2016 gewann Christian Fuchs mit Leicester City sensationell die Premier League - die Nachwirkungen spürt er bis heute: Der thailändische Vereinsbesitzer schenkte allen Spielern einen Sportwagen, der Fuchs "körperliche Probleme" bereitet, wie er im Interview erzählt. Außerdem spricht der 31-jährige Österreicher über Meistertrainer Claudio Ranieri, die Strukturen bei seinem Ex-Klub Schalke, Österreichs Raunzer-Gesellschaft, Modedesign und Schlangen.
SPOX: Herr Fuchs, eine abseitige Frage zu Beginn. Sie hatten einst Schlangen als Haustiere. Wie kommt man auf so eine Idee?
Christian Fuchs: Als Fußballer ist man viel unterwegs und manchmal ein paar Tage lang nicht zuhause. Ich wollte aber trotzdem Haustiere und habe deshalb per Ausschlusskriterium überlegt, welche Tiere überhaupt "benutzerfreundlich" sind. Katzen? Nein. Hunde? Nein. Hamster? Nein, die sind nur Schlangenfutter. Und so bin ich dann auf die Idee mit den Schlangen gekommen. Die sind ideale Haustiere, weil sie einen Monat ohne Futter auskommen und kaum Pflege brauchen.
SPOX: Zum Sportlichen: Vor eineinhalb Jahren wurden Sie mit Leicester City Meister, jetzt befindet sich der Klub im Tabellenmittelfeld. Warum ging es so schlagartig bergab?
Fuchs: Das weiß ich nicht, sonst hätte ich die Ursachen ja behoben und wir hätten unseren Titel verteidigt. Im Meisterjahr ist einfach alles für uns gelaufen. Wir haben zwar viel gearbeitet, aber es ist alles sehr leicht gefallen und die Siege sind von alleine gekommen. Mit der Doppelbelastung Champions League wurde es dann komplizierter. Da tun sich Vereine, die kein großes Budget und deshalb keinen breiten Kader haben, einfach schwer. Als wir dann aus der Champions League ausgeschieden waren, holten wir in der Meisterschaft schnell die nötigen Punkte auf.
SPOX: In dieser Saison läuft es jedoch erneut nicht optimal. Trainer Craig Shakespeare wurde entlassen und durch Claude Puel ersetzt. Wie ist der erste Eindruck?
Fuchs: Sehr positiv! Es macht Spaß mit ihm und die ersten Spiele waren auch gleich relativ erfolgreich. Abgesehen von einigen neuen Trainingsmethoden hat er aber gar nicht viel geändert. In seiner ersten Ansprache meinte er, dass er einige Dinge langsam und stetig aber nicht schlagartig umstellen wird.
SPOX: Wie liefen einst die ersten Wochen unter dem späteren Meistertrainer Claudio Ranieri?
Fuchs: Natürlich hatte er eigene taktische Vorstellungen, aber das Beste war, dass er kaum etwas änderte - ähnlich wie jetzt Puel. Im Sommer 2015 waren wir eine Woche lang im Trainingslager in Österreich und da stand Claudio nur da, schaute zu, schwieg und observierte. Danach kam er zu uns und sagte: "Jungs, das funktioniert ja alles sehr gut und ihr fühlt euch wohl. Da brauche ich nichts Grundlegendes ändern." Der Aufbau der Trainingswoche, die Trainingszeiten, die Organisation der freien Tage und die Routinen an Spieltagen - all das wurde exakt beibehalten. Es hört sich unspektakulär an, aber es war Ranieris wichtigste Maßnahme, fast alles so zu lassen, wie es war.
SPOX: Was ist Ranieri für ein Typ?
Fuchs: Ein leiwander Kerl, wie wir das in Österreich nennen. Seine Mannschaftsführung war phänomenal, er war für uns alle eine Großvater-Figur und hat respektiert, dass Spieler keine Maschinen, sondern Personen mit Interessen und Familien sind. Er wusste beispielsweise, dass ich meine Frau und meine Kinder, die in New York leben, nur einmal im Monat sehe. Als ich dann einmal gesperrt war, sagte er, ich solle mir vier Tage freinehmen und zu meiner Familie fliegen. Sobald ich merke, dass meinem Trainer solche Sachen wichtig sind, gebe ich auf dem Platz automatisch mehr.
SPOX: Ab wann glaubten Sie 2016 eigentlich an den Titel?
Fuchs: Eigentlich glaube ich bis heute nicht, dass es wirklich passiert ist. Ich überlege immer wieder, wie ich die Gefühle, die ich seitdem habe, richtig beschreiben kann, aber ich schaffe es einfach nicht. Meine Sprachlosigkeit sagt alles darüber aus.
SPOX: Die Mannschaft von damals ist wohl schon jetzt die legendärste der Vereinsgeschichte.
Fuchs: Ja und ich hoffe mal, dass Leicester nie mehr Meister wird und sich das somit nicht mehr ändert. (lacht)
SPOX: Der thailändische Vereinsbesitzer Vichai Srivaddhanaprabha hat jedem Spieler zum Dank einen blauen BMW i8 vor das Stadion geparkt.
Fuchs: Als ich damals die ganzen Autos sah, fragte ich mich schon, ob ich jetzt in einer anderen Welt bin. Er ist sehr großzügig und will, dass der Verein wie eine Familie geführt wird. Wenn er stolz auf seine Jungs ist, dann will er uns das einfach zeigen. Jedem gleich einen BMW zu schenken, ist dann aber schon ein irrsinniges Ausmaß. Wenn meine Kinder etwas leisten, dann belohne ich sie im etwas kleineren Rahmen aber auch. Und wenn nicht, dann gibt's was auf die Finger.
SPOX: Wie fährt sich das Auto?
Fuchs: Es macht schon Spaß, aber das Ein- und Aussteigen ist mir zu anstrengend. Die Türen gehen nach oben auf und deshalb muss man über eine Stufe gebückt reinkriechen. Nach ein paar Mal tut mir alles weh, wobei es etwas besser wurde, seitdem ich eine neue Methode entwickelt habe: Ich stell mich jetzt rückwärts davor und lasse mich einfach reinfallen. Eigentlich bin ich zu alt für so ein Sportauto, selbst würde ich es mir jedenfalls nicht kaufen. Ich fahre lieber einen geräumigen Familienvan.
SPOX: Ihre Kinder sehen das wahrscheinlich anders.
Fuchs: Die finden es leiwand, wenn der Papa ein bisschen aufs Gas steigt.
SPOX: Zurück zu Vichai Srivaddhanaprabha. Wie lange hat es gedauert, bis Sie seinen Namen fehlerfrei aussprechen konnten?
Fuchs: Ich kann es noch immer nicht. (lacht) Wir nennen ihn nur Vichai, das merke ich mir gerade so.
SPOX: Wie eng ist der Kontakt zwischen ihm und der Mannschaft?
Fuchs: Er ist ein sehr offener und zugänglicher Mensch. Dauernd will er mit uns Spielern in Kontakt treten und das Gefühl haben, für uns da zu sein. Er ist kein Boss, der den großen Macker spielt, sondern einer, mit dem man viel Spaß haben kann.
SPOX: Im Sommer hat Leicester auf dem Transfermarkt rund 86 Millionen Euro ausgegeben, andere Vereine noch um einiges mehr. Was halten Sie von den Summen, die im Fußballgeschäft mittlerweile gezahlt werden?
Fuchs: Das ist alles surreal und ich glaube nicht, dass ein Spieler jemals so viel wert sein kann. Aber so ist der Fußball heutzutage und das wird auch nicht mehr zurückgehen.
SPOX: In der Premier League ist die Kommerzialisierung des Sports wohl am ausgeprägtesten. Angeblich wird in Hoffnung auf viele TV-Zuschauer sogar überlegt, ein Spiel am 24. Dezember auszutragen. Wie würden Sie damit umgehen?
Fuchs: In dieser Jahreszeit sind so viele Spiele, dass du irgendwann den Kopf abschaltest, nicht mehr aufs Datum schaust und einfach spielst. Mir persönlich käme ein Spiel am 24. Dezember sogar ganz gelegen, weil meine Familie ohnehin nicht hier ist. Da wäre ich zur Ablenkung eigentlich lieber im Stadion als alleine daheim.
SPOX: Denken Sie, dass die Premier League in dieser Hinsicht übertreibt?
Fuchs: Das weltweite Interesse an der Liga ist einfach riesig und muss gestillt und aufrechterhalten werden. Im Vergleich zur deutschen Bundesliga ist die Premier League hinsichtlich ihrer Vermarktung viel professioneller. Bei meinen Vereinen in Deutschland hatte ich deutlich weniger PR-Termine als hier.
spoxSPOX: Ein weiterer Unterschied zwischen englischen und deutschen Vereinen ist, dass Trainingseinheiten hier traditionell unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.
Fuchs: Ich finde es ja prinzipiell in Ordnung, wenn Leute zuschauen wollen, aber professionell und zielführend ist das nicht. Taktische Bewegungen oder Freistoßvarianten kann man nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit einstudieren, weil ansonsten immer ein gegnerischer Scout zwischen den hunderten Fans sitzen und genüsslich mitschreiben könnte. Mit öffentlichen Trainings schneidet man sich ins eigene Fleisch.
SPOX: Bleiben wir bei Unterschieden: Ist der englische Fußball wirklich körperbetonter als der deutsche oder ist das nur ein Mythos?
Fuchs: Stellen Sie sich mal neben Romelu Lukaku, dann wissen Sie es. Er ist ein Herkules und ich vermute ja, dass er eigentlich gelernter Dreikämpfer ist. In der Premier League sind Maschinen unterwegs, das kann man sich gar nicht vorstellen. Als wir in der Saisonvorbereitung gegen Borussia Mönchengladbach spielten, hat man den Unterschied richtig gemerkt. Die waren uns zwar taktisch ebenbürtig, aber sobald es ins Physische ging, hatten sie keine Chance. Jamie Vardy tackelte Jannik Vestergaard einige Male seitlich um und da merkte man, dass er sowas nicht gewohnt war.
SPOX: Stichwort Jamie Vardy: Er hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich, musste einst sogar mit Fußfesseln spielen. Was dachten Sie sich, bevor Sie ihm zum ersten Mal begegnet sind?
Fuchs: Ich habe die Geschichte davor noch nicht gekannt, aber er hat sie mir dann bald in aller Ausführlichkeit erzählt und trotzdem sitze ich in der Kabine noch immer neben ihm. Jamie ist ein lässiger und verrückter Typ mit einem sehr großen Maul, aber er lässt seinen Worten auch Taten folgen - zumindest meistens. Auf dem Platz ist er ein richtiger Mannschaftsspieler. Er macht immer unglaublich viele Meter und rennt herum wie Speedy Gonzalez.
SPOX: Vor Ihrem Wechsel nach Leicester haben Sie vier Jahre lang für Schalke 04 gespielt. Der Klub hat mit Domenico Tedesco neuerdings einen 32-jährigen Trainer. Wie fänden Sie es, von so einem jungen Trainer angeleitet zu werden?
Fuchs: Ich hätte kein Problem damit. Das ist einfach eine Gewohnheitssache.
SPOX: Jahr für Jahr wird auf Schalke der Neuanfang ausgerufen. Stimmt dort etwas Grundsätzliches nicht?
Fuchs: Die Strukturen auf Schalke sind schon sehr speziell. Jeder Fan glaubt, dass ihm der Verein gehört, und dann gibt es noch einen Vorstand mit gefühlt 200 Mitgliedern. Der Verein hat eigentlich ein ähnliches Potenzial wie Dortmund, steht sich jedoch oftmals selbst im Weg. Trotz allem ist Schalke aber ein extrem geiler Klub.
SPOX: Mit der österreichischen Nationalmannschaft haben Sie an der EM teilgenommen, sind aber schon in der Vorrunde ausgeschieden. Was sind Ihre Erinnerungen an das Turnier?
Fuchs: Das ganze Rundherum hat mir extrem getaugt. So lange mit der Mannschaft zusammen zu sein, ein eigenes Teamlager zu haben und dann immer zu den Spielen zu fahren, war schon ein super Erlebnis. Am imposantesten war das Match gegen Island, als ich nur eine riesige rote Wand gesehen habe. Die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit war aber gleichzeitig ein großes Problem. Wir haben uns zum ersten Mal in der Geschichte des österreichischen Fußballs aus eigener Kraft für eine EM qualifiziert und sofort haben alle vom Europameistertitel gesprochen. Das ist kontraproduktiv.
SPOX: Sie sind nach dem Turnier zurückgetreten, mit Sportdirektor Willi Ruttensteiner und Teamchef Marcel Koller mussten jetzt die beiden Architekten des Erfolges den Verband verlassen. Fanden Sie die Kritik nach der verpassten WM-Qualifikation angebracht?
Fuchs: Die richtigen österreichischen Fußballfans haben nicht vergessen, was Koller und Ruttensteiner erreicht haben. Am lautesten zu hören sind aber immer die, die nur raunzen. Wenn man sich nur beklagt und nichts Zielführendes zu sagen hat, sollte man besser den Mund halten. Österreich ist aber einfach eine Raunzer-Gesellschaft. Das hängt mir ein bisschen beim Hals hinaus und deshalb bin ich auch kaum mehr in Österreich.
SPOX: Neuer Teamchef ist Franco Foda. Was erwarten Sie von ihm?
Fuchs: Er lässt immer einen attraktiven Fußball spielen und hat jetzt eine geile, junge Truppe mit wirklich viel Qualität zur Verfügung. Die Hälfte der Spieler kenne ich gar nicht mehr persönlich, weil sie erst nach der EM in den Kader gerückt sind.
SPOX: Seit Ihrem Rücktritt haben Sie mehr Zeit für anderes, unter anderem Ihr eigenes Modelabel #NoFuchsGiven. Wie sind sie auf diese Idee gekommen?
Fuchs: Angefangen hat alles mit meinen #NoFuchsGiven-Videos, die eine gute Anzahl an Likes und Views machten. Das Video mit Vardy schauten sich 4,5 Millionen Leute an. Dann habe ich mir überlegt, entsprechende T-Shirts zu machen und bei meiner Ausrüster-Firma angefragt, ob sie als Sponsor einsteigen wollen. Die interessierte das aber nicht und deshalb mache ich es halt selbst. Aus einem Spaßprojekt ist in den vergangenen Monaten ein ganz gutes Geschäftsmodell geworden. Der Verkauf läuft super.
SPOX: Wie involviert sind Sie in den Herstellungsprozess?
Fuchs: Ich habe zwar einige Leute, die mir Wege abnehmen und Päckchen versenden, aber um das meiste kümmere mich schon selbst. Immer nach dem Motto learning by doing. Heute in der Früh habe ich zum Beispiel zwei Stunden lang auf Photoshop designt. Ich bin sicher nicht der großartigste Designer, aber es macht mir mittlerweile ungeheuer viel Spaß.
SPOX: Was gilt es beim Designen alles zu beachten?
Fuchs: Das Wichtigste ist, dem Trend zu folgen und zu wissen, welche Stoffe und Farben gerade in sind. Für den Sommer 2018 trenden zum Beispiel 16 verschiedenen Farben und dann ist es die Herausforderung, die richtigen auszusuchen. Weil wenn man alle nimmt, schaut es aus wie im Kasperltheater. Das ist alles viel umfangreicher, als ich es erwartet habe.
SPOX: Ihr Vertrag bei Leicester läuft im Sommer 2019 aus. Sie haben mal davon gesprochen, danach in die NFL wechseln zu wollen. Wie ist der Stand der Dinge?
Fuchs: In eineinhalb Jahren werde ich Europa auf jeden Fall den Rücken kehren und in die MLS wechseln, wo ich noch so lange wie möglich weiterspielen will. Danach würde mich die NFL schon reizen. Ich habe auch schon erste Kontakte für ein mögliches Engagement geknüpft. Diese Chance will und werde ich nutzen.
SPOX: Können Sie es sich vorstellen, danach ins Fußballgeschäft zurückzukehren?
Fuchs: Nein, das reizt mich überhaupt nicht. So gerne ich Fußball spiele, so wenig interessiert es mich in meiner Freizeit und so wenige Spiele schaue ich mir privat an. Wenn die Jungs in der Kabine über irgendwelche Spiele reden, habe ich meistens überhaupt keine Ahnung, worum es geht. Vor allem die jüngeren Kollegen hängen in der Kabine die ganze Zeit am Liveticker und schauen, was irgendwelche anderen Mannschaften machen. Mich interessiert es nur, wenn Österreich oder mein Ex-Klub Mattersburg spielt.
SPOX: War das immer schon so?
Fuchs: Ganz im Gegenteil! Vor zehn Jahren habe ich mir jedes Spiel angeschaut, das irgendwo kam. Interessen ändern sich aber und vor allem wegen #NoFuchsGiven mache ich derzeit viele Dinge, die zuvor unbenutzte Teile meines Gehirns beanspruchen. Die Teile nämlich, die sich nicht um das Balltreten kümmern. Diese Distanz hilft mir, meinen Kopf freizubekommen und vom Fußball-Trubel abzuschalten.