Favre hat sich selbst geschadet

Benjamin Wahlen
22. September 201500:07
Lucien Favre ist nicht mehr Trainer von Borussia Mönchengladbachgetty
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Die "Ära-Favre" endet mit einem unrühmlichen Knall. Ist Favre nun der Buhmann der Nation oder hat er sich selber am meisten geschadet? Wie reagiert die Mannschaft auf seinen Rücktritt und was kann Andre Schubert in wenigen Tagen erreichen? SPOX beantwortet fünf Fragen zur Trainer-Situation in Gladbach.

Hat sich Favre unsauber verhalten?

Das Ende der "Ära Favre" geschah ebenso überraschend wie unangemessen. Favres Entscheidung, den Weg in die Presse ohne Absprache mit den Klub-Offiziellen zu suchen, ist verwerflich und eine öffentliche Bloßstellung des Vereins.

Auch der Zeitpunkt seines Rücktritts ist für viele unverständlich. Warum informierte er Eberl nicht über sein Vorhaben, gab diesem aber zumindest die kommende englische Woche Zeit, um sich mit weiteren Schritten beziehungsweise einer Nachfolge-Option zu beschäftigen? Warum wirft er die Flinte nach 4,5 Jahren der vertrauensvollen Zusammenarbeit so schnell ins Korn?

Die tatsächlichen Beweggründe kennt vermutlich nur Favre selbst, was auch damit zusammenhängt, dass er sich nicht in einer Pressekonferenz verabschiedete oder erklärte. Eine Pressemitteilung, die der Schweizer dem Verein nur wenige Minuten vor der Veröffentlichung zur Kenntnisnahme schickte, beendete das Kapital Mönchengladbach.

Eberl stand die Enttäuschung über die Vorgehensweise seines langjährigen Mitstreiters auch am Tag danach noch ins Gesicht geschrieben. Die Tatsache, dass Favre sich in der Vergangenheit schon mehrfach selber zur Disposition stellte, war zwar längst kein wohlbehütetes Geheimnis mehr, erstmals aber äußerte sich Eberl öffentlich dazu und zeigte dadurch: Das Tischtuch zwischen Gladbach und Favre ist zwar nicht zerschnitten, die aufgebaute Vertrauensbasis aber empfindlich gestört.

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Seite 2: Wie reagiert die Mannschaft?

Seite 3: Ist Interims-Trainer Schubert die richtige Wahl?

Seite 4: Hat Favre auch sich selbst geschadet?

Seite 5: Wer ist der geeignete Nachfolger für Favre?

Wie reagiert die Mannschaft?

Die Enttäuschung und Verunsicherung in der Mannschaft ist groß. Viele Profis entschieden sich auch oder gerade wegen Favre für einen Wechsel an den Niederrhein, wie zuletzt Andre Hahn im Interview mit SPOX erklärte. Seine Fähigkeit, Spieler individuell enorm verbessern zu können, haftet ihm schon seit seiner Zeit in Zürich an.

Gleichzeitig rechnete keiner damit, dass er tatsächlich hinschmeißen könnte. Nach der Derby-Niederlage in Köln war sich Leader Granit Xhaka noch sicher, "dass der Trainer die Mannschaft nicht im Stich lassen wird." Kritik an Favre gab es nie. Nicht von Vereinsseite, nicht von Spielerseite. Egal wer in den vergangenen Wochen vor ein Mikrofon trat, stellte sich demonstrativ vor den Coach.

Wie genau der Zustand der Mannschaft ist und wie die Spieler den Abgang Favres verdaut haben, lässt sich nicht festmachen. Am heutigen Montagvormittag absolvierte lediglich Marvin Schulz einige Einzelübungen, auch das Abschluss-Training vor der Partie gegen Augsburg ist nicht öffentlich. Äußerungen über die sozialen Medien blieben bisher ebenfalls gänzlich aus.

Wie bei jedem Trainerwechsel wird es aber auch in Reihen Gladbachs Spieler geben, die durch die veränderte Situation Motivation und Hoffnung auf eine neue Rolle im Team schöpfen. Die erste Halbzeit gegen den FCA wird zeigen, was in der Mannschaft vorherrscht: Schock oder Aufbruchsstimmung.

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Ist Interims-Trainer Schubert die richtige Wahl?

Eberl verneinte zwar, einen Plan B in der Hand gehabt zu haben, ganz unvorbereitet trifft Gladbach die Situation aus genannten Gründen aber nicht - und so kann man zumindest von einem Notfallplan reden, den sich die Borussia bereits im Sommer zurechtlegte.

Als Sven Demandt die U23 der Fohlen Richtung Wiesbaden verließ, gehörte Erfahrung im Profibereich zum Anforderungsprofil seines Nachfolgers. Auch deshalb fiel die Wahl auf Andre Schubert, der bereits in Paderborn und auf St. Pauli tätig war. Vor allem während seiner Zeit in Westfalen, als er den SCP durch die Relegation in die 2. Liga führte, hat Schubert gezeigt, dass er in der Lage ist, eine Mannschaft mitzureißen.

Seine mental starke und fordernde Art wird besonders den verunsicherten Spielern gut tun. Für große taktische oder personelle Veränderungen fehlt ohnehin die Zeit. Das Team braucht einen Wachrüttler, der das Selbstvertrauen zurückholt und der die Negativ-Erlebnisse aus den Köpfen der Profis bekommt.

Gleichzeitig ist er gegenüber Frank Geideck, der ebenfalls als Interims-Lösung gehandelt wurde, die bessere Wahl. Geideck ist bereits seit sieben Jahren Co-Trainer und arbeitet schon sehr lange mit einem Großteil der Spieler zusammen. Schuberts neues Gesicht stellt da den wesentlich größeren Schnitt dar und sorgt für frischeren Wind auf dem Posten des Cheftrainers - auch wenn Geidecks fachliche Kompetenz unbestritten ist.

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Hat Favre auch sich selbst geschadet?

Mit seinem überraschenden Rücktritt hat Favre nicht nur Gladbach einen Bärendienst erwiesen, sondern auch sich selber. Zwar kann man ihm nicht zum Vorwurf machen, die Entscheidung, nicht mehr der richtige Mann für den VfL zu sein, getroffen zu haben.

Seine Aussagen, Gladbach sei sein "Herzensverein" und "werde immer eine besondere Rolle für ihn spielen", sind glaubhaft und zutreffend. Darüber hinaus ist es falsch, Favre nun als den Buhmann der Nation darzustellen. Auch er war längst nicht immer zufrieden mit Entscheidungen der Offiziellen und trug seinen Ärger nicht an die Öffentlichkeit. Und auch wenn man die Gründe aktuell nur schwer nachvollziehen kann, muss man ihm diese Entscheidung zugestehen.

Andere Trainer verließen Vereine mitten in der Saison, nur um bei einem anderen Klub um Titel zu kämpfen oder um mehr Geld zu verdienen. Der Zeitpunkt und vor allem die Art der Kommunikation sind mehr als unglücklich gewählt. Dass sich die Verantwortlichen, die Spieler und die Fans im Stich gelassen fühlen, ist verständlich.

Nachdem bereits die Trennung von Hertha BSC im September 2009 in einer öffentlich ausgetragenen Schmieren-Komödie ausartete, hat der Schweizer nun bereits den zweiten unrühmlichen Abgang anhaften. Zwar sind die Situationen damals in Berlin und jetzt in Gladbach nicht miteinander zu vergleichen, die Tatsache, dass Favre sich in beiden Fällen nicht sauber verhielt, bleibt aber. SPOX

In Bezug auf mögliche kommende Engagements wird ihm das sicher nicht als Vorteil ausgelegt werden, sondern manchen Verein zweimal über eine Verpflichtung Favres nachdenken lassen. Eine traurige Begleiterscheinung, angesichts seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten.

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Wer ist der geeignete Nachfolger für Favre?

Die Liste der möglichen Nachfolger ist lang, spekuliert wird in jede Richtung. Manager Eberl wollte sich zwar nicht in die Karten gucken lassen, erlaubte aber zumindest einen Einblick in das Anforderungsprofil des potentiellen Nachfolgers: Ein erfahrener Mann mit einer starken Persönlichkeit wird gesucht.

Zu groß sind die Fußstapfen Favres, als das man einem Newcomer zutraue, diese auszufüllen. Deshalb wurden auch die Absprachen mit Andre Schubert bereits vorab eindeutig in Richtung einer befristeten Zeit als Cheftrainer getätigt.

Welcher Trainer-Typ in den kommenden Wochen vorgestellt wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr schwer einzuschätzen. Mögliche Wunschkandidaten der Marke Markus Weinzierl werden nur sehr schwer aus ihren Verträgen loszueisen sein und stellen das unwahrscheinlichste Szenario dar.

Gleichzeitig sind aktuell einige Trainer auf dem Markt, die bereits über umfangreiche Erfahrungen in der Bundesliga verfügen. Auf den ersten Blick scheinen aber weder ein Mirko Slomka, noch ein Jens Keller oder Thomas Schaaf zu 100 Prozent in die Philosophie Gladbachs zu passen, die Eberl und Co. in jedem Fall beibehalten wollen. Der neue Trainer muss sich mit dem Weg, den die Borussia unter Favre eingeschlagen hat, identifizieren können und diesen weitergehen.

Vielleicht zaubern Eberl und Co. ja tatsächlich eine Überraschung wie Horst Steffen aus dem Hut. Der geborene Krefelder spielte Anfang der 90er Jahre für Gladbach, trainierte bereits die U19 und ist aktuell für die Stuttgarter Kickers verantwortlich. In jedem Fall wird man sich Zeit lassen, Eberl schloss einen Schnellschuss aus. Frühestens in der Länderspielpause Anfang Oktober wird mit der Bekanntgabe eines Nachfolgers gerechnet.

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