Horst Heldt: So sieht mein Schalke 2015 aus

Haruka Gruber
05. Dezember 201100:03
Schalkes Sport-Vorstand Horst Heldt freut sich auf die Zukunft mit den KönigsblauenImago
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Mit dem 3:1-Erfolg über den FC Augsburg hat sich der FC Schalke 04 in der Spitzengruppe festgesetzt. Der Blick geht jedoch auch in die Zukunft: Für den Preis eines Top-Stars investiert Schalke in die "Vision 2015". Sport-Vorstand Horst Heldt über das ehrgeizige Projekt, den Fall Mesut Özil und die Gerüchte um Raul, Rene Adler und Andrei Arschawin.

SPOX: Herr Heldt, Sie benutzen häufig Begriffe wie Perspektive und Nachhaltigkeit. Welches Bild haben Sie im Kopf, wenn Sie an das Schalke im Jahr 2015 denken?

Horst Heldt: Vor allem stelle ich mir vor, wie das neue Vereinsgelände rund um die Veltins-Arena aussieht. Das eigene Amateurstadion auf dem Berger Feld, wo früher das alte Parkstadion stand, die neuen Trainingsplätze, das Internat, der Fan-Shop - wenn ich mir das vor Augen führe, bekomme ich ein Lächeln auf das Gesicht.

SPOX: Die Maßnahmen kosten 13,5 Millionen Euro. Ein Betrag, für den sich ein internationaler Top-Spieler kaufen lässt. Ist dies ein Beleg für das Umdenken im Verein?

Heldt: Man darf nicht vergessen: Wir sprechen nur über den allerersten Schritt in der Umbauphase, der 2015 hoffentlich abgeschlossen ist. Aber auch nach 2015 wollen wir in der gleichen Größenordnung in weitere Bauabschnitte investieren.

SPOX: Warum reichen die derzeitigen Fazilitäten nicht aus?

Heldt: Unser Fokus liegt zukünftig verstärkt auf der individuellen Ausbildung: eigene Talente hervorbringen und an die Lizenzspielerabteilung heranführen, das muss unser Ziel sein. Es ist wie im normalen Berufsleben. Jedes Unternehmen bevorzugt es, sich selbst die Facharbeiter zu formen. Dafür braucht man die richtigen Rahmenbedingungen und eine entsprechende Infrastruktur.

SPOX: Woher kommt dieses Engagement?

Heldt: Wir haben uns dazu aus mehreren Gründen entschieden: Die Fans sollen sich noch besser mit dem Verein identifizieren können, weil sie ihre "eigenen" Spieler anfeuern. Gleichzeitig identifizieren sich die Spieler mehr mit dem Verein, wenn sie bei uns aufgewachsen sind. Außerdem macht es fußballerisch Sinn: Wenn wir die Spieler selbst ausbilden, wissen wir ganz genau, was sie können und was sie nicht können. Was ihre Charakterstärken und Charakterschwächen sind. Das ist Nachhaltigkeit.

SPOX: Junge Spieler neigen jedoch zu Formschwankungen.

Heldt: Wir hoffen, dass wir uns bis 2015 in einer ähnlichen Tabellenregion bewegen wie diese Saison, konkurrenzfähig bleiben - und uns wirtschaftlich konsolidieren. Wichtig ist: Wenn es mal nicht so läuft, muss uns bewusst sein, warum wir diese Route eingeschlagen haben. Wir fangen an zu bauen und der Effekt wird nicht sofort, sondern erst in ein paar Jahren zu sehen sein. Das ist die Lehre aus den Erfahrungen anderer Klubs. Unsere Investitionen zahlen sich nicht heute, sondern in 30 Jahren aus.

SPOX: Welche Fehler wurden in der Vergangenheit gemacht? Schalke bringt seit jeher Bundesliga-Profis hervor, denoch gehört Ihr Klub in der Wahrnehmung nicht zu den besten Adressen in der Nachwuchsförderung.

Heldt: Eine Wahrnehmung ist immer subjektiv - aber sie kommt nicht von ungefähr. Deswegen haben wir uns dazu entschlossen, etwas zu verändern. In der Vergangenheit haben wir das eine oder andere Mal verpasst, Talente im Verein zu halten, weil der Fokus auf die eigenen Spieler nicht so intensiv war. Ich denke nur an Mesut Özil. Der Fall lässt zu Recht aufhorchen.

SPOX: Sie zogen die Lehren und verkündeten offensiv, dass Benedikt Höwedes und Julian Draxler die neuen Gesichter von Schalke sein sollen. Dabei ist Kapitän Höwedes 23 Jahre alt, Draxler sogar erst 18. Bauen Sie nicht zu viel Druck auf?

Heldt: Es stimmt, die beiden sollen die neuen Gesichter sein. Sie bringen außerordentliche Qualitäten mit, fußballerisch und menschlich. Wir sind uns sicher, dass sie in den kommenden Jahren unsere Stützen sein werden. Uns ist jedoch bewusst, dass dieses Vertrauen nicht reicht. Höwedes und Draxler sind jung und werden in ihrer Form schwanken - dann stehen wir als Gesamtverein in der Pflicht, sie bedingungslos zu unterstützen.

SPOX: Es ist aber nicht allzu lange her, dass sich A-Jugend-Trainer Norbert Elgert, der Förderer von Höwedes und Draxler, verärgert zeigte über die Klub-Führung. Es gab Unstimmigkeiten, ob U-19-Nationaltorwart Patrick Rakovsky gehalten wird oder nicht. Im Sommer ging Rakovsky nach Nürnberg und machte auf sich aufmerksam.

Heldt: Zuerst will ich betonen, dass Norbert Elgert der beste A-Jugend-Trainer ist, den ich in meiner Zeit als Spieler und Manager je kennengelernt habe. Er schafft es wie kaum ein anderer, Talente anzuleiten und sie auf das Profi-Leben vorzubereiten.

SPOX: Dennoch bleibt der Groll in Erinnerung, dass Sie nicht auf seine Meinung gehört haben.

Heldt: Andererseits stelle ich die Frage: Muss denn immer Konsens herrschen? Nur Ja-Sager zu haben bringt überhaupt nichts. Unterschiedliche Meinungen sind gut und führen dazu, sich zu hinterfragen. Zum Fall Rakovsky: Es gab andere Sichtweisen - und die des Klubs war, dass sich Rakovsky sehr früh zum Weggang entschieden hat und wir im Tor ohnehin gut aufgestellt sind. Lars Unnerstall, Ralf Fährmann, Lukas Raeder aus der U 19 - das alles sind talentierte Leute. Wir können nicht jeden halten.

Heldt über das Arschawin-Gerücht, die Raul-Zukunft und falche Vorwürfe: Hier geht's zu Teil II!

SPOX: Sie sprechen Unnerstall an, die neue Nummer eins. Haben Sie jemals erlebt, dass ein Spieler, der in der Regionalliga-Mannschaft kaum auffällt, sich innerhalb weniger Wochen so steigert?

Heldt: Das ging wirklich rasant. Entscheidend war seine Gier. Und dass er im Sommer die Möglichkeit bekam, zu den Lizenzspielern gezogen zu werden und unter der Regie von Torwart-Trainer Bernd Dreher professionell und mit der nötigen Intensität zu trainieren. Seine Stabilität ist erstaunlich.

SPOX: Dennoch heißt es, dass sich Schalke mit Rene Adler beschäftigt, der in Leverkusen aussortiert wurde.

Heldt: Wir können nicht vermeiden, dass er mit uns in Verbindung gebracht wird. Aber: Wir sind nicht verpflichtet, Stellung zu Was-wäre-wenn-Fragen zu beziehen.

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SPOX: Ein Dementi?

Heldt: Man muss sich nur die Mühe machen und ein paar Monate zurückblicken. Wir verlieren mit Neuer den weltbesten Torwart, dann verletzt sich sein Nachfolger Fährmann und dennoch meistern wir dank Unnerstall die schwierige Situation. Das ist ein Beweis für die Qualität der Torhüter, die unter Vertrag stehen. Das ist das Einzige, was ich dazu sagen kann.

SPOX: Unruhe wird durch zwei weitere Personalien in die Mannschaft getragen: Raul und Jefferson Farfan, deren Verträge im Sommer auslaufen. Raul beispielsweise liegt angeblich ein Angebot aus Katar vor. Welche Auswirkungen hat dies auf die angepeilten Verhandlungen?

Heldt: Ich habe davon gelesen und es würde mich nicht wundern. Es wird auch in Zukunft so sein, dass viele Vereine an diesem Weltklassespieler interessiert sind. Mir persönlich hat niemand etwas gesagt - und das ist das Wichtigste. Raul und Schalke setzen weiter auf den direkten Austausch und gehen gemeinsam den vorher festgelegten Weg. Heißt: Gespräche finden entweder noch im Dezember oder - was wahrscheinlich ist - im Januar statt. Wir werden dann erörtern, was sich Raul vorstellt und was Schalke. Dann erst wissen wir, ob wir einen gemeinsamen Nenner finden. Die Chance auf eine Verlängerung ist da - aber das ist ein Thema, das wir erst mit ihm besprechen wollen. Für ihn wird es sicher keine leichte Entscheidung. Raul ist ein erstklassiger Spieler. Er ist jedoch in einem Alter, in dem man planen möchte. Da hängt eine ganze Familie hintendran und das muss gut überlegt sein.

SPOX: Spekulationen gibt es ebenfalls um Farfan - und einen möglichen Nachfolger. Wie gefällt Ihnen Arsenals Andrei Arschawin?

Heldt: In der Tat: Er ist mit uns in Verbindung gebracht worden. Sowohl von seinem Management aus, als auch von unserer Seite gab es aber keine Gespräche. Wer immer den Namen ins Spiel gebracht hat - es war sicher nicht Schalke 04.

SPOX: Wegen Schalkes russischem Hauptsponsor Gazprom würde eine Verpflichtung des besten russischen Spielers Sinn machen.

Heldt: Es ist ein Gerücht und dabei belassen wir es.

SPOX: Schalke weist nach der letzten Bilanz Verbindlichkeiten in Höhe von 170 Millionen Euro auf. Sind Transfers in Dimensionen eines Klaas-Jan Huntelaar oder Jose Jurado überhaupt noch wünschenswert?

Heldt: Das ist schwierig zu beantworten. Wir wandeln auf einem schmalen Grat. Zum einen werden wir an unserem Konsolidierungsweg festhalten. Zum anderen lautet unser Anspruch, konkurrenzfähig zu bleiben. Das ist kein Widerspruch, wenn wir Erfolge feiern und Einnahmen generieren, um diese weiter zu investieren. Sollten die Erfolge jedoch fehlen, werden wir nicht mehr über unseren Verhältnissen leben. Es macht daher keinen Sinn, genaue Ablösesummen zu nennen, ab wann wir nicht mehr bereit sind zu zahlen.

SPOX: Ihnen ist es ein zentrales Anliegen, wirtschaftliche Vernunft zu verkörpern. Liegt das auch daran, weil nach der unschönen Trennung in Stuttgart von VfB-Seite der Vorwurf im Raum steht, dass Sie nicht haushalten können und einen aufgeblasenen Kostenapparat hinterlassen haben?

Heldt: Wer immer sich zum Thema äußert, müsste genau hinschauen. Dann weiß er, dass dieser Vorwurf schlichtweg falsch ist. Ich habe damals in Stuttgart die zwei wichtigsten Aspekte erfüllt: Der sportliche Erfolg hat mit der Deutschen Meisterschaft und der jeweils zweimaligen Teilnahme an der Champions League und der Europa League immer gestimmt, parallel hat der Verein in jedem Jahr ein sattes Plus erwirtschaftet. Das sind Fakten, die sich belegen lassen. Dass Stuttgart heute nicht international vertreten ist, sollte kein Thema sein, womit ich mich beschäftigen muss.

Der FC Schalke 04: Die Spieler, die Spiele, die Fakten