Guido Burgstaller vom FC Schalke 04 im Interview: "Ich knattere gerne durch den Wald"

Jochen Tittmar
18. April 201812:01
Guido Burgstaller ist der beste Torschütze in der Bundesliga beim FC Schalke 04.getty
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Guido Burgstaller ist in der aktuellen Saison mit zehn Treffern der beste Bundesliga-Torschütze beim FC Schalke 04. Bei den S04-Fans genießt er mittlerweile Kultstatus.

Im Interview vor dem DFB-Pokal-Halbfinale gegen Eintracht Frankfurt (20.45 Uhr im LIVETICKER) spricht der Österreicher über Kniffel, Vespa und Melissensaft, kritisiert den menschlichen Umgang auf der Insel während seiner Auslandsstation bei Cardiff City und erklärt wie es ist, von der eigenen Freundin interviewt zu werden.

SPOX: Herr Burgstaller, grassiert eigentlich schon die Kniffel-Sucht auf Schalke?

Guido Burgstaller: Noch nicht. (lacht)

SPOX: Beim 1. FC Nürnberg war das dank Ihnen der Fall.

Burgstaller: Stimmt, ich habe das Kniffelspielen dort eingeführt, es wurde dann zu einer echten Leidenschaft. Mit Thorsten Kirschbaum, Tim Leibold, Kevin Möhwald und mir gab es eine Vierergruppe, die ganz vorne mit dabei war. Auf Schalke ist aktuell Mario Kart der große Favorit. Mit Kniffel ist es etwas schwieriger, weil wir gerade im Mannschaftsbus keinen wirklich geeigneten Tisch dafür haben.

SPOX: Beim Club sind Sie im Sommer auch mal mit der Vespa zum Training gekommen.

Burgstaller: Ich fahre schon seit Ewigkeiten Vespa. Mittlerweile habe ich eine in Österreich und eine in Deutschland. Nur damit zum Training zu fahren, klappt hier leider nicht. Ich wohne in Ratingen, das würde einfach zu lange dauern. Ich knattere aber dort gerne bei schönem Wetter durch den Wald. In Österreich fahre ich eher an einen See oder auf Bergstrecken herum.

SPOX: Kniffel, Vespa - dann müssen wir auch den jetzt schon legendären Werbeclip für den Schalker Weihnachtspullover ansprechen.

Burgstaller: Ich wurde herausgepickt und bin dort dann einfach aufgekreuzt. Von einem Videodreh wusste ich erst einmal nichts. Ich dachte, es ginge um ein Fotoshooting für den Fankatalog. Mich hat es im Nachhinein etwas gewundert, dass das so viele Leute so sehr interessiert hat. Die Berichterstattung ging ja bis nach Österreich. Dass ich mit so einem blöden Video für derart viele Schmunzler gesorgt habe, finde ich aber schon ganz lässig.

SPOX: Inwiefern ist das denn genau Ihr Humor?

Burgstaller: Für einen Blödsinn bin ich immer zu haben - gerade wenn es lustig ist. Ich kann sehr gut über mich selbst lachen. Meine schauspielerische Leistung war natürlich verheerend, aber das hat glücklicherweise total zu dem Video gepasst. Ansonsten stehe ich eigentlich eher ungern vor Kameras.

SPOX: Einen habe ich noch: Sie schwören auf den Melissensaft aus dem Garten Ihrer Mutter.

Burgstaller: Absolut. Meine Mutter macht seit vielen Jahren eigene Säfte. Sie bewirtschaftet mit meinem Vater einen großen Garten und pflanzt dort jede Menge Obst und Gemüse an. Die Säfte schmecken mir am besten und daher trinke ich sie gerne. Wenn ich zu Hause bin, lade ich immer genug Flaschen ein - oder mein Besuch bringt mir welche mit.

SPOX: Worauf Sie immer wieder angesprochen werden ist Ihre Abwesenheit in den sozialen Medien. Sie sagen, es müsse ja nicht jeder wissen, was Sie privat tun. Daher mal ganz originell gefragt: Was machen Sie eigentlich privat?

Burgstaller: Ich bin eher ein Langweiler. Die Vespa habe ich schon erwähnt. Ich fläze auch gerne mal auf meiner Hängematte, gehe in die Stadt auf einen Kaffee oder ein Eis. Meine Frau ist auch sehr sportlich, so dass wir zusammen ab und zu Rollerskaten oder Tennis spielen. Nichts Außergewöhnliches also.

SPOX-Redakteur Jochen Tittmar traf sich mit Guido Burgstaller auf Schalke.spox

SPOX: Inwiefern finden Sie es bezeichnend für die heutige Zeit, dass Sie permanent auf die Social-Media-Sache angesprochen werden?

Burgstaller: Das finde ich in der Tat sehr komisch. Als ob das ein ganz besonderes Thema und ich total unnormal wäre. Das scheint eben heutzutage so normal zu sein wie es normal ist, einen Fernseher zu besitzen. Es ist ganz einfach: Ich bin in den sozialen Medien nicht aktiv, weil ich daran keinen Spaß habe - fertig.

Burgstaller erklärt seine Entwicklung als Stürmer auf Schalke

SPOX: Häufig ist auch Ihr unorthodoxer Spielstil Thema. Das Magazin 11Freunde scheint eine helle Freude an Ihnen zu haben. Dort schreibt man über Sie, dass Sie ein 16-Bit-Stürmer, ein Oldschool-Sturmtank seien, der perfekt unperfekt ist und einen Namen trägt wie ein Schweinsbraten-All-you-can-eat in einer holzvertäfelten Wirtschaft. Schmeichelt Ihnen das?

Burgstaller: Lustig finde ich es schon und natürlich immer schön, wenn etwas Positives über einen geschrieben wird. Ich nehme das aber genauso wenig ernst wie negative Schlagzeilen. Ich bin schon eine Weile in diesem Geschäft dabei und kann das alles gut einordnen. Ich würde mir jedenfalls niemals Gedanken darüber machen, warum jemand in seinem Text diese Beschreibungen für mich verwendet. Man sollte vieles im Leben nicht so ernst nehmen.

SPOX: Hatten Sie einmal die Befürchtung, dass Sie es mit Ihrem Spielstil schwer haben könnten gegen die wendigen und technisch beschlagenen falschen Neuner?

Burgstaller: Nein. Zuvor in Nürnberg habe ich ja den Großteil der Spiele auf der linken Außenbahn absolviert, bei Rapid Wien war es ähnlich. Ich bin dort erst auf Schalke so ein wenig hineingerutscht und ein echter Neuner geworden. Seitdem fühle ich mich in der Rolle sehr wohl.

Gudio Burgstaller: Seine Leistungsdaten beim FC Schalke 04

WettbewerbEinsätzeToreVorlagen
Bundesliga46196
DFB-Pokal621
Europa League531
Gesamt56248

SPOX: Es gab eine Phase, in der Sie über zwei Jahre lang nicht für die österreichische Nationalelf zum Einsatz kamen. Teamchef Marcel Koller schien nicht auf Ihren Spielertyp zu stehen. Wie sehr hat Sie das ins Grübeln gebracht?

Burgstaller: Ich habe schon darüber nachgedacht, weil ich zu der Zeit in meinen Augen eigentlich gute Leistungen gebracht habe und ordentliche Scorerwerte aufweisen konnte. Ich war nur nicht der einzige Spieler, der für diese Position in Frage kam und so hat sich der Trainer eben für die anderen entschieden. Das ist legitim im Fußball und auch so eine Sache, aus der ich für mich kein riesiges Problem gemacht habe.

SPOX: Als Sie 2014 von Rapid zu Cardiff City wechselten, war dort ManUnited-Legende Ole Gunnar Solksjaer Ihr Trainer. Er sagte, er habe Sie schon auf seiner vorherigen Station bei Molde FK beobachtet. Wussten Sie das?

Burgstaller: Nein. Zu meiner Rapid-Zeit war ich schon sehr heiß auf den nächsten Schritt und habe nach England geschielt. Plötzlich kam im Frühjahr das Angebot und Cardiff spielte noch in der Premier League. Ich flog rüber, schaute mir alles an und war von dem Projekt auch wirklich überzeugt. Leider stieg man am Ende noch ab und zwei Monate nach meiner Ankunft wurde Solksjaer entlassen. Das war der Anfang vom Ende für mich.

SPOX: Sie durften anschließend nur noch bei der zweiten Mannschaft trainieren. Wie wurde Ihnen das mitgeteilt?

Burgstaller: Ich bin ganz normal zum Training gefahren und habe dort einen Brief in die Hand gedrückt bekommen. Darin stand, dass ich künftig nicht mehr für die erste Mannschaft spielen darf. Das war die Anordnung des Klub-Besitzers. Daraufhin habe ich letztlich fast sechs Monate keinen Fußball mehr gespielt. Das war ein echter Schlag ins Gesicht und eine sehr schwierige Zeit für mich.

SPOX: Wie wurde diese Entscheidung begründet?

Burgstaller: Während einem in Deutschland jede Entscheidung teils haarklein erklärt wird, gibt es auf der Insel keine Begründungen. Dort stehen 35 bis 40 Spieler im Kader. Man ist dort nur eine Nummer und muss funktionieren, auf das Menschliche wird nicht viel Wert gelegt. Diese ganze Erfahrung hat mich unter dem Strich ruhiger und nachdenklicher gemacht. Man lernt, dass es nicht immer nur bergauf geht im Leben und man nicht alles in sich hineinfressen darf.

SPOX: Wie schnell ist Ihnen denn die Lust vergangen, wenn klar war, dass eine Rückkehr zur ersten Mannschaft aussichtslos ist?

Burgstaller: Ich hatte einen Monat, in dem gar nichts ging und ich deprimiert herumgelaufen bin. Meine Frau war Gott sei Dank vor Ort, sie hat mich in dieser Zeit sehr gut unterstützt. Nach einer gewissen Phase habe ich mich neu ausgerichtet und auf einen Wechsel im Winter konzentriert, so dass ich viele Extraschichten absolviert habe, um den Rückstand so gut es geht wettzumachen.

SPOX: Haben Sie jetzt überhaupt noch Lust auf eine Erfahrung im nicht-deutschsprachigen Ausland?

Burgstaller: Momentan nicht. Ich weiß, was ich an Schalke habe und fühle mich hier pudelwohl. Aktuell kann ich mir nichts anderes vorstellen als für Schalke zu spielen. Ich freue mich jeden Tag auf die Arbeit. Ich will hier so lange bleiben, wie es geht. Wenn ich mal 34 oder 35 bin und ein Angebot aus den USA oder Australien bekomme, dann höre ich mir das sicherlich mal an. Das wäre bestimmt ganz cool.

Burgstaller träumt von Karriereende in Australien oder USA

SPOX: Sie sagten einmal über Ihre Frau, dass Sie ohne sie nicht dort wären, wo Sie jetzt sind. Betraf das vor allem die Erlebnisse in Wales?

Burgstaller: Nein. Seit ich sie habe, hat sich mein kompletter Tagesablauf verändert. Wie es eben so ist, wenn man eine Beziehung führt. Ich habe das Junggesellenleben hinter mir gelassen und dadurch sicherlich auch weniger Blödsinn im Kopf. Meine Konzentration gilt seitdem der Familie und dem Fußball, das ist für mich das absolut Wichtigste geworden. Sie hat mir zum idealen Zeitpunkt dabei geholfen, mich in die richtige und vor allem auch in eine professionelle Spur zu bringen.

SPOX: Ihre Frau arbeitet als Sportjournalistin, sie lernten sich in Nürnberg kennen. Sind Sie dort eigentlich einmal von ihr interviewt worden, als sie schon Ihre Freundin war?

Burgstaller: Ja. Wir haben sehr grinsen müssen. Es hat ein paar Versuche gebraucht, bis alles im Kasten war. (lacht)