Mit dem Mittelfeldspieler Ivan Perisic vom FC Brügge hat Borussia Dortmund den teuersten Transfer seit neun Jahren getätigt. Angeblich zu Recht, wie Beobachter sagen. Dabei kam die Karriere des 22-jährigen Kroaten nur mühsam ins Rollen.
Borussia Dortmund ist seit Jahren dafür bekannt, Personalentscheidungen erst dann zu verkünden, wenn die Tinte komplett getrocknet ist. Das ist auch die vollkommen richtige Vorgehensweise. Zumal der BVB des Öfteren Transfers getätigt hat, ohne dass im Vorfeld auch nur ein winziges Detail an die Öffentlichkeit gelangte.
Perisic vervielfacht seinen Marktwert
Bei Ivan Perisic verhielt es sich anders. Wie im Vorjahr bei der Verpflichtung von Robert Lewandowski dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis der Wechsel des 22-Jährigen offiziell als perfekt vermeldet wurde. Dabei sickerten schon früh genügend Details durch, die Brügges Manager Vincent Mannaert auch bestätigte.
Jetzt, da auch der deutsche Meister Vollzug vermeldete, steht fest: Perisic unterschreibt bei der Borussia ein Arbeitspapier über fünf Jahre und kostet 5,5 Millionen Euro Ablöse.
Für die Belgier ein sportlich schmerzhafter Verlust, finanziell allerdings ein profitables Geschäft. Brügge zahlte im August 2009 nur 250.000 Euro für Perisic, der somit seinen Wert um ein 22-faches steigern konnte.
Kein Platz bei Hajduk Splits Profis
Der Kroate erklimmt mit seinem Wechsel die nächste Stufe in seiner Karriere. Er wird in einer qualitativ stärkeren Liga und der Champions League kicken.
Dabei gestaltete sich der Beginn seiner Laufbahn zunächst recht holprig. Perisic wurde in seiner Heimatstadt Split ausgebildet und schaffte dort auch den Sprung in die kroatischen Jugendnationalmannschaften. In die erste Mannschaft von Hajduk führte sein Weg allerdings nicht.
Nicht zuletzt das internationale Interesse von Klubs wie Eindhoven, Ajax, Anderlecht oder dem HSV veranlasste den damals 17-Jährigen, es frühzeitig im Ausland zu versuchen.
Über Frankreich nach Belgien
Alain Perrin in Diensten des FC Sochaux schaffte es, das Talent in die Peugeot-Stadt zu locken - Perisics erster Profivertrag.
Doch auch im Osten Frankreichs spielte er meist im Jugendteam und saß bei den Profis auf der Bank. Mit der U 19 überzeugte er beim Gambardella Cup, einem prestigeträchtigen Nachwuchswettbewerb. Als die Situation in der ersten Mannschaft festgefahren schien, verlieh ihn der Klub nach Belgien zum KSV Roeselare.
Dort stand am Ende zwar der Abstieg, aber Perisic deutete mit fünf Toren in 17 Partien erstmals seine Klasse an. Zurück in Frankreich stand früh fest, dass Sochaux kein Interesse an einer Weiterbeschäftigung hatte. Auch Hertha BSC schüttelte den Kopf, nachdem Perisic ein Probetraining absolvierte. Brügge hingegen sah genauer hin.
Höchste BVB-Ablösesumme seit Torsten Frings
Dort entwickelte sich Perisic in den vergangenen beiden Jahren prächtig. 31 Tore gelangen ihm in der Jupiler League, vier weitere in der Europa League.
In der vergangenen Saison dann die Leistungsexplosion, die ihn auf den Radar des BVB brachte: Mit 22 Toren und zehn Assists war Perisic der beste Spieler der Liga. Die Belohnungen: Nationalelfdebüt im Januar, Wahl zu Belgiens Fußballer des Jahres und Vertrag in Dortmund.
Nun stellt sich natürlich die Frage, warum der BVB für Perisic die höchste Ablösesumme seit dem Transfer von Torsten Frings vor neun Jahren zahlt.
"Man denkt an Michael Ballack"
Hört man sich um, scheint die Antwort relativ klar: Perisic wird in Superlative gekleidet.
"Wenn man ihn spielen sieht, denkt man unweigerlich an Michael Ballack. Er ist körperlich sehr stark und torgefährlich. Im Mittelfeld ist er quasi überall einsetzbar", sagt Ex-Spieler Axel Lawaree von Perisics Berateragentur "StarFactory Football Management" im Gespräch mit SPOX.
Jürgen Klopps Einschätzung im "Kicker": "Perisic ist beidfüßig, schnell, strategisch nicht unbegabt und hat einen starken Kopfball."
BVB-Personalplanung früh abgeschlossen
Deutlich euphorischer beurteilt Nationalelfkollege Ivan Rakitic den Transfer: "Perisic ist ein Phänomen. In Dortmund wird er eine ganz große Karriere machen. Michael Zorc und Klopp haben wieder eine absolute Voll-Granate an Land gezogen. Ivan wird so in der Bundesliga einschlagen, dass sein Marktwert innerhalb von nur einer Saison explodieren wird", sagte der Ex-Schalker der "Bild".
Ob Perisic tatsächlich der nächste Shinji Kagawa wird, sei vorerst einmal dahingestellt. Fest steht: Zorc hat die Personalplanung ein weiteres Mal sehr frühzeitig abgeschlossen - keine drei Wochen nach Saisonschluss. Der Kader steht, alle Wünsche sind er- und Lücken gefüllt.
Perisics Aufgabe wird es sein, sich schnellstmöglich mit dem laufintensiven Dortmunder Fußball vertraut zu machen und an das höhere Niveau zu gewöhnen. Das Trainerteam wird dabei herausfiltern, wo er der Mannschaft am meisten helfen kann.
Perisic vielseitig einsetzbar
"Wo er spielt, hängt eigentlich nur von Klopps Vorstellungen ab. In Brügge war er meist im linken Mittelfeld im Einsatz, hat im Spiel aber auch hin und wieder den Flügel gewechselt oder ist in die Zentrale eingerückt", sagt Lawaree.
Klingt vor allem nach Konkurrenz für Kevin Großkreutz, der wie schon in der Hinrunde auch am Saisonende etwas durchhing und ein wenig Druck ebenso gut vertragen könnte wie Kuba im Vorjahr.
Interessanter ist, ob Klopp Perisic auch die offensivere der beiden Sechserpositionen zutraut. "Ich denke, dass er in Dortmunds Team am besten in der Zentrale aufgehoben ist, ob defensiv oder offensiv", ist Lawarees Empfehlung.
Man darf gespannt sein, wie und wo sich Perisic in die homogene BVB-Gemeinschaft einfügen wird. Trotz aller Vorschusslorbeeren tut man gut daran, keine Wunderdinge zu erwarten. Das hat bei Kagawa ja auch geklappt.
Ivan Perisic im Steckbrief