Manuel Neuer zurück ins Tor, Joshua Kimmich als Rechtsverteidiger: Julian Nagelsmann wirft vermeintliche Gewissheiten über den Haufen und beschäftigt sich sogar mit einem Comeback von Toni Kroos.
Julian Nagelsmann ging an der legendären Torwand leer aus - der bemerkenswert offene Bundestrainer verließ das Aktuelle Sportstudio des ZDF trotz seiner sechs Fehlschüsse aber mit einem zufriedenen Lächeln. Nagelsmann hatte seine Treffer zu nächtlicher Stunde schließlich schon zuvor gelandet. Für die Rettung der Heim-EM wirft der 36-Jährige vermeintliche Gewissheiten über den Haufen, verabschiedet sich von Experimenten und sorgt überraschend für Klarheit bei wichtigen Personalien.
Im Detail bedeutet dies: Manuel Neuer kehrt bei den Länderspielen im März in Frankreich und in Frankfurt gegen die Niederlande ins Tor zurück, Joshua Kimmich wird nach hinten rechts verschoben. Die kurze Zeit von Kai Havertz als Schienenspieler auf der linken Seite erklärte Nagelsmann zudem für beendet, seinen Kapitän Ilkay Gündogan sieht er künftig als Strippenzieher vor zwei defensiv denkenden Sechsern.
Und um kurz vor Mitternacht heizte der Bundestrainer in Mainz dann auch noch die Spekulationen über ein Comeback von Toni Kroos an. Die Rückkehr des Weltmeisters von 2014 sei ein "interessanter Gedanke", sagte Nagelsmann: "Man muss sich ja über alle Spieler, die einen deutschen Pass haben, das ist ja glaube ich mein Job, Gedanken machen."
Mit dem nach der EM 2021 zurückgetretenen Kroos (33) befindet sich der Bundestrainer in einem regelmäßigen Austausch. "Er macht es in Madrid herausragend gut, ist dort einer der Könige", schwärmte Nagelsmann: "Ich glaube, jeder deutsche Fußballer sieht einen gewissen Reiz darin, eine Heim-EM zu spielen. Es kann sein, dass ich ihn noch mal anrufe."
Auch beim Reizthema Kimmich legte der ehemalige Bayern-Coach eine Kehrtwende hin. "Das habe ich nie ausgeschlossen", betonte Nagelsmann. Kimmich stelle sich immer "in den Dienst der Mannschaft" und sei daher "hinten rechts eine Option". Gespräche mit dem Münchner habe es bereits gegeben: "Er ist ein Spieler, der auch Einfluss auf den Erfolg nehmen kann, wenn er nicht auf der Sechs spielt."
Dort sieht Nagelsmann ein halbes Jahr vor der EURO (14. Juni bis 14. Juli) auch Gündogan nicht mehr. Generell will der Bundestrainer seine Startelf deutlich defensiver ausrichten als zuletzt. "Wir müssen ein bisschen was an der Kaderstruktur ändern, um mehr Verteidigungsmonster zu werden", sagte Nagelsmann. Er rückte damit von seinem Plan ab, die elf besten Fußballer aufzustellen.
Wer künftig die Doppel-Sechs bilden soll, ließ Nagelsmann aber offen. Er lobte aber ausdrücklich Spielertypen wie Robert Andrich und Grischa Prömel. "Ich will mich weniger über die Namen unterhalten, sondern mehr über die Typen, die wir brauchen", betonte Nagelsmann.
DFB-Team: Julian Nagelsmann setzt wohl auf Manuel Neuer
Im Tor scheint eine Vorentscheidung gefallen zu sein. Der langjährige Kapitän Neuer hat gegenüber seinem derzeit verletzten Kollegen Marc-Andre ter Stegen (Rücken-OP) klar die Nase vorn. "Manuel macht das außergewöhnlich gut, sein Comeback war ein sehr emotionaler Moment. Ich finde seine Leistungen herausragend gut", sagte Nagelsmann.
Nach den ernüchternden Niederlagen gegen die Türkei (2:3) und in Österreich (0:2) will Nagelsmann die Dinge taktisch vereinfachen, "noch mehr runterbrechen". Das hatte er schon bei seinem Amtsantritt angekündigt, diese Linie danach aber etwas verlassen.
Die Tür für weitere Neulinge schloss Nagelsmann aber nicht aus. So dürfe sich auch der Stuttgarter Deniz Undav Hoffnungen machen. "Das hängt von seiner Leistung, die ich aktuell sehr, sehr gut finde, ab", sagte der Bundestrainer.
Nach den Spielen im März wird Nagelsmann im Mai seinen EM-Kader benennen. Nach zwei weiteren Testspielen im Juni gegen noch unbekannte Gegner eröffnet die DFB-Auswahl als Gastgeber das Turnier in München gegen Schottland. Weitere Gegner in der Vorrunde sind Ungarn und die Schweiz.
Nagelsmann warb trotz zuletzt schwacher Ergebnisse und drei Turnierenttäuschungen hintereinander für einen optimistischen Blick auf den Sommer. "Es soll viel Vorfreude bringen. Wenn wir in München im Eröffnungsspiel stehen, sollten wir zuerst mal Freude spüren, und das Privileg, dass es etwas Besonderes ist, im eigenen Land eine EM spielen zu können", sagte er.
Die Fans haben seit Samstag mehr Klarheit darüber, wie die deutsche Startelf aussehen könnte.