdem Michael Meier 2005 gehen musste.

Wie meinen Sie das?

Zöllner: Nach ihm hat sich der Verein immer mehr zu einem Wirtschaftsunternehmen entwickelt. Durch die räumliche Trennung von Geschäftsstelle und Trainingsgelände spalteten sich auch die einzelnen Mitarbeiter nach und nach in Gruppen ab. Meier kannte vor allem die Probleme der Spieler und kümmerte sich darum, bei ihm stand die Tür jederzeit offen. Wir siezen uns zwar immer noch, aber in Sachen Menschlichkeit habe ich von ihm die allerhöchste Meinung. Da ich zum Beispiel ein freundschaftliches Verhältnis zu Dede hatte, meinte er, dass ich mich bei Themen wie Überweisungen, Rechnungen oder privaten Versicherungen um alle Brasilianer kümmern soll, die mit der Zeit in Dortmund spielten. Er hat aber auch dafür gesorgt, dass wir das in Ruhe und mit ausreichend Zeit tun konnten.

Sie haben in all der Zeit im Fußball wahrscheinlich viele besondere Typen kennengelernt. Gab es jemanden, der Ihnen auch so richtig auf die Nerven gehen konnte?

Zöllner: Nein. Man arrangiert sich einfach. Würde man sich großartig über Einzelne aufregen, verbraucht man nur unnötig Energie. Wenn uns mal ein Spieler genervt hat, dann haben Peter und ich einfach getauscht und der andere hat denjenigen dann ein paar Tage lang behandelt. Das darf man auch nicht zu hoch hängen. Als Bernd Krauss im Jahr 2000 für 67 Tage Trainer war und er keines seiner elf Spiele gewinnen konnte, wurden auch Spiel für Spiel irgendwelche Dinge zwanghaft verändert. Kaffeemaschine weg, Fernseher weg, die Schuhe in einen anderen Raum - und als er entlassen wurde, haben wir das ganze Zeug einfach wieder hereingetragen. (lacht)

Der letzte Trainer, den Sie beim BVB erlebten, war Klopp. Wie kamen Sie mit ihm klar?

Zöllner: Er ist eine Type für sich. Es gab sehr, sehr viele Tage, da denkst du: Geiler Kerl! Manchmal denkst du aber: Was ein Egozentriker! Einmal rief mich Jakub Blaszczykowski an, als er von der Nationalmannschaft kam. Er sagte, er könne wegen einer Muskelverletzung nicht trainieren, käme aber trotzdem zur Besprechung vorbei. Zuvor bin ich mit Kuba zu Klopp gegangen und habe ihm gesagt, was los ist. Er ist daraufhin ziemlich ausgerastet, wahrscheinlich weil er erst in diesem Moment von Kubas Verletzung erfahren hatte. In solchen Momenten kam oft Zeljko Buvac an und meinte: "Kloppo, jetzt rauch dir erst einmal eine und beruhige dich." Er war einer der besten Co-Trainer, unter dem ich gearbeitet habe. Kloppo hatte dann auch jedes Mal den Arsch in der Hose und entschuldigte sich, wenn er im Umgang über das Ziel hinausgeschossen war.

Frank Zöllner während seiner Zeit beim BVB mit Stürmer Nelson Valdez.imago images

Wie intensiv verfolgen Sie die Schwarzgelben heute noch?

Zöllner: Ich habe zum Abschied eine Dauerkarte auf Lebenszeit geschenkt bekommen. Auch Roman Weidenfeller oder Sebastian Kehl besorgen immer mal wieder Freikarten für meine Familie. Wir gehen aber eher selten hin. Beim Hinspiel gegen Leipzig bin ich nach drei Jahren mal wieder im Stadion gewesen. Ich habe noch Sympathien, aber das Kapitel Dortmund ist für mich vorbei. Mein Sohn, er ist jetzt 15, ist auch nie mitgegangen. Er hatte schlicht Angst, dass ich dann wieder zurückgehe. Außerdem ist er durch und durch VfLer. Zum Champions-League-Finale 2013 kam er notgedrungen mit nach London, doch als es abends zur Feier ging und ich mit den ganzen alten Gesichtern am Scherzen war, wollte er mich unbedingt zurück ins Hotel schleifen.

Und zu wem haben Sie heute noch den engsten Draht?

Zöllner: Vor allem zu Dede, Kehl und Weidenfeller. Man schreibt häufiger, aber sieht sich selten. Daher fand ich es auch so überragend, dass sie uns zum Finale nach London gebracht haben. Der Verein lud damals alle Spieler ein, die 1997 Champions-League-Sieger wurden. Kehli und Roman setzten sich dafür ein, dass der damalige Mannschaftsarzt und eben Leute wie ich auch eingeladen werden. Am Ende haben Kehl und Weidenfeller die dreitägige Reise für meine Familie und mich organisiert. Solche Dinge sind für mich die größte Bestätigung für die Arbeit, die ich dort geleistet habe.

Wenn ein guter Freund Sie bitten würde, die lustigste Anekdote Ihrer BVB-Zeit zu erzählen, welche wäre das dann?

Zöllner: 1995, im Trainingslager am Vierwaldstätter See. Es war immer so, dass der Physio-Raum in der Nähe einer Feuerleiter war und ich meist den Schlüssel dafür hatte. Da hat man eben manchmal auch nicht abgeschlossen. Die Jungs sind dann ausgebüxt und steil gegangen. Am nächsten Tag habe ich gleich gemerkt, dass einige mächtig angeschossen waren - unter anderem Torhüter Stefan Klos. Wir haben deshalb zu Ottmar Hitzfeld gesagt, dass wir ihn heute aus dem Training nehmen, weil er ein dickes Knie hätte. Am selben Nachmittag war dann für die Spieler frei und viele sind Wasserski fahren gegangen. Wir dagegen sind mit Ottmar per Boot rüber nach Luzern getuckert. Während der Fahrt tauchte plötzlich Stefan auf den Wasserskiern neben uns auf, sah Ottmar nicht und meinte laut lachend: "Hey Zölle, das Knie ist wieder einwandfrei!" (lacht) Ottmar hat das natürlich registriert, aber nichts gesagt, weil er einfach ein genialer Typ war.