Mit seinen Chefs kommuniziert er nur noch per E-Mail. Seit Jahresbeginn steht Liverpools Trainer Rafael Benitez im Machtkampf mit den amerikanischen Klub-Bossen George Gillett und Tom Hicks und schweigt beharrlich, wenn die Rede auf die beiden Geschäftleute kommt.
Nachdem die texanischen Besitzer des FC Liverpool dem 48-jährigen Spanier hartnäckig personelle Verstärkungen verweigert und unter anderem die Verpflichtung seines Wunschkandidaten, des Defensiv-Allrounders Gareth Barry (27) von Aston Villa, abgelehnt hatten, stand Benitez in Anfield sogar auf der Kippe.
Doch Benitez nahm den Kampf an und seine Eigenwilligkeit, mit der er Liverpool immer wieder zum Erfolg (Champions-League-Sieger 2005 und FA Cup-Sieger 2006) geführt hat, scheint sich in dieser Saison wieder einmal auszuzahlen.
Vor dem Kracher beim Tabellenführer FC Chelsea am kommenden Sonntag (14.30 Uhr im SPOX-TICKER und im Internet TV) sind die Reds punktgleich mit den Londonern und lassen ihre Fans vom ersten Meistertitel seit 1990 träumen.
Im Interview mit SPOX spricht Rafael Benitez über die Unterschiede zwischen der Premier und Champions League, tierisch selbstbewusste Reds und über seinen nächsten Arzttermin.
SPOX: Mister Benitez, der FC Liverpool hat in dieser Saison bereits fünf Spiele innerhalb der letzten Minuten gewonnen, davon zwei Mal in der Nachspielzeit. Wie sehr gehen solche Resultate an die Nerven?
Benitez: Ich denke, dass wir in allen diesen Spielen großes Selbstvertrauen gezeigt haben und absoluten Siegeswillen demonstriert haben. Der Wille macht uns stark.
SPOX: Aber wären Sie nicht manchmal froh, ein Spiel früher zu entscheiden, um sich zurücklehnen zu können?
Benitez (lacht): Es wäre vor allem für unsere Fans sehr schön, wenn wir öfter zur Pause mit zwei oder drei Toren führen würden und das Spiel genießen könnten. Aber wenn es so weiter geht, werde ich mit meinem Nervenarzt sprechen müssen. Ehrlich gesagt, mag ich es nicht, immer wieder so spät zurückzukommen. Am Ende haben wir die Spiele gegen Lüttich (in der Champions-League-Qualifikation, Anm. d. Red.), Middlesbrough, Manchester City und Wigan Athletic aber irgendwie noch gewonnen und alle waren glücklich.
SPOX: Wie wichtig war der späte Erfolg gegen Wigan für die anstehende Aufgaben, vor allem mit Hinblick auf die Champions League?
Benitez: Es war sehr wichtig für uns, nach der Länderspielpause mit einem Sieg zurückzukommen. Aber die Premier League und die Champions League sind zwei völlig verschiedene Wettbewerbe.
SPOX: Wo liegen die Hauptunterschiede?
Benitez: Die Spiele im Europapokal sind sehr stark von der Taktik geprägt, weil Teams aus verschiedenen Ländern immer unterschiedliche Systeme pflegen. Das ist in der Premier League ganz anders. Hier entscheidet oft die bessere physische Verfassung. Das Wichtigste ist aber, dass die Mannschaft an sich glaubt. Und das ist entscheidend.
SPOX: Ist das die Mentalität, mit der man Ende auch die Meisterschaft gewinnen kann?
Benitez: So weit sind wir noch lange nicht! Eine Premier-League-Saison ist sehr lang und wir haben nun ein schweres Spiel beim FC Chelsea, das uns zeigen wird, wohin unser Weg geht. Um den Titel zu gewinnen, müssen wir vor allem in den Spielen gegen die direkten Konkurrenten bestehen. Das ist uns im letzten Jahr nicht gelungen. Es ist klar, dass es gegen Chelsea vor allem dann schwer wird, wenn sie in Führung gehen. Aber wir werden aus den Spielen gegen Manchester City und Wigan die richtigen Schlüsse ziehen.
SPOX: Und die wären?
Benitez: Wir müssen einige Dinge ändern, insbesondere in der Defensive. Ich bin froh, mit Dan Agger, Jamie Carragher und Sami Hyypiä wieder einige Alternativen zu haben. Der Ausfall von Martin Skrtel (nach einer Knieverletzung im Spiel bei Manchester City, Anm. d. Red.) war bislang das Schlimmste, was uns in dieser Saison passiert ist. Aber dadurch, dass Agger und Hyypiä wieder fit sind, sind wir momentan in einer wesentlich besseren Ausgangslage als zum gleichen Zeitpunkt in der letzten Saison.
SPOX: Wie beurteilen Sie die Leistung von Dirk Kuyt?
Benitez: Nach dem Ausfall von Fernando Torres ist Dirk in die zentrale Angriffsposition gerückt und hat gegen Manchester City und Wigan überragend gespielt. Es wird ja häufig gesagt, dass er in der Premier League zu wenig Tore macht, aber allein gegen Wigan waren es gleich zwei Treffer, von daher kann ich diese Kritik wirklich nicht teilen. Dirk hat in dieser Saison schon sehr oft gezeigt, dass er in der Offensive auf jeder Position spielen kann und dass er absolut brennt.
Meistgelesene Artikel
Das könnte Dich auch interessieren

.jpg?quality=60&auto=webp&format=pjpg&width=317)

