Die Gründungsgeschichte des BVB - als Film!?

Jochen Tittmar
26. Juli 201311:40
BVB-Gründer Franz Jacobi (ganz rechts) und der "Ball Spiel Verein Borussia"
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Am Samstag steigt in Dortmund nicht nur der Supercup zwischen dem BVB und dem FC Bayern München (20.15 Uhr im LIVE-TICKER). Bereits am Morgen findet auf dem Dortmunder Südwestfriedhof die Umbettung von Franz Jacobi statt, der im Dezember 1909 den "Ball Spiel Verein Borussia" gründete. Die BVB-Fans Jan-Henrik "Janni" Gruszecki, Marc Quambusch und Gregor Schnittker wollen Jacobi ein filmisches Denkmal setzen und die Gründungsgeschichte "ihres" Vereins auf die Leinwand bringen. Im Interview sprechen Gruszecki und Quambusch über Hintergründe und Visionen des ambitionierten Projekts.

SPOX: Wie und wann seid Ihr auf die doch recht ambitionierte Idee gekommen, einen Film über die Gründerjahre von Borussia Dortmund drehen zu wollen?

Marc Quambusch: Die Idee gab es eigentlich schon sehr lange, weil Janni und ich das Gefühl hatten, dass Franz Jacobi bisher nicht die Würdigung erhalten hat, die ihm von seinen Verdiensten her zusteht. Man weiß relativ wenig über die Gründungsgeschichte des BVB. Wir hatten nur keine Ahnung, wie wir einen Film finanzieren könnten. Die Leute, die das Crowdfunding zum Film "Fortunas Legenden" gemacht hatten, haben uns letztlich die Inspiration zu diesem Finanzierungsmodell gegeben. Seit April, Mai gehen wir damit in die Vollen.

Jan-Henrik Gruszecki: Es gibt im Grunde nur drei Optionen: Ein Sender finanziert den Film, doch dann müsste er relativ seicht sein, so dass eine 50-jährige Frau aus Köln, die nichts von Fußball versteht, auch ein Interesse daran zeigen kann. Das fiel für uns aus, da der Film dann inhaltlich nicht unseren Ansprüchen genügen würde. Oder aber der BVB finanziert das Projekt, dann hätte man allerdings das Problem der Refinanzierung. Ein einzelner, externer Sponsor hätte dagegen Eigeninteressen.

SPOX: Woher kennt Ihr drei euch und was macht Ihr hauptberuflich?

Quambusch: Da wir beide seit wir denken können große BVB-Fans sind, kannten Janni und ich uns schon aus dem Stadion. Wir haben im Zuge der Produktion für den Film "Verrückt nach Fußball" erstmals zusammengearbeitet. Da haben wir festgestellt, dass wir ähnlich ticken. Ich persönlich entwickle, produziere und betreue Fernsehformate jeglicher Couleur.

Gruszecki: Ich bin Inhaber eines Unternehmens für Fußballtourismus in Buenos Aires. Unser dritter Mann im Bunde heißt Gregor Schnittker. Er hat ein Buch über die Historie der BVB-Fans geschrieben. Dabei habe ich ihn ein wenig unterstützt und wir haben uns kennengelernt. Daraus ist eine Freundschaft entstanden und ich habe gemerkt, dass er sich auch viel mit der Geschichte des Vereins beschäftigt. Während der Vorrecherche wurde klar, dass es zwischen uns dreien einfach sehr gut passt. Als jemand, der ebenfalls vom Fernsehen kommt, war er der ideale Mann, weil er sich dazu noch genauso mit Schwarzgelb identifiziert wie wir.

SPOX: Franz Jacobi war einer von 18 jungen Männern, die am 19.12.1909 in der Gaststätte "Zum Wildschütz" am Dortmunder Borsigplatz den BVB gegründet haben. Wieso fokussiert Ihr Euch auf Jacobi und nicht auf einer der anderen 17 Jungs?

Gruszecki: Es ist schon so, dass Jacobi die wichtigste Person dieser Gruppe und letztlich auch der Gründungsphase war. Er war von 1910 bis 1923 Präsident. Man kann ihn zweifelsfrei als den BVB-Gründer bezeichnen.

Quambusch: Jacobi hatte auch aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur eine gewisse Vorbildfunktion inne.Er hat sehr viel für den Verein getan und sich nie besonders wichtig genommen. 1923 kam beispielsweise die Frage auf, wie der "Borussia Sportplatz" auf der "Weißen Wiese", der erste Sportplatz des BVB, finanziert werden müsse. Man wollte jemanden finden und in die Verantwortung nehmen, der besser als Jacobi in der Wirtschaft verknüpft ist. Nachdem die Suche erfolgreich verlief, trat Jacobi zugunsten von Heinrich Schwaben und letztlich der Sache an sich zurück.

SPOX: Welche Rolle spielte Jacobi in der Zeit nach der Gründung?

Gruszecki: Er war bis Mitte der 1960er Jahre Berater des Vereins und bis weit nach dem zweiten Weltkrieg als Ehrenpräsident eine ganz wichtige Person für Borussia. Er hat vor manchen Entscheidungen oder Entwicklungen auch mal den mahnenden Finger erhoben.

Quambusch: Ihm ist es auch zu verdanken, dass der BVB nach dem zweiten Weltkrieg nicht aufgelöst wurde. Er war zwar kein Widerstandskämpfer, aber auch kein Mitläufer. Das war für die Engländer, die damals für die Stadt Dortmund zuständig waren, auch ein Grund zu sagen: Der Ballspielverein Borussia kann so wie er gegründet wurde weiter existieren und muss nicht mit anderen Vereinen fusionieren. Wir haben Jacobi also nicht nur die Gründung, sondern auch die Existenz nach dem zweiten Weltkrieg zu verdanken.

SPOX: Wie sehen Eure Planungen dahingehend aus, in welchem Verhältnis zur allgemeinen Gründergeschichte Ihr Jacobi selbst porträtieren möchtet?

Gruszecki: Er wird schon eine prägende Rolle spielen. Wir werden die anderen 17 Menschen aber definitiv nicht vergessen. Jacobi ist die Projektionsfläche, aber wir wollen natürlich so nah an die Realität kommen wie möglich.

Quambusch: Man muss auch dazu sagen, dass unter den anderen 17 auch Leute waren, die nach der Vereinsgründung kaum mehr in Erscheinung getreten sind. Es soll daher von Jacobi ausgehend der Rest der Geschichte erläutert werden.

SPOX: Habt Ihr bei euren Recherchen etwas herausgefunden, was noch unbekannt war?

Gruszecki: Gänzlich Unbekanntes wird noch nicht verraten. Viele Dinge waren eben weniger bekannt oder nicht so präsent. Wie beispielsweise, dass sich die Spieler im Keller des "Wildschütz" umgezogen haben. Wir haben auch eine Ehrenurkunde aus dem Jahr 1969, zur 60-jährigen Vereinsmitgliedschaft Jacobis, ausfindig gemacht.

Quambusch: Ich erzähle dann mal die Liebesgeschichte: Jacobi wollte mit seinen Jungs immer in den "Wildschütz" gehen, weil er sich in die Tochter von Besitzer Heinrich Trott, Lydia, verliebt hatte. Letztlich wurde sie seine Frau und sie lebten bis an ihr Lebensende zusammen.

SPOX: Könnt Ihr eigentlich auf einen gewissen Fundus aus dem BVB-Archiv zurückgreifen?

Quambusch: Ja. Gerd Kolbe, der Vereinshistoriker, hat bereits sehr viel aufgearbeitet und ein unfassbar profundes Wissen. Mit ihm werden wir eng zusammenarbeiten. Es ist nicht so, dass bislang nichts existieren würde, wir nun daher kommen und von Null anfangen müssen. Es wurde aber nie neu geforscht, dazu existiert das meiste überwiegend in Schriftform. Kolbe ist stolz wie Oskar, dass es nun Leute gibt, die mit ihm die Gründungsgeschichte an sich nochmal neu aufarbeiten wollen.

Seite 2: Wie kann man unterstützen? Welche Rolle spielt der BVB?

SPOX: Inwiefern lässt sich denn sagen, dass Ihr den Film ein paar Jahre zu spät macht?

Gruszecki: Natürlich hätten wir den Film idealerweise gerne in den 1960er Jahren gemacht, als Jacobi noch in Dortmund lebte und man alles hätte dokumentieren können. Wir machen den Film also definitiv viel zu spät, aber das lässt sich leider nicht mehr ändern. Es geht jetzt aber gerade noch so, weil noch eine Generation lebt, die die Gründer persönlich kannte und etwas über die Zeit und Personen erzählen kann.

SPOX: War es schwer, die Nachfahren von Jacobi ausfindig zu machen? Was sagt denn die Familie, die mittlerweile in Salzgitter lebt, zu Euren Bestrebungen?

Quambusch: Wir haben einfach gesagt, dass wir mal alle sechs Jacobis in Salzgitter anrufen werden. Als ersten hatten wir dann zufällig Gerrit Jacobi an der Strippe. Es stellte sich heraus, dass Franz sein Urgroßvater war und er selbst großer BVB-Fan ist. Janni und ich konnten es nicht fassen.

Gruszecki: Die Familie ist total glücklich, dass sich jemand diesem Projekt annimmt und um die Familiengeschichte kümmert. Sie hatten in den 1990er Jahren mehrmals versucht, Kontakt zum Verein aufzunehmen, der BVB hatte sich zur damaligen Zeit aber nicht wirklich darum gekümmert. Deshalb haben wir jetzt auch deren volle Unterstützung.

SPOX: Ihr seid bei der Finanzierung des Projekts auf Hilfe von außerhalb angewiesen. Über die Plattform "startnext.de" kann man Euch unterstützen. Derzeit habt Ihr rund 100.000 Euro beisammen. Wo liegt das Minimalziel, um den Film realisieren zu können?

Quambusch: 120.000 Euro sind das Minimalziel, das große Ziel sind aber 250.000 Euro. Die Spanne erklärt sich dadurch, dass man bei historischen Filmen sehr unterschiedliche Möglichkeiten der Realisierung hat. Wir würden gerne sogenannte "Re-Enactments" einsetzen, um wichtige Eckpunkte der BVB-Geschichte historisch korrekt nachzustellen. Die 120.000 Euro wären also sozusagen die schmale Version. Wir sind aber relativ sicher, dass wir am Ende in die Nähe der 250.000 kommen werden. Aber eben nur, wenn sich jeder BVB-Fan auch aufgerufen fühlt, uns zu helfen.

SPOX: Wieso läuft die Möglichkeit zu spenden am 5. September aus?

Gruszecki: In Absprache mit "www.startnext.de" haben wir uns für eine Laufzeit von zweieinhalb Monaten entschieden. Es darf nicht zu lange sein, weil in der Mitte traditionell wenig passiert und das meiste Geld am Anfang und am Ende fließt. Irgendwann muss es ja auch mal zu Ende sein, damit wir nicht nur wissen, welcher Betrag uns zur Verfügung steht, sondern auch aus der Phase der Akquise herauskommen und uns der intensiven Recherche widmen zu können. SPOX

SPOX: Welchen "Nutzen" hat man als Unterstützer?

Quambusch: Wenn man 9,09 Euro spendet, bekommt man eine Nennung im Abspann. Gibt man 19,09 Euro, bekommt man dazu noch die DVD, bei 39,09 Euro gibt's DVD und T-Shirt. Bei 19.909 Euro erhält man ein Replikat der Ehrenurkunde von Franz Jacobi sowie eine exklusive Filmvorführung.

Gruszecki: Wer 19,09 Euro gibt und dafür eine DVD bekommt, der macht jetzt nicht den größten Schnapper wie auf dem Wühltisch, aber er bekommt einen wirklich adäquaten Gegenwert.

SPOX: Inwiefern ist Borussia Dortmund an diesem Projekt beteiligt und wie sah das erste Feedback des Vereins aus?

Gruszecki: Das Feedback vom BVB war für uns das Startsignal dafür, sicher zu sein, das Projekt auch wirklich umsetzen zu können. Hans-Joachim Watzke hat uns nach dem ersten Gespräch sofort zugesichert, mindestens 25.000 Euro von der KGaA zu bekommen. Auch Dr. Reinhard Rauball ist sehr begeistert, vom Verein bekommen wir nochmal 25.000. Es war auch wichtig, direkt zu wissen, dass der Klub wirklich dahintersteht und uns kommunikativ unterstützt - und das, ohne uns reinzureden. Wir haben freie Handhabe.

Quambusch: Es soll aber auch kein offizielles BVB-Produkt werden, sondern eines, das von der ganzen großen Borussen-Familie, vom Fan auf der Südtribüne bis hin zum VIP, getragen wird. Es muss die Aufgabe von allen Dortmunder Anhängern sein, unsere Geschichte zu erhalten. Wir sind alle Borussia, daher zählt quasi jeder schwarzgelbe Euro (lacht).

SPOX: Was würde mit den Einnahmen der DVD geschehen, wenn der Film produziert werden sollte?

Quambusch: Wir sind uns sicher, dass wir den Film produzieren werden. Sobald es soweit ist, sind wir raus aus dem Projekt. Alle Erlöse aus den DVD-Verkäufen werden in soziale Projekte und Stiftungen gehen, die mit Borussia Dortmund oder der Stadt Dortmund zu tun haben. Wir machen uns damit nicht die Taschen voll.

SPOX: Am kommenden Samstag werden Gebeine der Jacobis, nachdem das Grab in Salzgitter bereits eingeebnet worden war, auf dem Dortmunder Südwestfriedhof bestattet. Wie ist es dazu gekommen?

Quambusch: Durch den Kontakt mit der Familie haben wir erfahren, dass das Grab der Jacobis 2010 entfernt wurde. Wir haben dann festgestellt, dass die Grabstätte nicht neu vergeben wurde. Es war daraufhin der ausdrückliche Wunsch der Familie, dass Franz Jacobi und seine Frau Lydia nach Dortmund verlegt werden. Der BVB unterstützt uns bei diesem Vorhaben und finanziert die komplette Umbettung.

Gruszecki: Jacobi ist in Dortmund geboren und hat bis 1972 dort gelebt, seine Frau ebenfalls. Das war also eine Dortmunder Familie und die gehört nach Dortmund. Es war persönlichen Umständen geschuldet, dass sie in Salzgitter begraben wurden.

SPOX: Was genau ist am Samstag zu Ehren Jacobis geplant?

Gruszecki: Erstmal: Die Beerdigung hat nichts mit dem Film zu tun und wird auch nicht gefilmt. Dieses Thema ist lediglich im Rahmen der Recherche aufgetaucht. Um 10 Uhr findet in der Dreifaltigkeitskirche ein Erinnerungsgottesdienst statt. Diese Kirche spielte in der Gründungsgeschichte des Vereins übrigens eine wichtige Rolle, weil der BVB im Prinzip eine Abspaltung einer Jugendorganisation dieser Kirche ist. Reinhard Rauball und Gerrit Jacobi werden jeweils eine Rede halten, dazu werden die Gebete und Lieder, die vorgetragen werden, sehr viel BVB-Bezug haben.

Quambusch: Das wird eine fast schon fröhliche, respektvolle Veranstaltung werden. Um 12 Uhr findet auf dem Südwestfriedhof dann die eigentliche Beisetzung statt. Wir wünschen uns, dass viele Borussen kommen werden und damit gerade in den aktuell so erfolgreichen Zeiten ein Zeichen setzen, dass ihnen die Geschichte ihres Vereins am Herzen liegt.

SPOX: Wann würde der Film spätestens veröffentlicht?

Quambusch: Wir hoffen, dass wir es bis zum 126. Geburtstag von Franz Jacobi, also im Juli 2014, schaffen werden. Das ist das Ziel, das wir aktuell anvisieren.

SPOX: Zum Schluss: Wenn Ihr ein Kapitel aus den Gründerjahren des BVB streichen könntet, welches wäre das?

Gruszecki: Wir haben bis 1947 gebraucht, um das erste wichtige Derby gegen die Blauen zu gewinnen: Vorher gab es Jahrzehnte nur auf die Mütze...

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