Pep Guardiola wird vermutlich auch in seinem zweiten Jahr beim FC Bayern das Finale der Champions League verpassen. Der Erfolg seines Vorgängers Jupp Heynckes wird für ihn immer mehr zum Problem. Im dritten Jahr seiner Amtszeit steht der Trainer noch mehr unter Druck.
Karl-Heinz Rummenigge war der Einzige, der das Wort Wunder in den Mund nahm. Er wollte sich in seiner Bankettrede noch nicht endgültig verabschieden vom vierten Einzug ins Finale der Champions League in den letzten sechs Jahren.
Ein Sieg mit vier Toren Unterschied oder ein 3:0 mit anschließender Verlängerung und Elfmeterschießen, das sind die Szenarien, die für das Endspiel in Berlin reichen würden. Von denen Spieler, Trainer und Sportvorstand in den Minuten nach dem Spiel im Camp Nou aber erstmal nichts wissen wollten.
Der Stachel saß tief ob der hohen Niederlage, vor allem das dritte Gegentor in der Nachspielzeit tat richtig weh. Ein 0:2 hätten sie sich wohl noch zugetraut, aber drei Tore aufholen gegen diese Barca-Offensive?
Nächste Welle der Kritik
Trainer Pep Guardiola machte ein schmerzverzerrtes Gesicht, als er sich nach dem Gegentreffer durch Neymar vom Platz abwendete und in Richtung Trainerbank ging. Er weiß, dass diese Niederlage nicht spurlos an seiner Mannschaft und auch nicht an ihm persönlich vorbeigehen wird.
Schon nach dem Ausscheiden im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund haben ihn Legenden des Klubs und heutige TV-Experten angezählt und seine Entscheidungen infrage gestellt. Guardiola hat das alles akzeptiert, er wird auch die nächste Welle der Kritik ertragen.
Der Trainer hat das Spiel in Barcelona nicht alleine verloren. Er hat der Mannschaft einen Plan an die Hand gegeben, den er für richtig hielt. Einen Plan, der phasenweise funktionierte und ein packendes Spiel befeuerte, aber am Ende nicht reichte - weil der Gegner an diesem Abend besser war und Fehler bestrafte.
Fünferkette: "Warum schon wieder Müller?"
Ganz anders als gegen Real
Die Höhe der Niederlage ruft natürlich Parallelen zum vergangenen Jahr hervor, als die Bayern gegen Real Madrid mit 0:4 verloren. Die Münchner traten damals in Bestbesetzung an, aber Guardiola hatte seine Idee und seine Ideale verraten.
Darin liegt der große Unterschied beider Niederlagen. Dieses Mal spielten die Bayern nach Guardiolas Vorstellung, aber nicht in Bestbesetzung.
Die Personalsituation ist eine der Erklärungen, die die Münchner zu ihrer Verteidigung anführen dürfen und die in der Betrachtung der Saison auch nicht ignoriert werden kann.
Schlechte Auswärtsbilanz
Ebenso wenig kommt man aber daran vorbei, zu erwähnen, dass die Bayern unter Guardiola erst eines von sechs Auswärtsspielen in der K.o.-Runde der Königsklasse gewonnen haben: das Achtelfinalhinspiel 2014 beim FC Arsenal. Dazu kommen drei Niederlagen und zwei Unentschieden.
Der FC Bayern war schon immer ein Klub, der von Ergebnissen getrieben wurde. In der Champions League steht wohl zum zweiten Mal in Folge das Aus im Halbfinale. Keine schlechte Leistung, aber an der Säbener Straße wird in Titeln gerechnet. Und die Chance auf den Henkelpott bietet sich vermutlich wieder nicht.
Pep braucht den Pott
Als die Bayern Guardiola verpflichteten, schien es, als wollten sie nach zwei verlorenen Champions-League-Finals mit ihm den letzten Schritt zum Gipfel gehen. Dass ihm Heynckes als Erbe drei Titel und eine laut seiner Aussage perfekt funktionierende Mannschaft hinterlassen hat, hat einen exorbitanten Anspruch im Umfeld generiert.
Es ist auch das Pech von Guardiola, dass er in einer Phase zum FC Bayern kam, in der das Triple gerade gut genug ist, wie er kürzlich selbst sagte. Er wird immer an den Erfolgen seines Vorgängers gemessen werden. Gleichzeitig ist dieser Druck sein Antrieb.
Noch steht er in Heynckes' Schatten. Um herauszutreten, braucht er den Pokal mit den großen Ohren mehr als die nächste Schale. Verlängert Guardiola seinen 2016 auslaufenden Vertrag nicht, hat er kommende Saison noch einen Versuch. Er wird es wieder mit seinen Ideen versuchen. Aber er weiß, dass er dazu auch die besten Leute braucht.
Pep Guardiola im Steckbrief