Beim Hamburger SV wird die Vorbereitung gestört von allerhand kleinen und großen Brandherden. Die Führung des Klubs gibt dabei ein uneinheitliches Bild ab und lässt Strömungen von innen und außen zu. Fehlt eine starke Figur?
Es passiert nicht alle Tage, dass man mit zwei Siegen in Vorbereitungsspielen mal eben über eine Million Euro ergattert. Dem Hamburger SV ist das gelungen, beim Peace Cup im fernen Südkorea. Es ist ein kleines positives Signal inmitten einer Vorbereitung, in der bisher kaum etwas gelungen ist.
Umstrittener Trip nach Fernost
Selbst der Trip nach Suwon ist ja umstritten. Den Strapazen der Anreise folgten in Fernost nicht eben optimale Trainingsbedingungen, von der langwierigen Anfahrt zum Trainingsgelände bis zu den teilweise tropischen Klimabedingungen.
Trainer Thorsten Fink war schon vor einigen Wochen wenig begeistert von dem Ausflug. Auf der anderen Seite muss der HSV, im Ausland immer noch eine Marke, auch seinen Verpflichtungen auf anderen Ebenen nachkommen. Deshalb die Reise nach Korea, die sich nach dem Turniersieg finanziell schon einigermaßen gelohnt hat.
"Natürlich ist es zum Arbeiten nicht so optimal wie zuletzt in Österreich. Dort hatten wir beste Bedingungen", gesteht auch Torhüter Rene Adler. "Ich will aber nicht jammern. Das gehört dazu. Wir wollen neue Märkte erschließen und müssen das Beste draus machen."
Rajkovic-Eklat wirkt nach
Immerhin sind sie da schon auf einem ganz guten Weg. In Suwon kann die Mannschaft wenigstens für ein paar Tage vergessen, was zuletzt daheim in Hamburg so los war, sich vielleicht fernab der Probleme ein bisschen mehr zusammenraufen.
Es ist ja allerhand passiert in den letzten Tagen und Wochen. Nicht nur die für den Klub recht peinliche Episode um Slobodan Rajkovic, der in kaum gekannter Art seinen Trainer öffentlich brüskierte. In einem Interview, das am Klub vorbei lanciert wurde und so in der Bundesliga schon lange nicht mehr zu lesen war.
Als Mädchen und Lügner bezichtigte Rajkovic seinen Vorgesetzten, er sei noch nie so oft belogen worden und überhaupt: Der Trainer habe "zwei Gesichter. Leider sehen das in der Mannschaft schon einige so. Denn im Gegensatz zu mir wollen hier einige weg."
Trainer und Sportdirektor uneins
Die Replique der Verantwortlichen, sollte man vermuten, musste daraufhin einstimmig ausfallen. Trainer Fink suspendierte seinen Spieler bis auf Weiteres. Sportdirektor Frank Arnesen und Klubchef Carl-Edgar Jarchow aber sehen nicht nur einen sportlichen, sondern auch finanzielle Aspekte, die den Klub vor einem kompletten Rauswurf des Serben noch schützen.
"Wir müssen sehr gut überlegen und auch abwägen, was wir machen. Boban ist ein Spieler, der uns viel Geld gekostet hat, das muss man auch bedenken", spielt Arnesen auf Zeit. Was er nicht sagt: Rajkovic ist einer "seiner" Spieler, war erst vor einem Jahr vom FC Chelsea zum HSV gekommen. Zu der Fraktion innerhalb der Mannschaft gehören auch Jakopo Sala, Gökhan Töre und Jeffrey Bruma.
Aussagen aus Spielerkreisen deuten darauf hin, dass die vier bis heute nicht in dem Maße integriert sind, wie es eigentlich sein sollte. Lediglich Michael Mancienne, ebenfalls aus London an die Elbe gewechselt, bildet da die Ausnahme.
Kleiner Teufelskreis
"Klar ist: Es ist Sache des Vorstands, zu entscheiden, was passieren wird", sagt Arnesen in der Causa Rajkovic. Ungewollt oder nicht fällt er damit seinem Trainer in den Rücken, der für Rajkovic schon länger keine Verwendung mehr zu haben scheint.
Wenn Jarchow dann unumwunden zugibt, es gebe keinen Rauswurf, "das würde uns die Ablösesumme kosten. Insofern werden wir einen anderen Weg finden", ist das wirtschaftlich auch nachvollziehbar, für die Autorität des Trainers aber schädlich.
Also spielt der HSV auf Zeit. Natürlich könnte man versuchen, den Spieler aus seinem laufenden Kontrakt zu klagen, vor Gericht hätten die Hamburger sicherlich gute Chancen. Das wiederum würde sofort wieder ein schlechtes Bild auf das ohnehin schon ramponierte Image werfen. Ein kleiner Teufelskreis.
Probleme mit schwierigen Charakteren
Trotzdem bleibt unterm Strich das Eingeständnis, dass der Klub mit schwierigen Typen nicht richtig umgehen kann. Nach und nach haben die den HSV verlassen, zuletzt Frank Rost, Mladen Petric, Paolo Guerrero. Ein anderer, Gökhan Töre, steht nach nur einer Saison schon wieder auf dem Sprung. Der Türke will weg, sein Verhältnis zu Trainer Fink ist merklich abgekühlt.
Der wiederum ist genervt vom angeordneten Sparkurs. Fink bestand beharrlich auf dem Zukauf eines Innenverteidigers, Arnesen dagegen schweben zwei zentrale Mittelfeldspieler vor. Fink wurde trotzdem nicht müde, seinen Ex-Schützling David Abraham aus Basel nach Hamburg zu komplementieren.
Ein klares Zeichen an Rajkovic und Bruma und eine Ansage an Arnesen - bis sich die Geschichte mit der Entscheidung Abrahams, nun doch für den FC Getafe auflaufen zu wollen, erledigt hatte. Arnesen nutzte die Europameisterschaft neben seinem Job beim dänischen Sender TV1 auch zu sehr ausgedehnten Scoutingtouren, war fast jeden Tag in einem anderen Stadion zu sehen.
Scoutingtour bislang fast erfolglos
Dort habe er einige Spieler gesehen, die dem HSV weiterhelfen könnten. "Aber die kommen leider nicht." Es ist kein Geld da. "Mehr als 'Wir müssen abwarten, bis wir Spieler verkauft bekommen' kann ich den Beratern leider noch nicht sagen. Unsere Finanzen lassen leider nicht mehr zu."
Nicht nur in Suwon hat der Name Hamburger SV noch einen guten Klang, auch in Europa. Und trotzdem gestaltet sich die Suche nach neuem Personal als äußerst schwierig. Bisher steht neben Adler (dessen Transfer schon lange klar war) und Rückkehrer Maxi Beister nur Artjoms Rudnevs als Zugang fest.
Immerhin soll in den nächsten Tagen der Transfer von Milan Badelj (Dynamo Zagreb) klargemacht werden.
"Der HSV ist ein großer Verein", sagt Arnesen. "Im Ausland muss ich aber vor allem unsere Situation häufiger mal erklären. Aber wenn wir mit etwas locken können, dann mit unserem Verein, der Stadt, unserer Tradition. Und mit unserer Philosophie."
Sponsor Kühne schießt quer
Wobei die Frage bleibt, wie diese genau aussehen soll. Dazu kommen immer auch Querschüsse von Außen. Zuletzt wagte sich Sponsor Klaus-Michael Kühne mal wieder aus der Deckung. Der forderte vehement dazu auf, endlich Risiko zu gehen und die Rückholaktion von Rafael van der Vaart zu forcieren.
"Das Herzstück des HSV", wie der 75-Jährige den Niederländer nennt, wolle er mit seinem Geld sogar mitfinanzieren. Kühne verkauft sein Ansinnen als Unterstützung - der Verein sieht sich aber enorm unter Druck gesetzt. Sollten die Verantwortlichen sich gegen einen Zukauf van der Vaarts aussprechen, wolle Kühne sofort die 1,5 Millionen Euro zurück, die ihm am Verkauf von Guerrero zustehen.
Vor zwei Jahren hatte Kühne rund 12,5 Millionen Euro in den HSV gepumpt, sich im Gegenzug dafür aber auch einen Teil der Transferrechte an einigen Spielern gesichert. Dass Kühne sein tollkühnes Projekt mittels einer eigens einberufenen Telefonkonferenz mit Hamburger Journalisten, vorbei am Klub, ausrief, macht die Sache nur noch brisanter.
Dort habe sich der Milliardär so richtig ausgekotzt über die Hamburger Führungsetage, sich selbst als Macher des HSV geriert und die Fans dazu aufgerufen, sich doch mit Beträgen zwischen 50 und 200 Euro am Van-der-Vaart-Deal zu beteiligen.
Keiner spricht ein Machtwort
"Ich weiß sein Engagement zu schätzen und genauso seine Fantreue. Aber wir lassen uns von niemandem zu etwas drängen und legen Wert auf unsere Eigenständigkeit", kommentierte Jarchow Kühnes Treiben sehr diplomatisch.
Dass von Außen jemand versucht, ungefragt und ohne Befugnis ins operative Geschäft einzugreifen, würde bei anderen Vereinen zu zornigen Reaktionen und vielleicht auch Sanktionen führen. Beim HSV ist indes niemand da, der da auch mal richtig dazwischenhaut.
So schwelen sowohl die Rajkovic- als auch die Sache mit Klaus-Michael Kühne weiter vor sich hin, Ergebnis offen. Und der Klub bleibt latent angreifbar für Strömungen von innen und außen. Jarchow ist dafür als Präsident nicht stark genug, Arnesen muss sich um die dringenden Transferangelegenheiten kümmern und Fink ist darum, die Grüppchenbildung innerhalb der Mannschaft endlich aufzulösen und dem Team einen klaren Spielplan vorzugeben.
"Natürlich bekommt man die Unruhe im Umfeld auch mit", sagt Rene Adler, der Neue. "Beim HSV ist eben immer ein bisschen mehr los." Für die Spieler sei das aber alles kein großes Problem. "Wir konzentrieren uns voll auf unsere Arbeit." Am ersten Spieltag gegen Nürnberg wird dann abgerechnet.
Das ist Hamburgs Kader