Die Borussia fällt ins Mittelmaß ab und die Trainerdebatten schwelen weiter. Frankfurt freut sich über einen potenziellen EM-Kandidaten, die Bayern bleiben lernresistent. Und Mainz? Hat trotz aller Kritik die richtige Entscheidung getroffen. Fünf Thesen zum 22. Spieltag der Bundesliga.
1. Deutschland hat keine Dribbler? Deutschland hat Amin Younes!
Da war der Bundestrainer dann doch mal zur rechten Zeit am rechten Ort. In der vergangenen hatte Joachim Löw die Partie von Leverkusen gegen Mainz noch aufgrund einer Autopanne verpasst. Am Samstag schaffte er es dann rechtzeitig ins Frankfurter Waldstadion und bekam dort eine der besten Spielereinzelleistungen dieser Saison zu sehen.
Wie Amin Younes den großen FC Bayern eine Halbzeit lang förmlich auseinander schraubte, war atemberaubend (die Highlights im Video!). Gegen Younes' Dribblings, seine flinken Haken und die schnellen Gedanken schauten Bayerns Verteidiger phasenweise aus wie C-Schüler. Den ersten Treffer leitete Younes mit einem der Pässe dieser Saison ein, beim zweiten zielte er mit etwas Glück - der Ball rutschte leicht vom Spann - direkt in den Winkel.
Vielleicht hat Joachim Löw auf der Tribüne ja schon darüber nachgedacht, was er selbst im Nachgang des WM-Desasters von Russland formuliert hatte und mittlerweile auch Konsens im deutschen Fußball scheint: Es fehlen die starken Entscheider auf dem Platz, die in einem Eins-gegen-Eins auch mal die hervorragenden Defensivstrategien der Gegner aufbrechen können. Löw sah Leroy Sane in Frankfurt, der als große Hoffnung in diesem Bereich gilt. Und er sah Younes, der in dieser Form definitiv ein ernstzunehmender Kandidat ist für die Europameisterschaft im Sommer.
2. Warum Mainz über den Mateta-Abgang glücklich sein kann
Es war ein ziemliches Getöse, als Mainz in der Transferperiode im Winter seinen Torjäger Jean-Philippe Mateta ziehen ließ. Mit sieben Treffern war der Franzose mit weitem Abstand gefährlichster Angreifer der Mainzer und so etwas wie ein vermeintlicher Hoffnungsschimmer im beinahe aussichtslosen Kampf gegen den Abstieg. Entsprechend kritisch wurde die Entscheidung damals kommentiert.
Allerdings haben die Verantwortlichen mit der Wahl von Bo Svensson als neuen Trainer und auch der freiwilligen Demission Matetas die richtige und einzig logische Entscheidung getroffen. Mainz kann sich nur mit Mainz-Fußball und der nötigen Mainz-Mentalität in der Liga halten. Für beides stand Mateta definitiv nicht - im Gegenteil: Er galt als Ego-Zocker und als einer derjenigen, die fürs Teamgefüge nicht gerade förderlich sind. Bei Matetas letztem Spiel gegen Frankfurt lag Mainz mit sechs Punkten abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz.
In den sieben Spielen danach holte Mainz elf Punkte und schaffte damit den Anschluss nicht nur an den Relegationsplatz 16, sondern sogar auf die rettenden Plätze darüber. Es wäre das erste Mal in der langen Geschichte der Liga, dass eine Mannschaft mit nur sieben Punkten nach der Hinserie doch noch die Klasse hält - und Mainz arbeitet mit Hochdruck an diesem kleinen Wunder.
3. Sogar Barca wollte ihn: Wolfsburgs heimlicher Königstransfer
Vor drei Jahren soll der große FC Barcelona hinter ihm her gewesen sein, ein Wechsel des damals 17-Jährigen zu Barca kam aber nicht zu Stande. Also blieb Maxence Lacroix in Sochaux und entwickelte sich dort in aller Ruhe weiter. Im Sommer wagte der Franzose dann doch den frühen Schritt hinaus aus der Ligue 2, landete in Wolfsburg - und gilt nun neben Ridle Baku als absoluter Top-Transfer der Wölfe.
Auf Anhieb schaffte Lacroix den Sprung in die Bundesliga und in die Stammelf, bestritt seit dem dritten Spieltag abgesehen von einer verpassten Partie wegen den Nachwehen einer Corona-Erkrankung alle Spiele und entpuppte sich als absolut überragender Einkauf. Lacroix ist groß, robust, schnell, macht kaum Fehler in der Defensive und überzeugt mit erstaunlich feinen Offensivakzenten.
Als einer der wenigen Innenverteidiger der Liga hat Lacroix keine Angst, auch bis tief in die gegnerische Hälfte anzudribbeln, der erste Impuls nach einem Ballgewinn ist bei ihm immer nach vorne gerichtet. Das setzt den Gegner schon mit den ersten Aktionen sofort wieder unter Druck und passt so hervorragend zur Spielidee von Trainer Oliver Glasner. Lacroix ist jetzt schon eine der Entdeckungen dieser Saison, wenngleich er in Wolfsburg und als Innenverteidiger nie so sehr im Rampenlicht steht wie andere.
4. Lernresistente Bayern mit Horrorstatistik
Die Bayern reisten mit der Belastung von vier Spielen in elf Tagen in den Knochen nach Frankfurt, dazu kamen die Reisen nach Katar und wieder zurück und die neuerlichen Coronafälle von Thomas Müller und Benjamin Pavard. Die Ausgangslage gegen die wuchtigste Mannschaft der Liga war also alles andere als gut.
Dass sich der Rekordmeister in der ersten Halbzeit aber einfach so überrennen ließ und dabei entscheidende Fehler für die spätere Niederlage machte, war dennoch verblüffend.
Ein Frankfurter Power-Fußball in der ersten Hälfte gegen müde und sichtlich angeknockte Bayern war zu erwarten. Trotzdem rannten die Bayern phasenweise ins Verderben, ließen sich im Prinzip auf Frankfurts Spiel ein und wurden entsprechend ausgekontert. Bereits zum zwölften Mal im 22. Ligaspiel lagen die Bayern deshalb zurück, ein unglaublicher Wert für eine Mannschaft wie die der Münchener.
Entsprechend sind die Aufholjagden mit einem enormen Kraftaufwand verbunden und gehen, wie zuletzt gegen Bielefeld und nun in Frankfurt, eben nicht mehr immer gut aus. Und deshalb schmilzt der ehemals komfortable Vorsprung auf Leipzig auf nur noch zwei Punkte zusammen. Legen die Bayern ihre Lernresistenz nicht ab und bleibt Leipzig einigermaßen stabil, dann gibt es tatsächlich einen echten Zweikampf um den Titel.
5. Wird eine vorzeitige Rose-Trennung doch ein Thema?
Das Thema der Woche ist irgendwie auch ein Thema des Wochenendes. Marco Roses bevorstehender Abgang hielt Mönchengladbach in Atem und spätestens nach dem 1:2 zu Hause gegen Abstiegskandidat Mainz (die Highlights im Video!) dürfte klar sein: Die Debatten gehen auch in naher Zukunft munter weiter. Da wird es auch wenig helfen, wenn Sportchef Max Eberl mit aller Macht versucht, die Dinge wieder einzufangen. Die Ereignisse der vergangenen Woche kommen zusätzlich zu dem Trend dazu, der streng genommen schon seit einigen Monaten zu erkennen ist: Die Borussia spielt keine gute Saison.
Abgesehen von ein paar tollen Highlights in der Champions League und ab und an auch in der Bundesliga regiert das Mittelmaß. Seit Wochen entwickeln sich signifikante Kennziffern teilweise drastisch zurück, vom ehemals intensiven Powerfußball ist nicht mehr viel übrig. Die Borussia kreiert kaum noch eigene Torchancen, fällt in den Statistiken der intensiven Läufe und Sprints krass ab und hat längst ein veritables Problem in Heimspielen gegen vermeintlich kleine Gegner: Gegen Augsburg, Hertha, Hoffenheim, Köln und Mainz holte Gladbach ganze zwei Punkte. Platz Acht ist deshalb das logische Zwischenergebnis, die Champions-League-Qualifikation in weiter Ferne und selbst die Teilnahme an der Europa League alles andere als sicher.
Max Eberl steckt in einer Zwickmühle. Wie vor zwei Jahren, damals mit Dieter Hecking, will Eberl die Saison mit dem aktuellen Trainer unbedingt durchziehen. Aber anders als damals Hecking wird Rose in ein paar Wochen zu einem direkten Kontrahenten wechseln, in der Zwischenzeit womöglich auch schon die neue Saison mit dem BVB planen, Transfers diskutieren und so weiter. Das ist eine ungesunde Melange, wenn die Ergebnisse nicht stimmen. Derzeit scheint es alles andere als sicher, dass Rose die Spielzeit wirklich als Gladbach-Trainer beendet.
Bundesliga: Die Tabelle nach dem 22. Spieltag
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
1. | Bayern München | 22 | 62:31 | 31 | 49 |
2. | RB Leipzig | 22 | 40:18 | 22 | 47 |
3. | Wolfsburg | 22 | 35:19 | 16 | 42 |
4. | Eintracht Frankfurt | 22 | 45:30 | 15 | 42 |
5. | Bayer Leverkusen | 22 | 40:24 | 16 | 37 |
6. | Borussia Dortmund | 22 | 45:31 | 14 | 36 |
7. | 1. FC Union Berlin | 22 | 35:25 | 10 | 33 |
8. | Borussia M'gladbach | 22 | 38:33 | 5 | 33 |
9. | SC Freiburg | 22 | 35:34 | 1 | 31 |
10. | VfB Stuttgart | 22 | 39:35 | 4 | 29 |
11. | TSG Hoffenheim | 22 | 36:39 | -3 | 26 |
12. | Werder Bremen | 21 | 24:31 | -7 | 23 |
13. | FC Augsburg | 22 | 22:35 | -13 | 23 |
14. | 1. FC Köln | 22 | 20:36 | -16 | 21 |
15. | Hertha BSC | 22 | 26:40 | -14 | 18 |
16. | Arminia Bielefeld | 21 | 18:38 | -20 | 18 |
17. | 1. FSV Mainz 05 | 22 | 23:43 | -20 | 17 |
18. | Schalke 04 | 22 | 15:56 | -41 | 9 |