"Einen Tick schneller umschalten"

Andreas Lehner
08. September 201510:28
Mats Hummels erzielte in der EM-Quali gegen Schottland ein Eigentorgetty
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Mats Hummels erzielte beim 3:2-Sieg in Schottland ein unglückliches Eigentor, lieferte ansonsten aber wie schon gegen Polen eine solide Partie ab. Nach dem Spiel sprach Hummels in der Mixed Zone über die schottische Sechserkette und die kommende Aufgabe gegen Irland. Außerdem verteidigte er Ilkay Gündogan und Mario Götze.

Frage: Herr Hummels, Sie gehen nach dem Sieg über Schottland als Tabellenführer in die letzten beiden Spiele der EM-Qualifikation. War die Partie hier im Hampden Park auch ein Vorgeschmack, was die Mannschaft beim Auswärtsspiel in Irland erwarten wird?

Mats Hummels: Vorhersagen kann man es nie genau. Wir haben das Spiel heute über weite Strecken kontrolliert, aus dem Spiel heraus hatten die Schotten eine Chance in der zweiten Halbzeit. Zwischendurch haben wir sie aber mit leichten Fehlern und Ballverlusten aufkommen lassen. Das ist das einzige größere Manko dieser beiden Spiele. Vielleicht können wir das Spiel gegen die Iren noch besser kontrollieren.

Frage: Gegen eine Sechserabwehrkette wie sie die Schotten gezeigt haben, spielt man aber auch nicht oft?

Hummels: Ich habe das erst kürzlich mit Dortmund gegen Odds BK erlebt, die standen teilweise auch mit sechs, sieben Mann hinten. Da kannst du keinen 50-Meter-Ball hinter die Abwehr spielen. Man muss gute Laufwege haben und den Ball gut zirkulieren lassen. Das haben wir drauf.

Frage: Welche Ansatzpunkte sehen Sie noch für die weitere Entwicklung der Mannschaft?

Hummels: Das große Ganze kann noch in vielen Details verbessert werden. Bei der Raumaufteilung bei Ballbesitz und bei der Qualität des Ballbesitzes sind wir auf sehr hohem Niveau. Weil wir bei Ballverlusten dadurch aber sehr breit und offen stehen, müssen wir noch einen Tick schneller umschalten. Durch diese Ausrichtung es manchmal etwas anspruchsvoller zu verteidigen, aber wir haben das in diesen beiden Spielen gegen Polen und Schottland recht gut hinbekommen.

Frage: Es hatte auch den Anschein, als hätte die Mannschaft nach den Gegentoren nochmal einen Gang höher geschaltet und zielstrebiger Richtung Tor gespielt und nicht mehr so sehr auf Spielkontrolle. Täuscht der Eindruck?

Hummels: Ich glaube nicht, dass wir nach den Gegentoren einen Gang hochgeschaltet haben. Wir hatten im Anschluss ja nicht zehn Chancen in fünf Minuten, sondern wir hatten im Laufe des Spiels immer wieder unsere Möglichkeiten und haben glücklicherweise die ersten zwei gleich genutzt. Insgesamt war es schwer, sich Chancen zu erspielen, weil die Schotten gut verteidigt haben. Aber wir haben größtenteils mit der nötigen Geduld agiert und sind nicht hektisch geworden. Wir wollten nicht in ein Spiel geraten, in dem es hin und her geht, weil dann wird es ein Fifty-fifty-Spiel.

Frage: Sie haben es schon angesprochen: Die Schotten hatten ihre erste richtige Chance in der zweiten Halbzeit, aber da hatten sie schon zwei Tore geschossen. War Schottland so gesehen ein unheimlicher Gegner?

Hummels: Okay, das 2:2 war auch eine Chance, eine halbe zumindest... Es passiert halt einfach mal, dass man solche Tore kassiert. Uns ist das mit Dortmund im letzten Jahr auch ein paar Mal passiert, dass wir 0:1 hinten waren und nicht wussten warum. Ich bin froh, dass wir ein solches Spiel, in dem der Zufall zweimal dem Gegner in die Karten spielt, trotzdem gewinnen können.

Frage: Den Siegtreffer erzielte Ihr Dortmunder Mannschaftskollege Ilkay Gündogan, der sich mit seinem guten Auftritt gegen Polen in die Mannschaft gespielt hat. Wo sehen Sie seinen Platz im Team?

Hummels: Es ist nicht meine Aufgabe zu bewerten, wer wo spielen soll. Fakt ist, dass Ilkay, so wie er im Moment spielt, zu den Top-Mittelfeldspielern dieser Welt gehört. Das ist für mich eindeutig, da lasse ich mir auch nichts anderes erzählen. Er bringt alles mit, was man braucht.

Frage: Bundestrainer Joachim Löw hat ihn auch als fest Größe für die EM 2016 und die WM 2018 eingeplant.

Hummels: Die Verletzung war für ihn natürlich der Horror, weil er ja schon dabei und nah einem großen Turnier dran war. Man kann sich gar nicht vorstellen, was es heißt, 13, 14 Monate nicht spielen zu können. Und auch die Monate danach, sind nicht einfach, wenn es darum geht, das Selbstverständnis zu entwickeln und das Vertrauen in den eigenen Körper wiederzufinden. Beides hat er im Moment wieder. Das Wichtigste ist, dass man gesund ist. Wenn man dann scheiße spielt, hat man selbst die Verantwortung zu tragen. Wenn du aber hilflos bist, ist es Sportlersicht die schlimmste Erfahrung, die man machen kann.

Frage: Die Probleme mit den Fans, die ihn bei der Saisoneröffnung ausgepfiffen haben, scheint Gündogan auch überwunden zu haben. Ist er gerade so gelöst und zufrieden, wie er nach außen hin wirkt?

Hummels: Ich glaube, das muss ich mal ein bisschen relativieren. Die Geschichte wurde von den Medien in eine Richtung gepusht und die Leute lassen sich ihre Meinung auch ein bisschen aufschwatzen. Wenn er so spielt wie jetzt, wird es in Dortmund keinen geben, der dagegen etwas hat. Und außerdem muss man auch mal sagen, dass er, auch wenn vielleicht nicht zu 100 Prozent bei uns bleiben wollte, seinen Vertrag noch einmal verlängert hat. Einfach aus dem Grund, dass der Verein nicht mit leeren Händen dasteht, sollte er im nächsten Sommer wechseln. Das könnte auch viel positiver gesehen werden. Er hätte auch einfach sagen können: 'Ich lasse das Ding auslaufen und verdiene mir noch ein bisschen mehr Geld, wenn der neue Verein keine Ablösesumme zahlen muss.' Aber das hat er nicht gemacht.

Frage: Einen positiven Eindruck hat auch Mario Götze in den beiden Länderspielen hinterlassen. Wie sehen Sie seine Position?

Hummels: Ich habe diesen ganzen Mist und Schmarrn, der da teilweise verzapft wurde, gelesen. Von wegen, er wäre bei der Nationalmannschaft doppelt so gut wie bei Bayern. Wir wissen, was er für ein herausragender Fußballer er ist. Ich bin mir auch sicher, dass er sich bei Bayern durchsetzen wird. Wenn man ihm das Vertrauen gibt, dann wird er das auch bei Bayern zeigen. Wenn man es ihm nicht gibt, muss er wissen, was er machen möchte.

Schottland - Deutschland: Die Statistik zum Spiel